Mülheim. Was Mülheim mit Las Vegas und Tschernobyl gemein hat, zeigt sich am Flughafen Essen-Mülheim. Eine Firma hat auch dort Extravagantes geschaffen.
Gleich kommt ein Team von Galileo TV, um sich von Christoph Schmidt und Yannick de Beauregard an einem Referenzprojekt in Deutschland zeigen zu lassen, warum die Firma Kalzip mit ihrem speziellen Knowhow weltweit immer wieder bei extravaganten Bauprojekten mit von der Partie ist. Theo lugt schon um die Ecke. . .
Vertriebsdirektor Schmidt und Marketing-Chef de Beauregard stehen dieser Tage gut gelaunt an den riesigen Flügeltoren der neuen Luftschiffhalle am Flughafen und blicken auf das Gesamtkunstwerk des neuen Hangars. Die beiden Vertreter des Koblenzer Spezialunternehmens für Dächer, Fassaden und Gebäudehüllen aus Aluminium und Metall stellen zufrieden fest, dass die Montagefirma die letzten Schönheitskorrekturen an der Hülle in der Vorwoche abgeschlossen hat. Der Auftrag in Mülheim ist erledigt. Er liegt für Schmidt nicht ohne Grund irgendwo zwischen Las Vegas und Tschernobyl.
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Das Sphere in Las Vegas: Die größte Konzertkugel der Welt mit deutscher Beteiligung
Mit Stolz blicken Schmidt und de Beauregard nach Las Vegas, wo ihre Firma Kalzip erst vor Kurzem mit ihrem Spezialsystem für wartungsfreie Gebäudehüllen Teil eines Weltrekordes geworden ist. Am 29. September wurde in der US-Glitzerstadt mit einem Konzert von U2 die Eröffnung der wohl spektakulärsten Konzert-Kugel der Welt zelebriert. Bis Dezember werden Bono und Co. an 25 Abenden dreimal die Woche dort gespielt haben. Mit 157 Metern Durchmesser und 81.300 Quadratmetern Hülle ist das Sphere jetzt das größte kugelförmige Gebäude der Welt. 57,6 Millionen LED bilden darüber hinaus die weltweit größte Bildwand.
Atemraubende Animationen waren darauf schon bei der Eröffnung zu sehen. Dass die Kugel in Las Vegas so eine Strahlkraft entfachen kann, ist auch den Kalzip-Experten zu verdanken. Sie haben die darunterliegende Hülle geschaffen. Aus Aluminium, das nicht korrodiere, sehr leicht sei und sich durch seine Flexibilität jedweder Form anschmiegen könne, die sich ein Architekt nur ausdenken könne, so de Beauregard. Und derart farbbeschichtet, dass Reflektionen mit den Millionen LED ausgeschlossen sind, das Lichtspiel nicht durch Spiegelungen oder Indifferenzen gestört wird, es nicht verschwimmt. Beim Bau des Sphere mit der Firma beteiligt gewesen zu sein, mache ihn „unheimlich stolz“, sagt de Beauregard.
Flughäfen, Stadien, Mülheims Luftschiffhalle: Was die Firma Kalzip weltweit unternimmt
Die Kalzip-Systeme, mit denen sich die Firma aus Rheinland-Pfalz „als führender Anbieter“ seines Metiers sieht, sind weltweit gefragt. Mehr als 110 Millionen Quadratmeter Kalzip-Profiltafeln aus Aluminium sind verbaut. Aktuell abgeschlossen ist eine Baustelle zur Sanierung des Bernabéu-Stadions in Madrid. Alleine 350.000 Quadratmeter Dachfläche, so groß wie 49 Fußballfelder, waren beim größten Projekt der Firmengeschichte zu montieren: am King Abdulaziz International Airport in Dschidda (Saudi-Arabien). Gerade, konische und gerundete Profile waren bei der Dachkonstruktion gefragt. Kalzip punktet dabei mit seinem Versprechen, wartungsfreie Systeme zu liefern, absolut wasserdicht und langlebig. Optisch faszinierend sind solche Großprojekte obendrein.
Jetzt stehen Schmidt und de Beauregard in Mülheim-Raadt auf der Baustelle der Westdeutschen Luftschiffgesellschaft (WDL) vor dem großen Hangar, der weithin sichtbar als Landmarke mit mattsilbriger Hülle daherkommt, für die ebenfalls Kalzip als Hersteller verzeichnet ist. „Die Kuppel ist wie in Las Vegas in klein, der Mittelteil als Tonnendach so wie Tschernobyl in klein“, sagt Schmidt. Weit gereist ist der Vertriebsdirektor von Kalzip. Viele seiner Reisen führten ihn in die Ukraine, zum Megaprojekt seines Berufslebens. Das brachte ihm die Herausforderung, den Auftraggeber davon zu überzeugen, dass die Kalzip-Dachsysteme auch dafür taugen, den Sarkophag über dem 1986 havarierten Kernkraftwerk für mindestens 100 Jahre sicher abzudichten.
