Mülheim. Zwei milliardenschwere Investoren buhlen jetzt bei Mülheims Politik um die große Vallourec-Fläche. Wie ihr Werben ankommt, was nun das Ziel ist.
Die zwei Kaufinteressenten für das 33,5 Hektar große Industrieareal von Vallourec – VGP (Belgien) und CTP (Niederlande) – haben ihre Feuertaufe vor Mülheims Politik offenbar ohne Verbrennungen überstanden. Die großen Ratsfraktionen zeigten sich im Anschluss gewillt, das städtische Vorkaufsrecht für die Fläche womöglich fallen zu lassen. Allerdings sind erst noch juristische Kniffe vonnöten.
Wie im Vorfeld durchgesickert war, haben Vertreter beider Entwickler den Mitgliedern von Stadtrat und Bezirksvertretung 2 aus Mülheim am Montagnachmittag bis in den Abend hinein Rede und Antwort gestanden. Mit dabei auch hochrangige Vertreter von Vallourec Deutschland. Der Rohrproduzent will die Fläche, auf der bis Jahresende die Fertigung eingestellt werden soll, mit möglichst hohem Erlös verkaufen, war aber mit einem ersten Kaufvertrag (mit dem auf Logistik spezialisierten Entwickler Logicor) am Veto beziehungsweise Vorkaufsrecht der Stadt gescheitert.
Mülheimer Wirtschaftspolitiker voll des Lobes: „Zwei sehr gute Präsentationen“
Auch interessant
Mit der Präsentation von VGP und CTP hofft Vallourec nun offenbar, potenzielle Investoren an der Hand zu haben, die eine Schnittmenge mit den städtischen Entwicklungszielen für das Industrieareal bieten. Stadt und Politik wollen die Wirtschaftsfläche kleinteiliger aufteilen und erschließen, mit Platz für kleinere Gewerbebetriebe im Westen und vor allem auch der Option, neue Industrie dort ansiedeln zu können. Im Fokus steht ein Gewinn an höherwertigen Arbeitsplätzen und sicher auch Gewerbesteuern. Großflächige Logistik schließt die breite politische Mehrheit ab. So ist es im Entwurf für einen Bebauungsplan hinterlegt.
Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der drei großen Ratsfraktionen glauben nach der Präsentation am Montag, dass mit beiden Investoren ein gutes Miteinander zum Wohle der Stadt- und insbesondere Wirtschaftsentwicklung möglich ist. „Das waren zwei sehr gute Präsentationen“, sagte etwa Henner Tilgner (CDU) als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Sowohl VGP als auch CTP hätten sehr gute Referenzen vorweisen können. Beide hätte sich zudem „sehr flexibel“ gezeigt hinsichtlich der Frage, ob sie der Stadt bei der Ansiedlung künftiger Firmen ein Mitsprache- oder gar ein Vetorecht einräumen würden.
Vallourec-Fläche: Politik sieht sich mit ihrem Veto gegen Investor Logicor bestätigt
Auch interessant
Neben Tilgner betonten auch Wirtschaftspolitiker Björn Maue (Grüne) und SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Wietelmann, dass neben den Vorgaben, die die Stadt via Bebauungsplan setzen werde, wohl noch weitere vertragliche Regelungen getroffen werden könnten beziehungsweise sollten. So solle für die Stadt Gewissheit geschaffen werden, dass wirtschaftspolitische Ziele für das Vallourec-Gelände nicht konterkariert werden.
Den nun eingeleiteten Prozess, mit dem Vallourec nach dem krachenden Veto zu Logicor auf die Interessen Mülheims eingeht, begrüßten alle drei genannten Politiker. Es sei gut, „dass wir frühzeitig die Möglichkeiten haben, die Ideen kennen zu lernen“, so Maue. Das sei nun „eine ganz andere Herangehensweise“ als zuvor in der Causa Logicor. SPD-Fraktionschefin Wietelmann sieht da gute Vorarbeit durch den Stadtrat geleistet. Nun sei „bestätigt, dass unsere Entscheidung, mit aller Entschlossenheit unsere Vorstellungen zu benennen, Wirkung gezeigt hat“. Es sei befriedigend zu sehen, dass Bewegung in die Sache gekommen sei, weil Politik breit zusammengestanden habe. „An uns kommen sie jetzt nicht vorbei“, sieht Wietelmann im städtischen Vorkaufsrecht ein scharfes Schwert für Mülheimer Interessen.
Noch keine Präferenz für einen der beiden Investoren
Auch interessant
Grünen-Politiker Maue schränkt trotz Appell für ein weiter selbstbewusstes Auftreten Mülheims gleichwohl ein, dass es immer noch die Entscheidung von Vallourec bleibe, mit welchem Investor man einen Kaufvertrag fixiere. Eine Präferenz für einen der beiden Entwickler aussprechen wollte am Dienstag niemand der Politiker von CDU, Grünen und SPD. Beide Kaufinteressenten hätten sich dahingehend geäußert, dass bei ihnen neben ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse auch hohe Priorität habe, vor Ort möglichst viele sozialversicherungspflichtige Jobs zu schaffen und auch neue Industrie auf „einer der besten Industrieflächen Westeuropas“ anzusiedeln, so Maue.
Er, Tilgner, Wietelmann und andere hoffen darauf, möglichst bis Jahresende eine Entscheidung reifen zu lassen, die es ermöglicht, zu Gunsten eines der Entwickler das städtische Vorkaufsrecht per Ratsbeschluss wieder einzukassieren. Bis zu möglichen politischen Beratungen im November seien auf städtischer Seite insbesondere Rechtsdezernentin Anja Franke sowie Planungsdezernent und Wirtschaftsförderer Felix Blasch gefordert, so Tilgner. Sie sollen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Stadt ihre wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischen Ziele juristisch dingfest an einem möglichen Kaufvertrag andockt.
Vallourec teilte am Dienstag auf Anfrage der Redaktion mit, sich weiter nicht öffentlich zum offenen Verkaufsprozess äußern zu wollen.
Das Vallourec-Aus in Mülheim – eine kleine Chronik:
- Industriebetrieb Vallourec: Droht gar das Aus?
- Vallourec will seine deutschen Werke verkaufen
- Vallourec-Betriebsräte beklagen Missmanagement
- Nur drei Kaufinteressenten für Vallourec übrig
- Mülheim und Düsseldorf: Vallourec will Werke jetzt schließen
- Geschäftsführer zu Vallourec-Aus: „Unausweichlich“
- Vallourec-Eklat: Mitarbeiter werfen Eier auf Management
- Vallourec-Spitze schließt Rettung für deutsche Werke aus
- Vallourec-Aus: Interessenausgleich ist vereinbart
- Vallourec-Beschäftigte: Abschied auf Raten und unter Tränen
- Nach Vallourec-Aus: So lief die erste Jobbörse in Mülheim
- Vallourec präsentiert Käufer für sein Firmenareal