Mülheim. Hunderte Bäume in Mülheim sind zur Fällung markiert – das besorgt die Nachbarschaft. Wie viele Bäume fallen wirklich? Die Stadt liefert Antwort.

Der Dennebusch hat vielleicht keine großen Freizeitattraktionen zu bieten, dient aber vielen als Naherholungsgebiet, das diesen Namen verdient. Saarnerinnen und Saarner drehen zwischen hochgewachsenen alten Bäumen ihre Joggingrunden oder führen ihre Hunde aus. Kinder, die rundherum wohnen, ziehen sich in den Wald zum Spielen zurück. Alle atmen durch unter dem grünen Blätterdach, doch die zahlreichen hellgrünen Markierungen an den Stämmen bereiten vielen Menschen seit Monaten Unwohlsein und Sorgen.

Im Frühjahr wurden ausgewählte Bäume gekennzeichnet, nicht nur im Dennebusch, auch im Witthausbusch. Und es sickerte durch, dass ein X oder ein \ wohl bedeute, dass dieser Baum fallen soll. Wenn ein Punkt aufgebracht ist, werde nur Totholz entfernt, erfuhren Spaziergänger von Mitarbeitern vor Ort.

Elfjähriger hat markierte Bäume im Mülheimer Dennebusch gezählt

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Vor etwa zwei Wochen ist ein Junge aus der Nachbarschaft, Findus Freitag, selber durch den Dennebusch gelaufen, stundenlang, wie er erzählt, ausgestattet mit Schreibblock und Stift. Der Elfjährige zählte die Markierungen und erstellte eine eigene Liste. Findus fand: „81 Bäume mit X, 29 mit einem Strich, 250 mit einem Punkt.“ Was ihn besonders beunruhigt: Ein X tragen auch die beiden riesigen „Tipi-Bäume“, an deren Stämmen schräg alte Äste lehnen.

„Ein seit Jahren wachsendes Ding“, sagt seine Mutter, Andrea Freitag. „Viele Kinder aus der Umgebung besuchen die Tipi-Bäume immer wieder, um neue Äste zu bringen.“ Auch Findus ist häufig im Dennebusch unterwegs, streift herum, sammelt Zweige, fürchtet nun um die gekennzeichneten Bäume. Werden wirklich alle umgeschlagen? Andrea Freitag sagt: „Wenn die so viele wegmachen, weiß ich nicht, was noch übrig- bleibt von dem Wäldchen. Es kann doch nicht sein, dass plötzlich über 100 Bäume nicht mehr standsicher sind.“

Saarner kritisiert: „Stadt hat wohl lange ihre Hausaufgaben nicht gemacht“

Ähnlich sieht es der Saarner Birger Bender, der nach eigenen Worten tagtäglich mit seinem Hund im Dennebusch unterwegs ist, schon als Kind hier gespielt hat. In früheren Jahren seien gelegentlich einzelne Bäume gefällt worden, sagt er. Dass jetzt mehr als Hundert verschwinden sollen, nennt er „ein schockierendes Ergebnis. Wenn es auf einmal so viele Bäume betrifft, hat die Stadt Mülheim wohl lange ihre Hausaufgaben nicht gemacht.“

Was aus den markierten Bäumen im Dennebusch - aber auch anderswo - wird, erklärte nun auf Anfrage Ulrike Bresa, die jüngst von der kommissarischen zur offiziellen Leiterin des städtischen Umweltamtes befördert wurde. Hintergrund der ganzen Aktion war, dass der unter akutem Personalmangel leidende städtische Forstbetrieb die Baumschau zur Verkehrssicherungspflicht in Mülheimer Wäldern teilweise an den Betrieb RVR Grün vergeben hatte. Der hatte sich gleich ans Werk gemacht und im Witthausbusch, im Dennebusch und in Mintard insgesamt Hunderte von Bäumen markiert, die seiner Ansicht nach mindestens Pflegemaßnahmen benötigen - oder gar gefällt werden sollten.

Mülheimer Umweltamt und Partner RVR Grün haben sich zusammengerauft

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Es folgte ein Hin und Her: Das Umweltamt stellte die Baumschau-Ergebnisse noch einmal auf den Prüfstand und wollte mit der beauftragten Firma Baum für Baum durchgehen, ob tatsächlich gefällt werden muss. Bresa hatte seinerzeit erklärt, dass man mit RVR Grün noch gemeinsame Standards finden müsse.

Die sind nun offenbar ausgemacht. Die Amtsleiterin spricht von einem „gewissen Reibungsverlust“ zu Beginn der Zusammenarbeit, jetzt hätten sich Umweltamt und RVR Grün „zusammengerauft – es passt jetzt gut“, so Bresa. Das Unternehmen des Regionalverbandes werde zur Unterstützung des städtischen Forstbetriebs weiter durch Mülheimer Wälder streifen und begutachten, ob Bäume an Wegesrändern standsicher sind. Das Vertrauen sei so weit gewachsen, dass die Stadt peu à peu auf Nachkontrollen verzichten werde.

