Mülheim. Durch das Hochwasser konnten Kühe, die unter der A40-Brücke in den Ruhrwiesen leben, nicht mehr die Flussseite wechseln. So bekamen sie Hilfe.
Ihre Tiere leben recht autark, sind an die Freilandhaltung gewöhnt, das weiß Iris Kamann aus der alteingesessenen Landwirtschaftsfamilie, die ihre Rinder seit Jahrzehnten auf den Ruhrwiesen im Ruhrbogen zwischen Styrum und Speldorf hält. Autofahrer, die die A40 nutzen, kennen das Bild der grasenden Kühe unterhalb von Autobahn- und Raffelbergbrücke. Jetzt aber brauchte die rund 70 Tiere starke Herde menschliche Hilfe.
Nahezu völlig frei leben die rund 40 Kühe und derzeit etwa 30 Kälber der Landwirtschaftsfamilie Kamann, deren Hof am Kolkerhofweg nahe den Ruhrauen liegt. Die Tiere haben ihr weitläufiges, natürliches Refugium in den Wiesen, die sich entlang des Ruhrbogens schlängeln und können sich auf beiden Seiten des Ufers bewegen. Nun aber, als das Hochwasser kam, waren sie von ihrem Stall abgeschnitten. „Sie standen auf der falschen Seite, rechts der Ruhr auf Styrumer Gebiet und nicht linksseitig auf der Speldorfer Seite, wo unser Hof liegt“, erklärt Iris Kamann.
Normalerweise durchqueren die Mülheimer Kühe die Ruhr selbstständig
Noch im November - als das Wetter recht gut war - habe die Herde die Seite gewechselt. Ob sie sich auf Styrumer Grund oder auf Speldorfer aufhalten, können die Kühe selbst entscheiden und nutzen zum Durchqueren des Flusses normalerweise untiefe Stellen. Diese aber waren im Nu verschwunden, als der große Regen losging und die Ruhr vergleichsweise schnell stieg. „Ohne Vorwarnung sind die Schleusen aufgemacht worden, weil sich starker Regen anbahnte, und dann kamen die Kühe nicht mehr zurück“, schildert Iris Kamann und erzählt: „Wir dachten, dass der Pegel nach zwei, drei Tagen wieder sinkt, aber das war nicht so.“ Also fuhren die Landwirte mit dem Futterwagen ein paar Wochen auf die andere Ruhrseite, um ihre Tiere zu versorgen.
Jetzt aber trafen die Rinderhalter den Entschluss, die Tiere nach Hause zu holen, denn, sagt Iris Kamann: „Wir wissen ja nicht, wie lange das Hochwasser noch dauert und weit es noch steigt.“ Der Heimweg der Kuhherde musste indes diesmal ein ganz anderer sein, als der, den die Tiere normalerweise wählen. Weil die Rückkehr durchs Wasser unmöglich war, mussten die rund 70 Tiere über die Raffelbergbrücke getrieben werden. Dabei wurden die Landwirte von der Feuerwehr und dem THW unterstützt. „Wir hatten am Freitag die Entscheidung getroffen, die Kühe zurückzuholen und bei der Feuerwehr um Hilfe gebeten“, berichtet Kamann. Die Einsatzkräfte sperrten dann am Samstag vor Heiligabend die Straße ab, Ehrenamtliche des THW halfen, die Tiere aus der Weide herauszutreiben.
Kühe der Mülheimer Familie Kamann brauchen ein paar Anläufe, um Ruhrseite zu wechseln
Es waren schon ein paar Anläufe nötig, um wirklich alle Kühe dazu zu bewegen, über die Brücke u laufen. „Wir haben drei, vier Versuche gebraucht und dann haben sie verstanden, dass wir sie dahin haben wollten, wohin sie normalerweise nicht dürfen - auf die Straße“, sagt die Speldorferin, die ihre Tiere ganz genau kennt. Mit dem Futterwagen ist sie vorgefahren und hat versucht, die Kühe hinter sich herzulocken.
Fotostrecke zum Hochwasser in Mülheim: Die Lage in Bildern
Jetzt, schildert Iris Kamann, stünde die Herde auf der richtigen Seite, dort, wo sie im Winter immer stehen: „Jetzt sind sie zu Hause.“ Auch diese Uferseite sei natürlich von Hochwasser betroffen, aber dort könnten sich die Kühe derzeit noch gut aufhalten, sagt die Landwirtstochter. „Wir kontrollieren das Hochwasser permanent. Notfalls können wir die Tiere von dort aus noch auf eine höher gelegene Weide bringen, näher am Hof. Jetzt sind wir von hier aus handlungsfähig und brauchen keine fremde Hilfe mehr.“
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Die Tiere angesichts des schlechten Wetters im Stall unterzubringen, ist für Kamanns keine Option. „Die sind es gewohnt, draußen zu bleiben, die haben jetzt ein dickes Fell, da wäre es gar nicht gut, sie aufzustallen. Die wollen gar nicht woanders sein“, ist die Rinderhalterin sicher. Außerdem herrschten gerade Wohlfühltemperaturen für Kühe: „Die zehn Grad sind denen sicher angenehmer als die 30 Grad im Sommer.“
Auch vom Sommerhochwasser 2021 waren die Landwirte stark betroffen. Ein Großteil der rund 22 Hektar, die die Landwirtsfamilie Kamann entlang der Ruhr, von Mülheim über Oberhausen bis nach Duisburg bewirtschaftet, war damals überschwemmt worden. Die Fluten hatten nicht nur Zäune mit Schwemmgut umgespült und niedergedrückt, sondern jede Menge Unrat wie Klärschlamm und Müll auf den Wiesen verteilt.
Mülheimerin: „So ein Hochwasser wie im Sommer 2021 habe ich noch nie erlebt.“
Ihre gewohnten Weiden mit Flusszugang konnten die Kühe einige Zeit lang nicht nutzen, standen stattdessen auf Flächen weit ab des Kolkerhofweges, die vom Hochwasser so gut wie verschont geblieben waren.
„So ein enormes Sommerhochwasser wie 2021, als wir die Kühe von den vorderen Weiden wegholen mussten, habe ich noch nie erlebt“, sagt die Mittfünfzigerin, die auf dem Hof ihrer Eltern am Kolkerhofweg aufgewachsen ist. Für das aktuelle Hochwasser ist sie indes zuversichtlich: „Im Winter ist es bislang immer gut gegangen.“
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