Mülheim. Zuletzt sind immer mehr Kinder an Unfällen in Mülheim beteiligt gewesen. Welche Rolle Elterntaxis dabei spielen und wozu Experten raten.
Mit Sorge schauen Polizei und Verkehrswacht auf den Schulstart im August. Denn dann sind wieder Schulanfänger im Straßenverkehr unterwegs. Und die sind immer schlechter auf den Straßenverkehr vorbereitet. „Es wird von den Eltern oft viel zu wenig getan, sie schieben die Verantwortung auf Schule und Staat“, merkt Gunter Zimmermeyer von der Verkehrswacht kritisch an. Das schlägt sich auch in der Unfallstatistik nieder: Gerade Kinder verunglücken in Mülheim wieder mehr denn je.
53 Unfälle mit Kindern gab es im vergangenen Jahr. Bis 2020 hatte die Polizei hingegen sinkende Zahlen verzeichnet. Und auch im ersten Halbjahr 2023 liegt sie schon bei 27. „Wenn das so weitergeht, landen wir in diesem Jahr sogar bei 54 Unfällen“, rechnet Polizeidirektor Ulrich Sievers vor.
Jedes vierte in einen Unfall verwickelte Mülheimer Kind schwer verletzt
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Die meisten – gut drei Viertel – enden mit leichten Verletzungen, doch jedes vierte Kind muss anschließend ins Krankenhaus. Wenn auch nur, um es zur Vorsicht für 24 Stunden zu beobachten. Auch dann geht es als „schwer verletzt“ in die Statistik der Polizei ein.
Am häufigsten trifft es Kinder als Fußgänger und Fahrradfahrer. Hotspots kann die Polizei dabei nicht ausmachen – es sei eher ein „flächendeckendes Problem“. Die Gründe sieht Andreas Malberger, Leiter der Verkehrsunfallprävention, einerseits im auf das Auto ausgerichteten Verkehr. Kinder werden hinter parkenden Autos oft nicht gesehen und können selbst auch schlecht über Autos hinwegschauen. Oft sind sie dann schon ein Stück auf der Straße.
Doch auch mit dem Fahrrad sind sie nicht sicherer: „Eine Mobilitätswende ist notwendig, ideal wären getrennte Verkehrswege“, sagt Malberger. Und andererseits mehr und vor allem früheres Training auf dem Fahrrad. Denn das beginnt nach Erfahrung der Polizei immer später, „teils im zweiten Schuljahr“, weiß Polizeidirektor Sievers. Starten müsste es aber nach Ansicht der Polizei und Verkehrswacht am besten schon ein Jahr vor dem Schulbeginn, im letzten Kita-Jahr.
Polizei fordert mehr Erziehungseinsatz der Eltern und früheres Verkehrstraining
Viel eher und häufiger müssten Eltern mit ihren Kindern den Schulweg einüben. Doch die Bereitschaft, ihre Kinder für den Verkehr zu erziehen, sinke gesellschaftlich, beobachtet Zimmermeyer: „Man schiebt die Verantwortung auf die Lehrer und den Staat. Einen Auswuchs dieser Entwicklung sehen der Vorstand der Mülheimer Verkehrswacht und auch die Polizei in den umstrittenen Elterntaxis.
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„Man will die Kinder am besten bis in die Klasse fahren“, kritisiert Polizeidirektor Sievers. Vor den Schulen staue sich meist eine unübersichtliche Blechkarawane, die kein Vor und Zurück mehr möglich mache – und auch die Gefahr für die übrigen jungen Fußgänger erhöhe. Nennen will Sievers die Schulen nicht, vor denen es besonders problematisch läuft. Es sind wohl fast alle.
Alternativen zum Elterntaxi?
Dabei gäbe es Alternativen zum Elterntaxi: „Der Walking Bus ist ein tolles Konzept“, lobt Sievers, also das gemeinsame oder auch geführte Gehen zur Schule. Lobend erwähnen will er aber die Hölterschule, die mit ihrem „Kampf gegen Elterntaxis“ sogar ausgezeichnet wurde.
Hängt also alles an den Eltern? Mülheim selbst könnte mehr für die Verkehrserziehung tun: „Wir brauchen eine Verkehrsschule mit Übungsplatz“, fordern Polizeidirektor und Verkehrswacht. Dort könnten nicht nur Kinder üben, sondern ebenso die Großeltern auf ihren Pedelecs. Oder Neubürger die Verkehrsregeln lernen. In Essen gebe es vier, Mülheim hat derzeit: null. Zimmermeyer: „Uns fehlt ein geeignetes Grundstück.“