„Wenn du in Prypjat bist, fühlt sich das an wie ein KZ-Besuch“
Stundenlang könnte Schmidt über seinen zweieinhalb Jahre dauernden, familiär extrem belastenden Tschernobyl-Einsatz reden, den er überwiegend aus einem Büro in Kiew steuerte. Der bürokratische Aufwand sei enorm gewesen, auch die zu leistende Überzeugungsarbeit, dass die Firma aus Deutschland die passende Dachabdeckung (in diesem speziellen Fall nicht aus Aluminium, sondern aus Edelstahl) beisteuern könnte.
Welche Wetterphänomene könnten in den nächsten 100 Jahren die Sicherheit des Sarkophags gefährden? Schmidt erzählt, dass Tests durchzuführen waren unter Bedingungen einer Tornado-Klasse 3. Auch habe Kalzip sich 2011 einem Test unterziehen müssen, bei dem 20 Kilo schwere Eisbrocken aus fünf Metern Höhe knallhart auf ein Modelldach geprallt seien. Alles sollte tausendprozentig sicher sein, denn klar war: Keiner würde das Dach später noch reparieren können, sollten Undichtigkeiten auftreten.
„Du hast Jahre deines Lebens damit verbracht, jetzt musst du es auch sehen“, habe der ukrainische Auftraggeber am Ende gesagt. Manche Exkursionsteilnehmer hätten sich gar in Sandalen auf den Weg gemacht, auch habe es keine Schutzkleidung gegeben, erinnert sich Schmidt an die Tour auf abgesteckten, gereinigten Pfaden am Atomkraftwerk vorbei, durch Tschernobyl oder die Geisterstadt Prypjat, deren Bilder etwa mit verlassenem Vergnügungspark und anderem erschaudern lassen, weil Leben komplett ausgelöscht in an diesem Ort. Auch Schmidt hat das tief beeindruckt. „Wenn du in Prypjat bist, fühlt sich das an wie ein KZ-Besuch. Unsere Gruppe saß auf ihrer Rückfahrt stillschweigend im Bus. Jeder dachte nur daran, wann er endlich seine Schuhe wegschmeißen kann. In meinem Hotelzimmer stand ich dann Ewigkeiten unter der Dusche. . .“
Bau der Luftschiffhalle am Flughafen Essen-Mülheim als „Kür“
„Wir haben alles auf eine Karte gesetzt, um das Großprojekt in Tschernobyl zu bekommen. Es ist mein Lebensprojekt. Heute kann mich nichts mehr schocken. Alles, was danach noch kommt, ist für mich eigentlich nur noch die Kür“, sagt Schmidt und blickt eben auf jenes Mülheimer Vorzeigeprojekt der Firma: die neue Luftschiffhalle. „Das hier ist die Kür“, sagt Schmidt und lacht. Der Mülheimer Auftrag sei aber „für Deutschland schon ein fettes Projekt“. 6500 Quadratmeter Alu-Bahnen sind als Hülle des Hangars verlegt, 2141 laufende Meter Alurohr darunter für die schraubenfreie Montage verbaut.
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Eine spezielle Herausforderung im Mülheimer Projekt sei gewesen, die Alubahnen so auf den kantigen Holzbau zu montieren, dass am Ende eine sprichwörtlich runde Sache daraus wurde. Dafür habe die Technik-Abteilung des Hauses extra ein 3D-Modell des Hangars erstellt, so de Beauregard. „Wenn die Sonne über das Dach drüberstreicht, sieht man: Es ist gut geworden“, ist Schmidt zufrieden.
Für das Mülheimer Projekt gab es gleich auch zwei Kalzip-Awards, einen für das Erscheinungsbild der neuen Halle, einen zum Thema Nachhaltigkeit: Nicht nur Kalzip setzt bei seinen Produkten auf bis zu 96 Prozent recyceltes Aluminium, die WDL als Bauherrin hatte insgesamt das Ziel ausgegeben, mit ihrem Bauprojekt den Gold-Standard der „Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“ zu erreichen. Etwa mit dem Baustoff Holz, aber auch mit recycelten Betonplatten und anderem. Das sei „außergewöhnlich, ein solch monolithisches Gebäude in Deutschland aufs platte Land zu stellen“, so Schmidt.