Mülheim. Roberto Ciulli, Gründer des Theaters an der Ruhr, bringt ein Stück über den Provokateur Antonin Artaud auf die Bühne. Eindrücke bei der Probe.
Der französische Schauspieler und Schriftsteller Antonin Artaud war eine hochinteressante Persönlichkeit: als äußerst sensibler Mensch, als Kritiker der westlichen Welt sowie des Christentums und als Theoretiker, der unermüdlich schrieb – über die gesellschaftliche, politische, soziale, ästhetische Funktion des Theaters. „Seine Texte gelten in Theaterkreisen als Bibel“, erklärt Roberto Ciulli, Gründer des Theaters an der Ruhr. Er nähert sich in seiner Produktion dem ruhelosen Geist und besessenen Kämpfer an. Uraufgeführt wird „Ich, Antonin Artaud - le Mômo“ am Donnerstag, 31. August, ab 19.30 Uhr am Raffelberg.
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Bis zur Premiere dauert es nicht mehr lange, die erste Durchlaufprobe läuft. Auf der Bühne (Bühnenbild/Kostüme: Elisabeth Strauß) ist ein Arztzimmer angedeutet, im Hintergrund ein hoher Berg aus alten Tonbändern, der an lateinamerikanische Gebirge und an Vergangenes erinnert. Das Stück beginnt auch nicht mit einem Text von Artaud, sondern mit der Schilderung eines Dominikaner-Paters aus dem 16. Jahrhundert. Dieser berichtet von der Kolonialisierung des amerikanischen Kontinents, vom grausamen Abschlachten der Ureinwohner. Kirchenmusik untermalt – wie makaber – das heraufbeschworene schlimme Szenario.
Mülheimer Produktion konzentriert sich auf schlimme Lebensphase von Artaud
Wie passt das zusammen? Antonin Artaud war ein scharfer Kritiker der Christen und ihrer Religion – und er glaubte daran, dass indigene Kulturen wesentlich bessere Werte hochhielten. 1936 reiste er nach Mexiko und besuchte den Stamm der Tarahumaras. „Ich will die Fundamente einer magischen Kultur suchen“, sagt er in einer der ersten Szenen des Stückes. In schamanistischen Ritualen mit der Peyotl-Droge habe er damals Zugang zu einer anderen Realität gefunden, heißt es. Er suchte das Gefühl der Einheit und Reinheit und wollte „aus einer Welt heraustreten“ so Roberto Ciulli. Denn sein Lebensumfeld in Europa quälte ihn mit seinen Regeln und Konventionen.
Artaud wiederholt es zu Beginn des Stückes immer wieder: „Ich will meinen Körper selber machen!“ Und: „Ich lasse mein Denken nicht untergehen!“ Dabei sperrt man ihn – zurück in Frankreich – jahrelang ein. Von 1937 bis 1946 ist er in mehreren psychiatrischen Anstalten interniert. Er gilt als krank, wird mit Elektroschocks behandelt. „Auf diese zentrale Zeit seines Lebens, konzentriert sich unser Stück. Es ist die Zeit, in der er gekämpft hat wie ein Löwe. Er hat sich nie als Verrückten empfunden“, weiß der Regisseur.
Theatergründer und Simone Thoma bearbeiteten das Material
Zusammen mit Simone Thoma hat Roberto Ciulli das umfangreiche Oeuvre von Antonin Artaud gelesen und sortiert – und einen dramatischen Text geschaffen. Die Schauspielerin und Regisseurin sollte zusammen mit Bernhard Glose auch den Artaud (in einer Doppelrolle) spielen, während Steffen Reuber den Psychiater verkörpert. Doch Simone Thoma ist nach kurzer schwerer Krankheit im Mai gestorben. Aufnahmen, die während der ersten Probenphase gemacht wurden, sind Teil der Inszenierung. Sie selbst habe diese Idee sehr gemocht, für das Theater ist sie tröstlich. Die Projektionen beleben die Produktion und zeigen eine großartige Künstlerin.
Weitere Termine: 2. und 3. September sowie 7. und 8. September, teils um 19 Uhr, teils um 19.30 Uhr. Infos und Karten unter: theater-an-der-ruhr.de