Mülheim. Aus Personalnot heraus warb das Mülheimer Restaurant Franky’s in Indonesien um Azubis. In Deutschland gab es den einen oder anderen Kulturschock.
Als Tobias Volkmann und Richard Reichenbach Anfang September am Frankfurter Flughafen im Terminal stehen, trifft eine SMS ein: „Wir warten noch. Entschuldigung, Herr Tobias.“ Die Absender: Desak und Tirta. „Das mit dem Herr Tobias habe ich ihnen dann ganz schnell abgewöhnt“, erzählt Tobias Volkmann, während er auf einem grau gepolsterten Stuhl im Mintarder Franky’s sitzt, das er betreibt. Um ihn herum wuseln schwarz gekleidete, emsige Servicekräfte durchs Lokal, darunter fünf Azubis zur Restaurantfachfrau beziehungsweise -mann, zwei davon mit einer ganz besonderen Geschichte.
- Lesen Sie auch: Azubi und alleinerziehend: Warum Selua (25) diesen Weg geht
Die beiden 20-jährigen Desak Komang Rini und Tirta Arya Singgih haben einen mutigen Schritt gewagt: Für eine Ausbildung in Deutschland haben sie ihre indonesische Heimat verlassen und alles das aufgegeben, was bislang Zuhause für sie war. Ein echtes Abenteuer, aber auch ein Wagnis. „Noch ist das alles aufregend, mir bangt’s schon vor dem ersten großen Heimweh“, sagt „Herr Tobias“. Als sich Desak und Tirta ebenfalls auf den grauen Stühlen niederlassen, lächeln sie breit.
Mülheimer Gastronom arbeitete selbst zwei Jahre in Indonesien
„Es macht Spaß hier“, sagt Desak, die bereits in der Schule Deutsch gelernt hat und nach ihrem Abschluss mit einem Kurs weiter machte. Dort lernte sie auch ihren Kollegen Tirta kennen, beide jobbten bei einer großen Gastronomie, die von einem deutschen Auswanderer geführt wird. „Ein alter Bekannter“, sagt Tobias Volkmann. Ende der 90er sammelte der heute 52-Jährige zwei Jahre Berufserfahrung in Jakarta, arbeitete an der Expansion einer Restaurantkette mit. „Eigentlich stand ich gefühlt nur im Stau“, scherzt der Gastronom über die Zeit in der indonesischen Hauptstadt. „Hier läuft es ja ein wenig anders“, sagt Volkmann, während er mit der Hand aus dem Fenster deutet, wo eine sattgrüne Wiese zur Ruhr hinunterführt.
„Ja, schon anders“, bestätigt auch Tirta, der mit seiner Kollegin derzeit noch im Hotel des Franky’s lebt – schon bald aber soll es in eigene kleine WG gehen. „Die Wohnung ist schön, viel Platz“, sagt Desak. „Als wir die Wohnung besichtigt haben, hat sie gefragt, was das ist“, erzählt der Chef mit einem Grinsen. Das: eine Heizung. „Kennen die beiden natürlich nicht. Manche Sachen sind ungewöhnlich hier, schon ein Kulturschock.“ Aber nichts, woran die beiden jungen Indonesier nicht bereit sind, sich zu gewöhnen. Ob sie sich langfristig ein Leben in Deutschland vorstellen können? „Wieso nicht“, antwortet Tirta. „Aber erstmal müssen wir noch viel lernen.“
Einmal die Woche geht es in die Berufsschule nach Essen-Steele, vier Tage ins Restaurant, übers Wochenende ist frei. „Das sind gute Kondition“, sagt Tobias Volkmann. „Früher war das ganz anders.“ Auch er selbst hat Restaurantfachmann gelernt, hat heute aber massive Probleme an Personal zu kommen. „Das will kein Mensch mehr machen.“ Bewerbungen kämen kaum rein, „und die, die wir kriegen, kann man echt vergessen“. Dass in diesem Jahr mit Desak und Tirta gleich fünf Azubis gestartet sind, sei eine große Ausnahme, aber auch schön. „Wir bilden sehr gerne aus.“
Mülheimer Gastronom hat Probleme, gutes Personal zu finden
Die Idee, Azubis aus Indonesien zu holen, kam Volkmann über seine alte berufliche Verbindung ins Land. Bei seinem damaligen Arbeitgeber angefragt, hörte sich dieser um und sendete ihm fünf Videos von jungen Bewerbern, die sich auf Deutsch vorstellten. „Ich habe mich dann für Desak und Tirta entschieden, die sind echt Zucker.“ Zurzeit haben die beiden noch ein befristetes Visum, „da müssen wir uns bald beim Ausländeramt in die Schlange stellen und das verlängern.“
Viel Bürokratie, eigentlich nicht selbstverständlich, dass ein Chef sich persönlich dermaßen seiner Mitarbeiter annimmt. „Für mich ist das eine Herzensangelegenheit“, sagt Volkmann. „Ich gehe voll darin auf und wir können nur von dem Einfluss der beiden profitieren.“ Auch wenn die beiden noch ganz am Anfang ihrer Ausbildung stehen – heute steht ein Seminar zu verschiedenen Weinsorten an – sieht der Gastronom großes Potenzial: „Sie sind fleißig, bodenständig und extrem freundlich – vielleicht sogar ein bisschen zu sehr, fast schon unterwürfig.“ Mit der Zeit aber werde sich das schon geben, da ist er sich sicher.