Mülheim. 200 Mülheimer Kinder haben einen Platz im begehrten Mitmachzirkus bekommen. Was in der Manege passiert und warum dies kein gewöhnliches Jahr ist.
Bei der Bodenakrobatik geht gerade nichts. Einer der Akrobaten sitzt im Schneidersitz auf der Matte und lässt den Kopf hängen. Eine Waage soll er mit zwei anderen bilden, aber gerade ist die Luft raus. „Komm schon, Noah, wir brauchen dich“, sagt ein Mädchen aus der Gruppe aufmunternd und auf einmal rufen alle zusammen. „Wir brauchen dich. Wir brauchen dich!“ Vielleicht ist das die wichtigste Szene, die sich an diesem Mittwoch im Park der Feldmann-Stiftung in Styrum ereignet. Vielleicht steht sie sinnbildlich dafür, um was es hier wirklich geht.
Der Mitmachzirkus der Medl ist eine feste Größe im Sommerferienkalender der Stadt. 100 Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren machen in dieser Woche beim Zirkusprojekt mit. Nächste Woche treten weitere 100 Kinder an, um sich am Trapez, beim Feuerschlucken, auf dem BMX-Bike oder am Hula-Hoop-Reifen zu üben. Und doch ist dies kein gewöhnliches Jahr, denn zum ersten Mal seit der Pandemie läuft der Betrieb wieder ohne Einschränkungen.
Giuseppe aus Mülheim: vom Clown zum Balancierkünstler
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Giuseppe ist ein alter Hase. Zum vierten Mal ist der Neunjährige dabei. Als die Presse kommt, ist er gerade dabei, auf einem pinkfarbenen Gummiball von etwa 50 Zentimetern Durchmesser zu balancieren. „Moment, ich kann was“, sagt er und schnappt sich noch ein Springseil dazu. Beim dritten Anlauf gelingt es und Giuseppe hüpft auf dem Ball in die Luft, das Seil saust unter seinen Füßen durch und er landet wieder sicher auf dem Ball. „Ich probiere jedes Jahr etwas anderes aus. Im letzten Jahr war ich Clown“, sagt er stolz.
Zwei Projekte pro Tag können sich die Kinder vornehmen, um Kunststücke zu üben und ihre Paradedisziplin für die große Abschlussshow am Samstag zu finden. Dann sitzen Familien und Freunde im Publikum, um die Ergebnisse zu bestaunen. Lea übt gerade, auf dem Gummiball durch einen Hula-Hoop-Reifen zu steigen. „Heute Nachmittag mache ich Feuer“, erklärt sie und meint damit wirklich Feuerschlucken, denn auch das lernen die Kinder hier.
Auch in diesem Jahr deutlich mehr Anmeldungen als Plätze
„Wir fangen erstmal ganz locker mit Trockenübungen an, bevor das Feuer dazu kommt“, sagt Lina Weis, eine von 20 ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern. Die 18-Jährige verbindet eine ganz besondere Geschichte mit dem Mitmachzirkus. Sie ist sozusagen in der Manege groß geworden. Mit sechs Jahren war sie zum ersten Mal als Ferienkind dabei und kam jedes Jahr wieder. Mit 16 fing sie dann selbst als Betreuerin an. „Ich weiß noch ganz genau, wie toll es sich angefühlt hat, am Ende der Woche die Abschlussshow zu präsentieren. Die leuchtenden Augen, die Zirkusluft, das ist einmalig“, sagt Lina Weis, die im nächsten Jahr Grundschullehramt studieren wird.
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Geleitet wird der Mitmachzirkus vom Circus ZappZarap, einem zirkuspädagogischen Projekt, das von Sozialarbeitern der Kölner Jugendarbeit entwickelt wurde. Veranstalter der Freizeit ist das Amt für Kinder, Jugend und Schule der Stadt, wo laut Verantwortlichem Johannes Glahn auch in diesem Jahr deutlich mehr Anmeldungen eingegangen sind, als Plätze zur Verfügung stehen. Jugenddezernent David Lüngen sieht im Mitmachzirkus nicht zuletzt eine Entlastung für jene Eltern, die nicht in den Urlaub fahren oder nicht die vollen sechs Wochen die Betreuung stemmen können.
Die beliebteste Station in Mülheim ist in luftiger Höhe
Finanziert wird das Projekt vom Energieversorger Medl. Vertriebsleiter Jan Hoffmann versichert, dass es auch in Zukunft gut aussieht für den Ferienspaß: „Über viele Projekte, die wir unterstützen, diskutieren wir. Aber der Mitmachzirkus steht nie zur Diskussion.“
Beliebteste Station in diesem Jahr ist das Trapez. Dort steht Christian Meier vom Circus ZappZarap inmitten einer athletischen Kinderschar, die nach nur drei Tagen Training leichtfüßig am Trapez herumturnt, als wäre es keine große Sache, eine Pyramide in der Luft zu bilden. Aber Moment, so ganz sitzt die Figur noch nicht. „Das klappt so nicht. Da müssen wir uns jetzt einen Trick einfallen lassen“, sagt Christian Meier. Wenn etwas nicht klappt, nicht bei sich selbst Schuld suchen, sondern an Lösungen tüfteln – auch das könnte eine Erinnerung sein, die die Kinder aus ihrer Ferienfreizeit mitnehmen.