Im Dennebusch 96 Fällungen nötig, doch: „Wir holzen nicht den Wald ab“

Zurück in den Dennebusch: Laut Ulrike Bresa haben die Nachprüfungen dort ergeben, dass tatsächlich 96 Bäume gefällt werden müssten. Die Verkehrssicherheit an den Wegen sei sonst nicht zu gewährleisten. An zahlreichen anderen Bäumen müsse Totholz entfernt werden. 96 Fällungen - das klinge nach viel, so Bresa, betroffen seien aber nicht immer „Urwaldriesen“: Es seien auch kleine oder krumme Bäume darunter, morsche oder von Pilzen befallene.

„Wir holzen da nicht den Wald ab“, versichert die Amtsleiterin. Sie glaubt, dass das Erscheinungsbild des Dennebuschs nicht nachhaltig beeinträchtigt werde. Oft sei es so, dass unter kranken Bäumen schon neues Leben darauf warte, sich den Lichtraum zu erobern - „ein natürlicher Prozess“. Fernab der Wege werde ohnehin keine Säge kreisen – getreu dem Credo der städtischen Forstbewirtschaftung, hier den Wald und dessen Verjüngung sich selbst zu überlassen.

Im Dennebusch in Mülheim-Saarn werden insgesamt 96 Bäume gefällt, darunter diese mächtige Eberesche, die direkt am Bühlsbach steht. Die Leiterin des städtischen Umweltamtes verspricht aber: „Wir holzen nicht den Wald ab“.
Im Dennebusch in Mülheim-Saarn werden insgesamt 96 Bäume gefällt, darunter diese mächtige Eberesche, die direkt am Bühlsbach steht. Die Leiterin des städtischen Umweltamtes verspricht aber: „Wir holzen nicht den Wald ab“. © Funke Foto Services | Christoph Wojtyczka

Wann es zu den Fällungen und Pflegearbeiten kommt, ist noch unklar. Der RVR mache dafür eine Ausschreibung, „wir prüfen dann, welche Firmen bei uns tätig werden dürfen“, kündigt Bresa an. Das Umweltamt werde ein Auge darauf haben, mit welchen Gerätschaften die Firmen zu Werke gehen wollen. So werde man auch darauf achten, dass ausschließlich umweltfreundliche, biologisch abbaubare Betriebsstoffe zum Einsatz kommen.

Rund um die große Wiese im Witthausbusch wurden schon Bäume gefällt

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Auch für den Witthausbusch steht mittlerweile das Prüfergebnis fest. Rund um die große Wiese sind laut Ulrike Bresa bereits im Sommer Bäume gefällt worden, weil sie akut umsturzgefährdet erschienen - zur Sicherheit der vielen Parkbesucher. Bei 53 Bäumen sei auch bereits Totholz entfernt worden. Noch mal 80 Bäume müssten im Holthausener Naherholungsgebiet fallen. 368 weitere Bäume bedürften einer Pflege.

Im Untersuchungsgebiet in Mintard stelle sich die Lage anders da, so die Leiterin des Umweltamtes. Da das Waldgebiet zwischen Kahlenbergsweg, Am Stoot und Am Biestenkamp für Spaziergänger und andere nicht zugänglich sei, müsse nur sichergestellt werden, dass keine Bäume und dicken Äste auf Nachbargrundstücke fallen. So seien etwa drei morsche Buchen gefällt worden, am Kahlenbergsweg seien zehn weitere abgängige Bäume entdeckt worden. Zudem erachte man 15 Pflegemaßnahmen für notwendig.

Stadt fällt absterbende Bäume in Speldorf

Seit Montag, 25. September, fällt die Mülheimer Forstverwaltung Bäume im Bereich Rottweg, Tannenstraße in Speldorf. Es könne dadurch zu Verkehrsbehinderungen kommen, teilt die Stadt aktuell mit.

Gefällt werden absterbende Bäume, vornehmlich Buchen. Sie würden vor Ort begutachtet und sofort gefällt, heißt es weiter.

„Eine Markierung wird vorab nicht vorgenommen, da die Schäden deutlich sichtbar sind, z.B. fehlendes oder welkes Laub sowie abblätternde Rinde. Bäume entlang der Straße werden kurzfristig wegen Gefahr im Verzug beseitigt“, so die Stadt.


Stadt Mülheim hat nur eine Försterin - Auslagerung möglich

Sämtliche Wege in 1012 Hektar Wald muss Mülheims Forstbetrieb im Auge behalten, „ich habe aber nur eine Försterin“, sagt Bresa. Länger schon in den Raum geworfen ist daher auch die Frage, ob die Stadt ihre Forstwirtschaft komplett in andere Hände gibt. RVR Grün ist interessiert und hat laut Amtsleiterin zwischenzeitlich „ein bewertbares Angebot vorgelegt“. Dieses werde man nun „auf Herz und Nieren prüfen“. Ziel sei es, Angebot und Bewertung am 21. November im Umweltausschuss zu präsentieren. Die Politik hat zu entscheiden, ob der Forstbetrieb schließlich ausgelagert wird.

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