Mülheim. Bisher war Mülheim Schlusslicht unter smarten Städten. Eine neue Kooperation soll den Glasfaserausbau beschleunigen. Was bringt das den Bürgern?
Kommt nun der Durchbruch beim Glasfaserausbau in Mülheim? Am Wunsch der Stadt wird es nicht liegen: Mülheim ist dafür mit dem Unternehmen Ruhrfibre eine Kooperation eingegangen. Ähnlich wie schon in Essen, soll Ruhrfibre alle rund 70.000 Mülheimer Haushalte ohne Glasfaser mit „Fibre-to-the-Home“ (FTTH)-Anschlüssen – also echter Glasfaser hausintern bis zum letzten Meter in die Wohnung – versorgen. Der Startschuss fällt 2024. Für den Bürger jedoch könnte das Glasfasergeschäft langsam unübersichtlich werden.
Denn der letzte Startschuss ist noch gar nicht lange verhallt: Vor knapp einem Jahr hatten OB Marc Buchholz und Telekom eine umfangreiche Kooperation angekündigt, die nicht nur 12.000 Anschlüsse in der Mülheimer Innenstadt bauen, sondern danach weitere Stadtteile erschließen sollte. „Wir haben verstanden, dass wir als Stadt nacharbeiten müssen“, wollte Buchholz mit der Zusammenarbeit dafür sorgen, dass Mülheim beim Thema smarte Stadt nicht länger auf den hinteren Rängen dümpelt.
Jede Menge Anbieter tummeln sich auf dem Markt
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Wie Telekom-Sprecher Maik Exner bestätigt, ist das Unternehmen weiter damit beschäftigt. Ein Drittel der 12.000 Anschlüsse habe man geschafft, bis Mitte 2024 soll der Rest erfolgen. Den weiteren Ausbau aber bewerte man erst 2024 anhand von Genehmigungsverfahren, vorhandenen Ressourcen beim Tiefbau und nicht zuletzt: der Nachfrage.
Auch Medl ist inzwischen ins Glasfasergeschäft eingestiegen, angetrieben vom öffentlich geförderten Glasfaserausbau durch Wald und Wiese bis in entlegene Mülheimer Ecken, kooperiert der Mülheimer Energiedienstleister nun exklusiv mit dem Wohnungsbauunternehmen SWB. Und hat auch weitere Ausbaupläne unmittelbar in Saarn und Broich im Sinn. Und nicht zuletzt mischt auch Eon im Mülheimer Glasfasergeschäft mit.
Nach schleppenden Ausbau droht Mülheims Straßen ein Verlegewahn
„Jetzt kommt Tempo in den Glasfaserausbau“, begrüßt OB Buchholz die neuste Kooperation mit Ruhrfibre. Nach langem Stillstand stellt sich für Mülheimer Hauseigentümer inzwischen aber die Frage, mit welchem Anbieter er einen Anschluss vereinbaren soll. Und schon vor der eigenen Haustür könnte der Ärger losgehen, denn kartellrechtlich kann Mülheim es nicht verhindern, wenn sämtliche Unternehmen ihre eigenen Kabel parallel in der Straße verlegen wollten.
Es gibt also aus städtischer Sicht reichlich Koordinierungsbedarf, um ein mehrfaches Aufreißen der Straßen zu vermeiden. Mit dem Unternehmen Ruhrfibre soll aber genau das möglichst verhindert werden. „Wir schauen auf den Ausbau durch die Brille des Bürgers“, verspricht Rechtsdezernentin Anja Franke. Ruhrfibre, die etwa in Essen mit Vodafone kooperieren, sollen und wollen sich mit den unterschiedlichen Unternehmen absprechen.
Ruhrfibre wirbt mit kostenlosem Anschluss – aber springen Tarifanbieter auf?
