Mülheim. Mülheim will bald klimaneutral werden. Doch die Schwankungen bei Wind- und Sonnenstrom belasten das Netz. Auch Balkonkraftwerke machen Probleme.
Auch Mülheim brütet über die Frage, wo die Stadt denn die Wärme und den notwendigen Strom für die Energiewende bloß hernehmen soll. Gut 2000 Gigawattstunden Wärme im Jahr sollen allein Luftwärmepumpen erzeugen, hinzu kommen rund 2000 öffentliche Ladestationen für E-Fahrzeuge und unzählige private Wallboxen. Wenn das klimafreundlich gelingen soll, braucht die Ruhrstadt viel Strom aus PV-, Balkon- und Windkraftanlagen. Damit aber stellt sich eine Frage: Hält das Stromnetz in der Stadt eigentlich die Belastung aus kurzfristigem Einspeisen und Abruf aus? Antworten gab es jetzt im Umweltausschuss.
Dabei ist der Hilferuf der deutschen Netzbetreiber an die Bundesnetzagentur schon ein paar Monate alt. Die Stromnetze müssen vor allem radikal umgebaut werden, wenn Haushalte bis 2030 mit gut 80 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgt werden sollen. Man werde – so die Betreiber – etwa durch den schnellen Zuwachs neuer Verbraucher vor große Herausforderungen gestellt.
Niederspannungsnetze laufen auf Basis des alten Systems von Kraftwerken
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Denn die Niederspannungsnetze funktionieren noch auf Basis des alten Systems von Kraftwerken, die man nach Bedarf hoch- und runterfahren kann, und seien in der Regel nicht auf Lastenspitzen ausgelegt. Das Netz wurde in der Vergangenheit auf dezentrale Erzeugung aufgebaut, erklärt Westnetz. Inzwischen werde Energie mehr zentral erzeugt und genutzt, dafür brauche man steuerbare DigiONS. Wenn also viele Verbraucher über Ladestationen, Wärmepumpen und anderes gleichzeitig Strom ziehen wollen, wird das Netz belastet. Und nicht zuletzt auch dann, wenn die Sonne reichlich scheint oder starker Wind weht.
Aber wie gut verkraftet das Mülheimer Netz die Energiewende? Im Umwelt- und Energieausschuss bestätigte Gerd Mittich, Westenergie-Regionenleiter für Rhein-Ruhr, die künftigen Anforderungen an den Dienstleister für die Region Mülheim und Essen: „Wir erwarten bis 2030 einen spürbaren Lastanstieg aufgrund von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen.“
Ein Teil des Problems: unangemeldete Balkonkraftwerke
Problem: Die Westnetz hat offenbar noch wenig Klarheit darüber, was an Energie wann geleistet werden muss. Denn zum einen werden Ladeeinrichtungen, Wärmepumpen und weitaus häufiger Balkonkraftwerke angeschlossen, ohne sie anzumelden. Und zum anderen sind intelligente Energiemesser – sogenannte Smart Meter - noch nicht flächendeckend in den Haushalten eingebaut. „Die Herausforderung ist nicht die Energie, sondern die Leistung“, fasste Mittich zusammen.
Denn im Mülheimer Stromnetz verzeichnet Westnetz bereits einen „signifikanten Anstieg der Leistung“. Zehn Umspannanlagen gibt es unter anderem in Mülheim-Dümpten, Oppspring, Speldorf und Selbeck, sowie damit verbunden rund 800 Ortsnetztransformatoren (ONT). Sie sind der Knotenpunkt zwischen Mittel- und Niederspannungsnetz. Handlungsbedarf gebe es zwar nur im Starklastfall, der bei etwa sieben Prozent der Verteiler auftrete.
Verteilstationen müssen intelligent auf Bedarfe reagieren
Doch eben jene alten ONT sind selten regelbar gebaut worden und können dann nicht auf künftig stark wechselnde Lasten reagieren. Westnetz muss daher in intelligente Ortsnetzstationen (DigiONs) investieren, die auf Strom und Bedarfe bei der in den Haushalten benötigten Niederspannung in Echtzeit reagieren können. 160 solcher DigiONs will Westnetz in zwei Jahren bauen, jede fünfte Station werde aufgrund von Bedarfsanalysen getauscht, nannte Mittich die Oberheid- und Kaiserstraße als Beispiel. Allerdings: Es gebe Materialengpässe.
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Einen zweistelligen Millionenbetrag setzt das Unternehmen dafür ein. Doch reicht dieses Tempo aus? Westnetz sei mit der Stadt im regelmäßigen Austausch, betonte Mittich. Die anstehende Wärmeplanung in Mülheim werde weitere Hinweise liefern, in welchen Stadtteilen ein präziserer Blick auf das Stromnetz notwendig werde. Doch auf eines legte sich Mittich schon einmal fest: „Eine flächendeckende Problematik mit Wärmepumpen ist nicht abzusehen.“