Mülheim. Eine Malteser-Aktion hat gezeigt: Das Mitgefühl der Mülheimer ist ausgeprägt. Und sie haben zum Teil rührende Gründe für ihre Hilfsbereitschaft.
Auch wenn die Schlagzeilen manchmal Gegenteiliges befürchten lassen, eine Hilfsaktion der Mülheimer Malteser hat am Freitag gezeigt: Es gibt nach wie vor viele, viele Menschen in der Stadt, die Mitgefühl haben und die das harte Schicksal anderer keineswegs kaltlässt. Schon am Vormittag beteiligen sich Dutzende Kunden und legen zu ihrem normalen Einkauf bei Rewe Lenk in Mülheim-Saarn noch ein, zwei Artikel zusätzlich in den Wagen. Nach dem Bezahlen geben sie die Produkte bei den Maltesern ab - als Spende für Bedürftige.
Laut städtischen Zahlen der vergangenen Jahre leben in Mülheim rund 45 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in finanziell heiklen Verhältnissen. Über 13.000 Kinder und Jugendliche gelten als arm oder armutsgefährdet. Entsprechend viele arme Eltern gibt es. Die Malteser schauen aber auch besonders auf Menschen, die sozial isoliert sind, auf alleinstehende Senioren mit minimaler Rente, auf Obdachlose. „Da gibt es viele, die fast nichts mehr haben“, weiß Beate Schiedel, die gemeinsam mit ihrem Mann Wolfgang das soziale Ehrenamt bei den Maltesern leitet.
Anderen eine Freude zu machen, macht sie selbst glücklich, sagt die Mülheimerin
Wenn diese Menschen hin und wieder eine Tüte voll Lebensmittel und Hygieneartikeln in Empfang nehmen dürfen, ist die Dankbarkeit riesig, erzählt die 62-Jährige. „Sie nehmen uns in den Arm, manchmal fließen Tränchen. Das ist herzzerreißend, da kriegen Sie eine Gänsehaut.“ Anderen eine Freude zu machen, das mache auch sie selbst glücklich, sagt Schiedel.
In früheren Jahren haben die Malteser Sachspenden von Unternehmen und Privatleuten erhalten und damit Tüten gepackt. Schon so kamen etliche, gut gefüllt Taschen zusammen. Doch die nun in Saarn erstmals durchgeführte Aktion in einem Supermarkt bringt wohl noch mehr, vermutet Schiedel schon am Vormittag. Gegen 10 Uhr kann sie bereits einen ersten brechend vollen Einkaufswagen zum Auto schieben und die milden Gaben sicher im Kofferraum verstauen. Ein zweiter Einkaufswagen ist zu diesem Zeitpunkt schon zur Hälfte gefüllt.
„Es gibt leider viele Arme. Alles ist so teuer geworden, die Mieten, die Energie“
Im Eingangsbereich des Supermarktes haben die Ehrenamtler einen Tisch bestückt mit günstigen, langlebigen Waren: darunter Nudeln, Haferflocken, Möhren, Kirchererbsen und Zitronentee, aber auch Duschmittel. Hannelore Kardung (73) greift spontan zu einer Packung Reis und Apfelmus im Tetrapak, zahlt kurz darauf an der Kasse und legt die Spenden in Schiedels Sammel-Karre. Ihre Motivation? „Es gibt leider viele Arme. Alles ist so teuer geworden, die Mieten, die Energie. Das ist oft existenzbedrohend. Deshalb kann der Wagen hier ruhig noch voller werden.“
Silke Bewer berührt die Aktion: „Einfach weil es mir gut geht, möchte ich auch denen etwas geben, denen es nicht so gut geht.“ Sie arbeite selbst ehrenamtlich, erzählt die 64-Jährige, und zwar beim Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE). „Ich lerne mit einer Jugendlichen aus dem Iran Lesen und helfe Realschülern beim Übergang in ihre berufliche Zukunft.“ Für das Malteser-Körbchen hat sie gezielt zu Kaffee und Rotkohl gegriffen: „Es geht auf Weihnachten zu. Da soll es auch für die Menschen, die wenig haben, mal etwas Besonderes sein.“
„Die Idee, sich hierhin zu stellen und zu sammeln, ist pfiffig“
Dass die Armut wächst, gerade auch bei Kindern, beschäftigt Hans-Jürgen Bagusat (81). „Das ist einfach keine Ausnahme mehr, auch unabhängig von der Flüchtlingssituation im Land. Man sollte da etwas beitragen, Unterstützung leisten.“ Von ihm kommen eine Tüte Nudeln und ein Paket passierte Tomaten. Kurz darauf legt Matthias Salter (60) zwei Packungen Reis dazu. „Die Idee, sich hierhin zu stellen und zu sammeln, ist pfiffig“, findet er. „Es ist wesentlich einfacher, so mal schnell etwas kleines Gutes zu tun, als wenn man aufwendig einen Überweisungsträger ausfüllen muss.“
Eine 74-Jährige, die anonym bleiben möchte, zeigt sich besonders spendabel: Würstchen im Glas, Eintopf aus der Konserve, Fisch in der Dose, dazu Nudeln und Reis. „Ich habe Dinge ausgewählt, die nicht so schnell verderben. Und wo man denkt, das könnte vielleicht gefallen.“ Das Schenken mache Spaß: „Auch für den, der gibt, ist es ein schönes Gefühl.“
Mülheimer Kitakinder malen Weihnachtskarten für die Bedürftigen
Aus all den freundlichen Zuwendungen werden Beate Schiedel und ihr Team, zu dem neben Ehemann Wolfgang (67) auch Margit Pappe (61) und Heike Schmitz (58) zählen, wieder tolle Tüten packen. Mit Schleifchen und handgeschriebenen Weihnachtskarten, die zum Teil von Mülheimer Kitakindern bemalt oder mit kleinen Basteleien einer engagierten Helferin verziert werden. Auch wenn die Armut groß ist, seien es vor allem diese immateriellen Dinge, die die Beschenkten rühren: „Wir hören immer wieder Sätze wie: Dass es so etwas noch gibt...“
Die Malteser wissen, wer Spenden besonders nötig hat, bekommen auch Tipps von städtischen Seniorenberatern. „Doch bei uns sind auch andere Bedürftige willkommen“, betonen die Schiedels. Nach Absprache via E-Mail an wolfgang.schiedel@malteser.org können die Menschen eine Tüte in der Dienststelle an der Karlsruher Straße abholen. Und selbstverständlich können dort auch weiterhin Lebensmittel-Spenden abgegeben werden.