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„Wir haben uns bewusst entschieden, keine eigenen Produkte oder Tarife für Endkunden anzubieten“, erklärt Ruhrfibre-Geschäftsführer Christopher Rautenberg das Konzept für Mülheim. „Wir bauen nur die Datenautobahn und verlegen Leitungen bis in die eigenen vier Wände unserer Kunden. Telekommunikationsanbieter, Internet Service Provider können unser Netz mieten und ihren Kunden darüber Glasfasertarife anbieten.“
Für den Kunden von Ruhrfibre liegt der Vorteil darin, zunächst einmal keine Kosten aufbringen zu müssen für den Anschluss zum eigenen Haus – meist den Keller – und bis in die eigene Wohnung. Der Eigentümer soll sich danach frei unter Telekommunikationsanbietern entscheiden können. Ruhrfibre vergleicht dies auch mit der freien Wahl unter Stromanbietern.
Der mögliche Haken: Anbieter wie etwa die Telekom, Vodafone oder andere müssten das Netz der Ruhrfibre erst einmal anmieten, damit Bürgern ihre Tarife nutzen können. Andernfalls stehen diese nicht zur Verfügung. Telekom-Sprecher Exner merkt für sein Unternehmen dafür zumindest drei Bedingungen für solche Anmieten an. Zunächst müsse das Netz technologisch passen, man müsse zudem wirtschaftlich und auch bei den AGB übereinkommen. „Die Telekom bietet einen bestimmten Service zum Beispiel am Wochenende an. Das muss ein Netzanbieter leisten können.“
Verhandlungsgeschick ist gefragt
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Dass es also weiterhin einen harten Wettbewerb geben wird um die voraussichtlich gewinnbringendsten Quartiere, kann nicht ausgeschlossen werden. Bei Ruhrfibre und Stadt ist folglich Verhandlungsgeschick gefragt, wenn man alle konkurrierenden Anbieter ins Boot holen und für Bürger eine wirklich freie Tarifwahl erreichen will.
Und es wird reichlich Investitionen kosten, gerade solche Gebiete anzuschließen, die andere Anbieter aus wirtschaftlichen Aspekten bisher nicht ins Auge gefasst haben. Ruhrfibre soll nach Auskunft der Stadt jedoch über die benötigte Kapitalkraft verfügen. Schon 2024 sollen die Bauarbeiten losgehen. Mehr Infos dazu gibt es unter unter www.ruhrfibre-muelheim.de.
Qual der Wahl bleibt für Mülheimer Hauseigentümer
Und die Hauseigentümer? Für sie bleibt weiterhin die Abwägung zwischen einem kostenlosen Anschluss ohne Tarifbindung, aber mit der Frage nach dem anschließenden Tarifanbietern einerseits, oder einem kostenpflichtigen Anschluss womöglich über eine Bindung zumindest für einen Zeitraum andererseits.
Die Verbraucherzentrale Mülheim warnt vor „unlauteren Vertriebsmethoden“ und rät dazu, Verträge genau zu prüfen und nicht unter Zeitdruck an der Tür abzuschließen. „Oft wird suggeriert, dass ein Angebot nur jetzt gilt. Man sollte aber nicht einfach glauben, was der Vertreter erzählt, sondern das Angebot in Ruhe lesen, Angebote vergleicht und sich dann entscheiden“, sagt Christiane Lersch, Leiterin der Mülheimer Beratungsstelle. Denn nicht selten werde statt Glasfaser auch nur ein einfacher und langsamer DSL-Vertrag untergejubelt. Wichtig sei daher, dass konkret ein FTTH-Anschluss, also Glasfaser bis in die Wohnung, angeboten werde.
Auch bei sogenannten Voranfragen oder gar Vorverträgen solle man vorsichtig sein, „denn oft sammeln Anbieter nur, ob sich ein Ausbau lohnt. Unter Umständen hängt man dann aber am Fliegenfänger und wartet auf die Entscheidung des Anbieters“. Nicht zuletzt gilt es auch den anschließenden Tarifvertrag für Internet, Telefon und TV zu prüfen, denn nicht selten würden viel zu hohe Geschwindigkeiten und damit zu teure Verträge angeboten. „Man sollte sich fragen, ob das für den eigenen Haushalt passt. Besser ist es, erst einmal klein anzufangen“, rät Lersch.
Und hat man sich an der Haustür doch einmal zur Unterschrift überrumpeln lassen: Auch hier gilt die vierzehntägige Widerrufsmöglichkeit.
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