Mülheim. Anfangs begehrte Adresse, später mit „Rabauken“ belegt, heute ruhig: Heinz Skoric wohnt seit 1976 im Mülheimer SWB-Hochhaus. Wer bietet mehr?

Die Hochhäuser am Hans-Böckler-Platz prägen Mülheims Silhouette, doch sie erzeugen bei den Menschen in der Stadt kein erhebendes Gefühl. Im Gegenteil. Sie werden gerne als abschreckendes Beispiel vorgeführt, wenn die Furcht vor einem neuen „Ghetto“ umgeht, vor einem sozialen Brennpunkt. Derzeit sind die City-Hochhäuser permanent im Rahmen der Parkstadt-Debatte präsent. Dort äußern sich vorwiegend Menschen, die weit abseits der Innenstadt leben, häufig im Eigentum.

Heinz Skoric wohnt sehr gerne am Hans-Böckler-Platz 9, im Doppelhochhaus der SWB, das auch die Hausnummer 7 umfasst. Er ist dort 1976 eingezogen, ein Mieter der ersten Stunde, und er ist geblieben, hat lediglich die Etagen gewechselt. Hier sind seine drei Töchter aufgewachsen, hier hat er mit seiner Frau gelebt, um die er seit zwei Jahren trauert. Das Hochhaus ist seine Heimat, und viele Jahre war es auch sein Arbeitsplatz. Skoric, gelernter Kfz-Mechaniker, war von 2000 bis 2019 Hausmeister am Hans-Böckler-Platz. Kaum jemand kennt das Gebäude so gut wie er.

Mülheimer erinnert sich an schöne Jahre am Hans-Böckler-Platz

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Von seiner Wohnung in der siebten Etage schaut er in Richtung Tourainer Ring, Dickswall. Wenn er den Balkon nicht hätte, käme er nicht mehr oft an die Luft. Der 70-Jährige ist krank, er läuft mit Mühe, nimmt oft den Rollator. Eine seiner Töchter ist mit ihrem Ehemann im Doppelhochhaus wohnen geblieben. Eine andere lebt ganz in der Nähe und schaut täglich nach ihm - ohne diese Hilfe wäre es schwer. Die schönsten Jahre, die er am Hans-Böckler-Platz erlebt hat, liegen lange hinter ihm: „Das war, als die Kinder klein waren“, sagt Skoric und hat plötzlich Tränen in den Augen. Die Mädchen kamen 1979, 1980 und 1990 zur Welt.

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Als Heinz Skoric und seine Frau hier einzogen, waren die neuen Immobilien heiß begehrt. „Es wurde längst nicht jeder genommen.“ Als erster Wohnturm am Hans-Böckler-Platz wurde 1972 das Iduna-Hochhaus eröffnet. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB zog wenig später nach. Skorics ergatterten im Frühjahr 1976 zweieinhalb Zimmer im elften Stock. Das Haus sei damals noch im Bau gewesen, erinnert sich der Rentner. Einmal seien sie frühmorgens von Handwerkern geweckt worden - zur Überraschung des Paares hatte der Hausmeister sie eingelassen.

Am Anfang wollten alle in die neuen Mülheimer Hochhäuser ziehen

„Alle wollten hier einziehen“, sagt Skoric in Erinnerung an sorglose Anfangszeiten. „Klare Sache, wir hatten hier Schwimmbad, Sauna, Solarium, eine komplette Freizeitanlage, die man kostenlos nutzen konnte.“ Einen großen Spielplatz für die zahlreichen Kinder. Anfangs sei sogar die Benutzung der Waschmaschinen und Trockner gratis gewesen. Inzwischen sind an den Geräten Münzspeicher angebracht.

Heinz Skoric im Februar 2006 vor den Briefkästen am Hans-Böckler-Platz 7-9. Damals war er dort nicht nur Mieter, sondern arbeitete zugleich als Hausmeister.
Heinz Skoric im Februar 2006 vor den Briefkästen am Hans-Böckler-Platz 7-9. Damals war er dort nicht nur Mieter, sondern arbeitete zugleich als Hausmeister. © WAZ | Ilja Höpping

Die junge Familie blieb auch dann noch in der bescheidenen Wohnung, als schon zwei Kinder geboren waren. Mitte der 80er-Jahre wurde in der ersten Etage, Hausnummer 9, eine größere Wohnung frei. „86 Quadratmeter, das war toll. Die Kinder hatten ein großes Zimmer - und wir endlich wieder ein eigenes Schlafzimmer.“ Auch Haustiere seien über die Jahre dort eingezogen, angefangen vom Wellensittich über Hamster, einen Goldfisch, Katzen.

„Bestimmte Leute, die Theater und Randale gemacht haben“

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Heinz Skoric spricht aber auch über die unguten Zeiten, die dem Hochhaus bis heute anhaften, auch wenn sie ein Vierteljahrhundert zurückliegen. Oder länger. Er nennt es den „Niedergang, als bestimmte Leute hier reingesetzt wurden - Rabauken, die Theater und Randale gemacht haben“. Vier, fünf Jahre seien schlimm gewesen. „Die Stadt war Schuld daran.“

Längst sei wieder Ruhe eingekehrt: „Wenn man ehrlich ist, hat dieses Haus seinen schlechten Ruf nicht verdient“, meint der Mieter der ersten Stunde. Momentan wohne man sehr ruhig an dieser Stelle in der Mülheimer City - „das Einzige, was stört, ist den ganzen Tag Blaulicht und Martinshorn“.

Quadratmetermiete im SWB-Hochhaus liegt im Schnitt bei 5,44 Euro

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Insgesamt 206 Wohnungen gibt es in den SWB-Hochhäusern am Hans-Böckler-Platz. Nach Auskunft der Wohnungsgesellschaft stehen nur einige wenige leer, „modernisierungsbedingt“, wie es heißt. Die Menschen wohnen dort günstig, da alle Wohnungen öffentlich gefördert sind. Die durchschnittliche Miete liegt laut SWB bei gerade einmal 5,44 Euro/qm. Aktuell wird das Gebäude energetisch saniert, im nächsten Schritt soll daraus ein neuartiges, grünes Hochhaus werden, mit bepflanzter Fassade.

Mittlerweile lebt Heinz Skoric im siebten Stock, auch schon wieder seit fast einem Jahrzehnt. Im Zuge umfassender Renovierungsarbeiten, neue Türen, neue Heizungsleitungen, musste das Ehepaar wechseln, bekam eine Wohnung gleichen Zuschnitts angeboten. Sie hätten zurückziehen können in die erste Etage, verzichteten aber. Jetzt ist Heinz Skoric alleine und könnte sich kleinersetzen. Die Töchter drängen: Nimm eine kleinere Wohnung! Diese ist zu teuer. „Aber ich kann nicht“, sagt der 70-Jährige. „Ich würde nicht klarkommen. Vielleicht lande ich auf einer Etage, wo mir die Leute nicht passen. Und dann fängt alles von vorne an.“

Wir suchen die „dienstältesten“ Mieterinnen und Mieter in Mülheim. Wohnen Sie auch schon sehr lange im selben Haus, länger als Heinz Skoric? Dann sind wir gespannt auf Ihre Geschichte. Schreiben Sie uns per Mail an redaktion.muelheim@waz.de oder an die WAZ-Redaktion, Wallstraße 3a, 45468 Mülheim, Telefon-Kontakt: 0208-44308-31.

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