Mülheim. Die Wohnmobilbranche erlebte während Corona einen Boom. Wie Mülheimer Händler bis heute davon profitieren und wie sie die Zukunft einschätzen.

Urlaub auf eigene Faust. Als Hotels schließen mussten, Kreuzfahrtschiffe vor Anker liegen blieben und Flugreisen gestrichen wurden, erlebte die Wohnmobilbranche trotz der Pandemie einen unerwarteten Boom.

Auch in diesem Jahr ist der Bestand weiter gewachsen. Dennoch prophezeit der ein oder andere bereits das Ende der fetten Jahre. Wo liegt die Wahrheit? Mülheimer Experten ordnen ein.

Messen und Klickzahlen belegen: Das Interesse ist nach wie vor riesig

„Die Urlaubsform ist nach wie vor gefragt“, sagt Kai Dhonau, der in Saarn das Hymer-Zentrum an der Kölner Straße betreibt. „Dass das Interesse nach wie vor riesig ist, sieht man sowohl an allen Messen und Tagen der offenen Tür, als auch an den Klickzahlen unserer Anzeigen“, sagt Dhonau.

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Während der Pkw-Bestand in Mülheim laut einer Berechnung von Goldenstein Rechtsanwälte im Jahr 2022 minimal zurückgegangen ist, ist der Bestand an Wohnmobilen um 6,12 Prozent gestiegen. Demnach kommen auf 1000 zugelassene Pkw im Schnitt etwas mehr als 14 Wohnmobile. Unter den 50 einwohnerreichsten Städten in Deutschland liegt Mülheim damit auf Rang 28.

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Carsten Thrun, der mit seinem gleichnamigen Caravan-Park ebenfalls an der Kölner Straße ansässig ist, empfindet das aber als kein gutes Indiz für den aktuellen Stand der Branche. Vielmehr sei das noch eine Folge der guten Corona-Jahre. „Nach guten Jahren kommen viele Fahrzeuge dazu. Wenn dann altersbedingt nur wenige Wagen rausfallen, ist es normal, dass der Bestand wächst“, argumentiert Thrun.

Mülheimerinnen und Mülheimer müssen sich auf lange Lieferzeiten einstellen

Nicht selten werden jetzt noch Wagen ausgeliefert, die vor zwei Jahren bestellt worden sind. „Wir liegen oft immer noch bei 18 bis 24 Monaten Lieferzeit“, so Thrun. Auch Dhonau bestätigt: „Bei klassischen Reisemobilen ist die Liefersituation weiterhin nicht so gut.“

„Die Urlaubsform ist nach wie vor gefragt“, sagt Kai Dhonau vom Hymer-Zentrum B1 in Mülheim-Saarn.
„Die Urlaubsform ist nach wie vor gefragt“, sagt Kai Dhonau vom Hymer-Zentrum B1 in Mülheim-Saarn. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Das liegt auch daran, dass während der Pandemie eine echte Chassis-Krise entstanden ist. Vor allem im Bereich der Transporter herrschte plötzlich eine ungewohnte Knappheit. „Durch den Online-Handel wurden noch mehr Autos gebraucht, die im Versand tätig sind“, weiß Thrun.

Höfe waren vor zwei Jahren komplett leer – das hat sich geändert

„Mittlerweile haben wir auch wieder Autos auf dem Hof, wo wir zwei Jahre lang gar keinen Bestand hatten“, sagt Kai Dhonau. Manche Modelle seien auch kurzfristig wieder verfügbar.

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Da nach der Krise bekanntlich vor der Krise ist, stellt sich die Frage, welche Rolle etwa der Ukraine-Krieg und die vielen Ungewissheiten auf dem Energiesektor spielen. „Es gibt schon Unsicherheit bei den Verbrauchern“, hat Carlos Herrmann von Herrmann Caravans und Reisemobile festgestellt. Viele von ihnen stellten sich erst einmal die Fragen nach den eigenen Miet- und Stromkosten. „Das sind Sachen, die einen erstmal mehr beschäftigen, als sich ein Reisemobil zu kaufen“, äußert Herrmann Verständnis.

Welche Rolle spielt die Energiekrise?

Während Kai Dhonau ebenfalls beobachtet hat, dass „der ein oder andere etwas verunsichert“ sei, sieht Carsten Thrun die Lage entspannter: „Leute, die Wohnmobile kaufen, die haben nicht an der Energieknappheit zu knabbern“, meint er.

Dennoch: Den Höhepunkt der Corona-Jahre konnte die Branche nicht ganz halten. „Wachstumsraten von 20 oder 30 Prozent sind vorbei“, sagt Herrmann. Seiner Meinung nach werden die Bilanzen stagnieren „oder sogar ein bisschen zurückgehen. Wenn wir die Zulassungszahlen halten könnten, wäre das gut“.

Mülheimer Wohnmobilhändler: „Ich mag es nicht, wenn Kollegen jetzt jammern“

Carsten Thrun warnt allerdings davor, die Pandemie-Zahlen als Vergleichswert zu nehmen. „Wir hatten über drei Jahre einen Boom, wie man ihn in den letzten 30 Jahren nicht hatte. Ich mag es nicht, wenn einige Kollegen jetzt so jammern, denn wir müssen immer gucken, von welchem Stand wir kommen“, so der Mülheimer.

Carsten Thrun (Thrun Reisemobile und Caravan-Park Thrun) möchte über die aktuelle Situation in seiner Branche keineswegs jammern.
Carsten Thrun (Thrun Reisemobile und Caravan-Park Thrun) möchte über die aktuelle Situation in seiner Branche keineswegs jammern. © WAZ FotoPool | Michael Dahlke

Dem kann Kai Dhonau nur zustimmen: „Wir nähern uns wieder dem Normalniveau und sind immer noch vor 2018 oder 2019.“ Verändert hat sich höchstens das Buchungsverhalten. „Es ist kurzfristiger geworden und es geht auch nicht mehr so weit“, sagt Carsten Thrun. Auch das, ergänzt Dhonau, werde sich wieder ändern. „Fernziele werden auch wieder attraktiver. Die Infrastruktur wächst, es muss sich nur alles wieder neu verteilen.“

Mülheimer Caravaningbranche wartet auf die Babyboomer

Dass mal ein oder zwei Jahre etwas schlechter werden, könne er nicht ausschließen. „Das ist aber nichts Bedrohliches, wir kommen wieder in normale Fahrwasser.“ Denn laut der Marktforschung gebe es immer mehr Leute, die sich für das Thema Camping und Caravaning interessieren. „Es kommt jetzt immer mehr die Babyboomer-Generation mit vielen Leuten dazu, die sich dafür interessieren“, so Dhonau.

Carsten Thrun weiß auch, warum: „DIe Urlaubsform kommt den Menschen entgegen und hat nicht mehr das Spießige wie vor zehn oder 15 Jahren.“