Mülheim. Erst die Hitze, dann wohl zu wenig Insekten: Tierschützer müssen in diesem Jahr besonders viele junge Vögel retten. Auch eine Mülheimerin hilft.

  • Viele Auffangstationen für Wildtiere sind derzeit stark belastet.
  • Durch die Hitze sind gerade junge Vögel oft aus den Nestern gefallen.
  • Einer von ihnen ist Mauersegler Kurt, er wird in Mülheim aufgepäppelt.

Absolut am Limit seien die Auffangstationen von Wildvögeln in diesem Jahr angesichts der zahlreichen Fundtiere, sagt die Mülheimer Biologin Inge Püschel, die seit Jahrzehnten vor allem Mauersegler ehrenamtlich aufpäppelt. Über 20 der kleinen Vögel versorgt sie derzeit in ihrem Zuhause und kommt mit dem Füttern kaum hinterher. Einer der gefiederten Patienten ist Kurt – das Mauersegler-Baby kam mit einer großen Wunde, nun steht für ihn bald der Umzug in eine spezialisierte Tierklinik an.

„Es fallen in diesem Jahr scheinbar reihenweise Mauersegler aus den Nestern“, beschreibt Inge Püschel die Situation. Auch andere Arten wie etwa Meisen würden in diesem Jahr zuhauf gefunden. Kaum ein Tag vergehe, an dem sie nicht wegen eines neuen Notfalls kontaktiert werde. Dabei päppelt sie derzeit neben einem Nest junger Stieglitze bereits 22 Mauersegler auf. „Jeder muss von Hand gefüttert werden“, seufzt die Mülheimerin und beschreibt die Prozedur: „Schnabel öffnen, Heimchen rein, schlucken lassen.“ Ausschließlich Heimchen, eine Grillenart, noch dazu solchen in einem bestimmten Wachstumsstadium, tischt die ehrenamtliche Vogelschützerin ihren gefiederten Pflegekindern auf. „Bei jeder Mahlzeit verfüttere ich über 200 Heimchen.“ Macht pro Tag mehr als 1000 der Insekten.

Kleine Mauersegler in Mülheim flüchten aus den brüllend heißen Nestern

Viele der gefiederten Findelkinder wirkten in diesem Jahr fast verhungert, sind entkräftet und viel zu leicht. „Es mag sein, dass die Elterntiere nicht genug Insekten als Nahrung gefunden haben.“ Belege hat die Biologin dafür nicht – denn auch einzelne zwar schon gut genährte, aber dennoch flugunfähige Mauerseglerküken hat sie von Findern bekommen. Vor allem bei extremer Hitze stürzen die Vögel sich aus den Nestern, die sich zumeist unter Dächern befinden. „Da wird es brüllend heiß“, schildert die Expertin.

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Einmal raus aus dem Nest und am Boden haben die kleinen Vögel alleine keine Chance – die Elterntiere füttern sie dort nicht, zudem brauchen Mauersegler einen erhöhten Abflugplatz, wenn sie in die Luft starten wollen.

Sorgenkind Kurt: Verletzter Mauersegler aus Mülheim soll in Tierklinik

Eines ihrer Sorgenkinder in diesem Jahr ist der kleine Kurt. Etwas mehr als 50 Tage alt wird das Mauersegler-Junge jetzt wohl sein, flügge sei er, sagt seine zweibeinige Ziehmutter. Als er aus dem Nest entwischte und auf dem Boden landete, wurde Kurt prompt von einer Elster attackiert. „Die hat ihm mit ihrem Schnabel eine Wunde am Hinterkopf und am Nacken zugefügt“, beschreibt die Expertin. Passanten hatten das ungleiche Gefecht zwischen den beiden Vögeln beobachtet, die angriffslustige Elster verscheucht und den kleinen Mauersegler bei Inge Püschel eingeliefert.

Mauerseglerjunge Kurt (oben) wird von der Mülheimer Biologin Inge Püschel aufgepäppelt, genau wie über 20 weitere Jungvögel.
Mauerseglerjunge Kurt (oben) wird von der Mülheimer Biologin Inge Püschel aufgepäppelt, genau wie über 20 weitere Jungvögel. © Püschel

Die freut sich nun darüber, dass auf Kurts Hinterköpfchen wieder so etwas wie ein Feder-Flaum wächst: „Das sieht aus wie eine ulkige Löwenmähne.“ Kurt fresse gut und fühle sich augenscheinlich fit: „Der will starten, stemmt sich immer wieder hoch und dreht sich zum Fenster, so wie die anderen Segler auch, die spüren, dass es bald Zeit ist loszuziehen.“

Bald will die Mülheimer Biologin die aufgepäppelten Vögel auswildern

Den kleinen Kurt aber will Inge Püschel aufgrund seiner Verletzung noch nicht in die große weite Welt entlassen. Er soll in Kürze in die spezialisierte Tierklinik der Deutschen Gesellschaft für Mauersegler in Frankfurt verlegt werden, die allerdings auch extrem voll sei. „Dort gibt es einen großen Trainingsraum, in dem die Segler testen können, ob sie wirklich flugfähig sind.“ So geschützt also soll Kurt seine ersten Flügelschläge machen.

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Und die anderen über 20 Insassen der Püschelschen Päppelstube? „Die meisten wollen losziehen, haben ihr Gewicht von 40 bis 50 Gramm erreicht“, weiß die Vogelpflegerin nach all den Jahren die Unruhe in den Boxen zu deuten. Bald wird es so weit sein – wenn das Wetter stabil ist, fährt Inge Puschel ihre Pflegevögel auf eine Anhöhe und lässt sie aufsteigen. „Dann fliegen sie nonstop, machen alles in der Luft, fressen, trinken, ziehen bis ins südliche Afrika“, kennt die Biologin die Route der Mauersegler und weiß auch, wann sie ihre Schützlinge – oder deren Nachkommen – wiedersieht: „Erst im zweiten Jahr, wenn sie sich paaren und nisten, kommen sie wieder runter.“

Unterstützung, wenn man einen hilflosen Vogel findet

Auch wenn aktuell die allermeisten privaten Auffangstationen voll seien, stünden Tierschützer zumindest telefonisch bereit, sagt Inge Püschel. Ansprechpartner findet man über den nabu-ruhr.de, info@nabu-ruhr.de; Experte bei Höhlenbrütern wie etwa Meisen: Karl Regel 0208/48 51 39, bei Mauerseglern Inge Püschel: 0208/76 06 44.

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