Mülheim. Wenn die Kanadagänse in Scharen über die Müga-Wiesen in Mülheim watscheln, sehen sie putzig aus. Ihr Kot liegt überall herum und sorgt für Ärger.
Ein Sonnenbad gefällig? Die Wiesen neben der Stadthalle laden momentan nicht gerade dazu ein: weil sich im Park an der Ruhr Scharen von Kanadagänsen herumtreiben und sich am Gras gütlich tun. Ihre Hinterlassenschaften pflastern die Wege und Rasenflächen. Seine Picknick-Decke dort ausbreiten möchte man nicht.
Überschlägt man die Zahl des Federviehs im Stadthallengarten, kommt man sicher auf 150 Tiere. Sie watscheln durch die Gegend, trinken Wasser aus den Springbrunnen, sind hübsch anzusehen. Aber sie fressen auch jede Menge Gras, das verdaut werden muss. Spaziergänger müssen wegen der Ausscheidungen auf den Wegen Slalom laufen, auf den Wiesen oder auf der Treppe direkt an der Ruhr sitzt kein Mensch. Hochzeitspaare, die fotografiert werden wollen, staksen mit gerafftem Kleid und hochgezogenen Hosenbeinen zwischen den Tretminen herum.
Mülheimer MST: „Hinterlassenschaften werden zu Herausforderung“
„Wir können bestätigen, dass die Nutzung der Wiesen für den Menschen aufgrund der vielen Hinterlassenschaften zur Herausforderung geworden ist“, erklärt auf Anfrage Anna Stark, Sprecherin der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST), die die Stadthalle betreibt. Seitens der MST gebe es derzeit aber keine Pläne, die Tiere zu vertreiben – in der Fachsprache heißt es „vergrämen“. Für die Grünflächen und Wege in der unteren Müga – auch für deren Reinigung – sei das städtische Grünflächenamt zuständig. Der Bereich zwischen Stadthallengebäude und Ruhr bestehe großflächig aus Beton und bleibe von den Hinterlassenschaften daher „weitgehend verschont“.
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Vergrämungsmaßnahmen gegen die Langhälse hat die Stadt bisher noch nicht ergriffen. „Die Zahl der Kanadagänse in Mülheim ist konstant geblieben, sie liegt bei 350 bis 400 Tieren“, berichtet Stadtsprecherin Tanja Schwarze. Das Problem mit den Schnabeltieren, die ursprünglich gar nicht heimisch waren in Deutschland, sei also nicht größer geworden. Aktuell sei zudem Schonzeit (siehe Info-Box). Kanadagänse brüten Anfang April, nach rund 28 Tagen schlüpfen die Küken. Erst nach dem 16. Juli dürfen die Tiere bejagt werden – aber nur vom jeweiligen Jagdpächter. In Parks und ähnlichen Grünanlagen ist es nicht gestattet. 109 Tiere wurden im Jagdjahr 2022/23 geschossen, im Jahr zuvor waren es 133. Man versucht so, die Bestände im Rahmen zu halten.
Gitterzäune wurde rausgebrochen und in die Ruhr geworfen
„Bislang mussten wir keine Vergrämungsmaßnahmen ergreifen. Es gab in der Vergangenheit verschiedene Überlegungen dazu, aber vor der Umsetzung waren die Gänse jeweils weitergezogen“, so Schwarze. In Erwägung gezogen habe man unter anderem, Bitterstoffe auf die Rasenflächen aufzubringen, einen Falkner mit einem größeren Greifvogel einzusetzen, oder gar eine Drohne über das betreffende Gelände fliegen zu lassen (Sportplatz an der Mintarder Straße). An der Stadthalle wurden auch schon Gitterzäune um die Wiesen herum aufgestellt, um die Vögel fernzuhalten. „Die Gitterzäune wurden in der Vergangenheit von Fremden leider mutwillig rausgebrochen und in die Ruhr geworfen, vor diesem Hintergrund wurde auf eine erneute Installation verzichtet“, erläutert Anna Stark (MST).
Dass der Bestand der großen grauen Gänse in Mülheim eher ab- als zunimmt, bestätigt Elke Brandt vom Nabu Ruhr. „Sie konzentrieren sich aber an bestimmten Punkten, sind vor allem an der Ruhr zu finden. Die Spazierwege sind dort verkotet“, so die Naturschützerin. Allerdings seien die Menschen auch selbst schuld: Sie fütterten die Tiere. „Die Folge ist, dass sie die Leute anbetteln.“ Eine weitere Ursache in den Augen von Brandt: „Die Wiesen sind zu kurz gemäht, längeres Gras finden die Gänse unattraktiv.“ Derzeit sind die meisten Rasenflächen allerdings gelb und verdorrt. „Die Tiere knabbern aber weiterhin daran rum, und sie suchen dann auch beschattete Flächen auf“, sagt Peter Schuhmacher vom Grünflächenamt.
Stadt Mülheim sammelt keine Eier aus den Nestern
Gänsekot besteht laut Naturschützern zu 80 Prozent aus Gras. Dennoch: Er stört viele. Das Grünflächenamt reinigt die Wege an der Stadthalle laut Schuhmacher ungefähr alle 14 Tage mit der Kehrmaschine, die Wiesen werden jede Woche gemäht – und so gesäubert. Während in einigen anderen Städten die Eier aus den Nestern gesammelt werden, um die Nachwuchszahlen bei den Kanadagänsen kleinzuhalten, gibt es das in Mülheim nicht. „Die Stadt Mülheim hat bis heute während der Brutzeit keine Eier eingesammelt“, berichtet Tanja Schwarze. Eier stibitzen – das tun laut Elke Brandt allerdings die Waschbären, die an der Ruhr seit einiger Zeit zu Hause sind.
Einfach verschwinden werden die Kanadagänse im Stadthallengarten wohl nicht. Aus Witterungsgründen müssten sie gar nicht gen Süden ziehen, so Peter Schuhmacher. Manche aber wird es bald wohl auf die abgeernteten Felder in der Umgebung ziehen. „Die Gänse lieben Raps und Gerste“, weiß der erfahrene Bauer Hans-Hermann Terjung zu berichten. In diesem Jahr gebe es bisher in der Landwirtschaft noch kein größeres Gänse-Problem. Einfach zu bejagen oder zu verscheuchen seien die watschelnden Zeitgenossen nicht. „Die sind clever. Wenn es brenzlig für sie wird, hauen sie schnell ab.“