Mülheim. Auch es wenn die Verkehrsschilder eindeutig verbieten: Viele Mülheimer brettern weiter wie selbstverständlich über den ehemaligen Kirmesplatz.
Der Weg über den Kirmesplatz in Saarn ist oft deutlich kürzer als der durch den Ort oder über die Straßburger Allee, keine Frage. Doch die Verkehrsschilder – knallrot mit weißem Strich in der Mitte – lassen keine Interpretation zu. Ganz klar ist die Durchfahrt dort verboten und zwar in beide Richtungen. Zu kümmern scheint das kaum jemanden. Allein am Dienstagmittag brettern in nur 20 Minuten sechs Autofahrer ungebremst die Schotterstraße entlang, ignorieren jedes Verbot.
Hinter dem Metallzaun der Flüchtlingsunterkunft spielen Kinder Fangen, hinter der Hecke gegenüber toben Jungen und Mädchen der Leichtathletik-Sportwoche der Turnerschaft 1912 Mülheim-Saarn. In deren Gebäude betreiben Tagesmütter auch ein Nestchen für Kleinkinder. „Eigentlich sind die Schilder auch dafür da, unsere Kinder zu schützen“, sagt der Vereinsvorsitzende Wilhelm Richter. Doch er erlebt täglich, dass dies vielen Menschen egal ist. „Wir haben auch jede Menge Motorräder, die hier einfach durchrasen.“
Mülheimer meint: Buckel auf der Straße „verleitet sogar zum Gasgeben“
Selbst der Buckel auf der Straße, der aus Richtung Harbecke-Halle kommend vor den Schildern eigentlich zum Bremsen motivieren soll, bringe nichts: „Im Gegenteil, der verleitet noch zum Gasgeben. Man macht einen kleinen Hüpfer, man setzt auf und der Auspuff kracht.“ Das sei ein durchaus beliebtes Spielchen.
Richter ärgert sich über das Verhalten der Autofahrer: „Ich hasse es, dass die hier so durchfegen.“ Doch von der Verkehrsregelung als solcher hält er auch nicht uneingeschränkt viel. Er wohnt an der Voßbeckstraße und weiß, wie viel länger der Weg ist, wenn er nicht direkt über die Mintarder Straße Richtung Kirmesplatz fahren kann, sondern den Umweg über die Straßburger Allee nehmen muss: „Das eine sind ungefähr 1,6 Kilometer, das andere 3,7 Kilometer.“
Vor allem Autofahrer aus Richtung Mendener Brücke haben ein Problem
Vereinsmitglieder, die aus Richtung Mendener Brücke kommen, können nur das vordere Tor des Sportgeländes anfahren. Wer zum hinteren, gerade 100 Meter entfernt liegenden Eingang muss, hat keine andere Wahl, muss den riesigen Umweg in Kauf nehmen. Über die Düsseldorfer Straße geht es nicht, weil sie Einbahnstraße ist. Also bleibt nur die Straßburger Allee mit ihren unzähligen Ampeln.
Wilhelm Richter würde sich anstelle der „Durchfahrt verboten“-Schilder eine 20er-Zone mit regelmäßigen Kontrollen wünschen. Oder wieder den Einsatz der Schranke, wie früher schon einmal. Denn für deren Nutzung hatten die Vereinsmitglieder eine Sondererlaubnis.
Keiner hält an und erwägt auch nur ein Umdrehen
Autofahrer mit Mülheimer Nummernschildern, andere mit auswärtigen Kennzeichen, ein Lieferwagen, ein Taxi: Am Dienstag um kurz nach 12 Uhr ist alles dabei. Keiner, der die eindeutigen Schilder anfährt, hält an und erwägt auch nur ein Umdrehen. Dass dort lediglich Einsatzfahrzeugen die Durchfahrt erlaubt ist, kümmert sie nicht. Für Gabi Sarholz, die gerade vom Qi-Gong-Kurs bei der Turnerschaft kommt, ist das ein gewohntes Bild und leider kaum verwunderlich: „Vor Einsatzkräften haben viele keinen Respekt mehr.“ Sie glaubt sogar, dass mancher Autofahrer mehr Rücksicht nähme, „wenn hier ein Neubaugebiet mit Kindern und dicken SUV vor der Tür wäre – und nicht eine Flüchtlingsunterkunft. . .“ Das bedauere sie sehr.
Auch Franz Heumüller, der zwischen Saarn und Broich wohnt, treibt die Sache um. Er hat der Redaktion einen Brief geschrieben: „Rund 90 Prozent der Autofahrer“, so glaubt er, ignorierten die Schilder – „womöglich, weil sich ihnen der Sinn nicht erschließt“. Auch Heumüller plädiert für eine Durchfahrt mit deutlich verringerter Geschwindigkeit.
Stadt: Regelung soll reibungslosen Ablauf von Rettungseinsätzen ermöglichen
Die Stadt sieht diesen Weg nicht. Stadtsprecherin Tanja Schwarze begründet die aktuelle Regelung damit, „dass sich auf dem Kirmesgelände derzeit auch eine Rettungswache befindet, und zwar so lange, bis ein endgültiger Standort im Mülheimer Süden gefunden ist“. Damit der Rettungsdienst möglichst schnell überall hin komme, habe man sämtliche Sperren vom Platz entfernt und gegen besagte Verbotsschilder ausgetauscht. Früher verhinderten beispielsweise Poller das Überqueren des Schotterplatzes.
Die Mintarder Straße durchgängig befahrbar zu machen, ist wohl ausgeschlossen: „Sie ist in dem Bereich nicht für Durchgangsverkehre dimensioniert und ausgebaut“, erklärt Schwarze. Es sei eine Privatfläche der Stadt, die sich eigentlich „außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums“ befinde. „Würde sie freigegeben, würde es vermutlich schnell zu ungewollten und nicht händelbaren Verkehrsverlagerungen kommen.“ Anlieger beschwerten sich schon jetzt massiv. Und auch die Flüchtlingsunterkunft vor Ort spreche gegen eine Öffnung der Straße. „Ein verkehrssicheres Miteinander wäre dort nicht möglich“, ist Schwarze sicher.