Mülheim. Wer kaputte Gelenke hat und es langsam angehen lassen will, ist beim Geh-Fußball richtig. Das gibt es erstmals im Rahmen von „Sport im Park“.

Suchen Vereinsverantwortliche heutzutage neue Spieler für ihre Fußballmannschaften, ist die Geschwindigkeit oft ein maßgebliches Kriterium. Beim Turnerbund Speldorf ist das anders. „Udo, das war zu schnell“, heißt es da etwa. Oder: „Tim, hör auf zu hüpfen!“

Was auf den ersten Blick merkwürdig klingen mag, macht auf den zweiten aber Sinn. Denn auf der Anlage an der Langensiepenstraße wird zweimal in der Woche „Geh-Fußball“ gespielt – oder in der Fifa-Sprache „Walking Football“.

„Walking Football“ in Mülheim: Kein Rennen, kein Grätschen, kein Kopfball

Das Spiel richtet sich vor allem an Menschen mit körperlichen Beschwerden, die dem herkömmlichen Fußball nicht mehr nachgehen können. Denn Rennen und Grätschen ist untersagt. Zu jeder Zeit muss mindestens ein Fußball auf dem Boden sein. Ansonsten wechselt sofort der Ballbesitz. Da der Ball maximal auf Hüfthöhe gespielt werden darf, sind Kopfbälle tabu.

„Du müsstest eigentlich noch strenger zu uns sein, du lässt uns noch zu viel durchgehen“, schmunzelt einer der Mitspieler in Richtung von Christina Adolphy, Mitglied im Vorstand des Turnerbundes Speldorf, die während des 45-minütigen Trainingsspiels als Schiedsrichterin fungiert.

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Ein ums andere Mal wird einer der Spieler dabei erwischt, wie er doch etwas in Richtung des Balles rennt. Meistens drückt die Schiedsrichterin ein Auge zu. Schließlich soll der Spaß im Vordergrund stehen. „Einem habe ich aber tatsächlich schon mal Gewichte an die Beine gehängt“, erzählt sie.

Beim Turnerbund Speldorf, der keine Mannschaft im normalen Fußball-Spielbetrieb stellt, gibt es das Angebot seit nunmehr dreieinhalb Jahren. Entstanden ist es in Zusammenarbeit mit dem Futsalverein PCF Mülheim. „Es ist immer ein fester Kern von vier bis fünf Leuten, der Rest wechselt sich ab“, sagt Adolphy.

Frühere Fußballer setzen in Mülheim auf die gelenkschonende Variante

Zu den Geh-Fußballern gehören auch Mitglieder aus anderen Abteilungen, die sich anderweitig sportlich betätigen möchten. Zum Beispiel von den Bogenschützen. Viele haben früher Fußball gespielt und konzentrieren sich jetzt auf die gelenkschonendere Variante.

Dortmund gegen Schalke gibt es auch beim Geh-Fußball in Mülheim.
Dortmund gegen Schalke gibt es auch beim Geh-Fußball in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

So wie Bernd Werdin. Der 64-Jährige ist seit einigen Wochen dabei. In jüngeren Jahren war der gebürtige Bochumer selbst als Fußballer aktiv. „Normalen Fußball werde ich nicht mehr spielen können, die Bänder sind ausgeleiert“, berichtet er.

Geh-Fußball erstmals im Mülheimer Programm von „Sport im Park“

Außerdem hat er vor genau einem Jahr eine schwerere Operation wegen Prostata-Krebs hinter sich gebracht. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein Jahr später schon wieder über den Platz wetzen kann“, sagt Werdin. Er sieht sich nun ein Stück weit als Botschafter für Vorsorge-Untersuchungen. „Ich kann das jedem wirklich nur empfehlen.“

Aufmerksam geworden ist der 64-Jährige auf das Angebot durch das Projekt „Sport im Park“. Bei dem kostenlosen Outdoor-Sportprogramm des Mülheimer Sportbundes und des Mülheimer Sportservice ist Geh-Fußball in diesem Jahr erstmals mit dabei. Wirklich viele Neue sind darüber aber noch nicht dazu gekommen, meistens sind die Turnerbund-Mitglieder unter sich.

Alte Gewohnheiten: „Manchmal ist es schwierig, sich zu bremsen“

An diesem Freitag ist Berthold Mentzel (62) erstmals mit dabei. „Ich war daran interessiert, im Sommer ein bisschen Sport zu machen, kann mich aber nicht mehr so schnell bewegen. Deswegen fand ich es ganz interessant, diesen Geh-Fußball mal auszuprobieren“, berichtet er. Wiederholung nicht ausgeschlossen. An die neuen Regeln muss sich der 62-Jährige erst noch gewöhnen. „Manchmal ist es schwierig, sich zu bremsen, da muss man sich echt zurückhalten.“

Anstrengend ist das Spiel im Übrigen trotzdem. Nach etwa 40 Minuten der dreiviertelstündigen Einheit gehen die ersten Blicke schon zur Uhr. „Man ist hinterher trotzdem nass geschwitzt“, sagt einer der Kicker.

>> Sport im Park: Das Programm

Noch bis zum 27. August läuft das Programm von „Sport im Park“, das seit dem 4. Juni seine zehnte Auflage erlebt. Insgesamt umfasst die Aktion 33 verschiedene Angebote, in die 17 Mülheimer Vereine mit ihren Übungsleiterinnen oder Übungsleitern involviert sind.

Die Kurse finden unter freiem Himmel an 15 Standorten im Stadtgebiet statt, sind kostenlos und es ist keine Anmeldung notwendig. Die meisten Angebote finden in der Müga statt. Es werden aber auch neue Flächen wie die vor dem Gesundheitscenter des TSV Viktoria auf dem früheren Tengelmann-Gelände bespielt. Einzige Ausnahme unter allen Outdoor-Aktivitäten: Ein Kletterkurs, der immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr in der Turnhalle an der Mellinghofer Straße stattfindet.

Mittwochs ist ohnehin der vollste „Sport im Park“-Tag mit neun verschiedenen Angeboten, gefolgt vom Freitag mit sieben unterschiedlichen Disziplinen. Auch am Wochenende finden noch drei verschiedene Yoga-Kurse und einer in Qi Gong statt.

Auf der Internetseite der Stadt gibt es den Flyer mit allen Angeboten, auf der Facebookseite „Mülheim macht Sport“ auch übersichtliche Wochen- und Tagespläne. Mit Geh-Fußball, Linedance und Funditioning sind in diesem Jahr einige neue Sportarten dabei. Sie treffen auf Klassiker wie Yoga, Pilates und Nordic Walking.

Da vor allem bei den Trendsportarten erhebliche Kosten anfallen, das Angebot aber weiterhin gratis sein soll, hat der Mülheimer Sportbund ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen. Über die Plattform „betterplace.org“ können Spenden abgegeben werden.