Mülheim. Wenn in Mülheim Hecken sprießen, greifen manche zu kräftig zur Schere. Verstöße sind teuer. Was aber ist erlaubt, was raten Naturschützer?

Sie wachsen nach oben, mal nach links, mal nach rechts – das feuchte Aprilwetter und die nun kräftige Sonne haben die Hecken kräftig sprießen lassen. Die einen greifen daher zur Schere, die anderen aber warnen davor, mit allzu forschen Schnitten möglicherweise die Brutzeit von Vögeln zu stören. Was ist erlaubt und was nicht? Das sagen Stadt und Naturschutzverbände.

„Ich kann es inzwischen nicht mehr verstehen, wo wir doch alle wissen, dass von März bis September das Hecken schneiden untersagt ist“, ärgerte sich eine Leserin aus Speldorf unlängst über einen Heckenschnitt, den sie an der Kirche St. Michael beobachtet hat. Sie ist in Sorge um den Vogelbestand im Stadtviertel: „Als ich vor 30 Jahren hierher zog, gab es viele verschiedene Vogelarten, jetzt nur noch zwei.“

Mülheimer Naturschutzbehörde: zu starker Schnitt kostet bis zu 50.000 Euro

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Verboten ist es laut Bundesnaturschutzgesetz in dieser Zeit, Bäume abzuschneiden, auf den Stock zu setzen – also komplett Zurückzuschneiden – oder zu beseitigen, die außerhalb des Waldes oder gärtnerisch genutzter Grundflächen stehen. Dies gilt ebenso für Hecken, lebende Zäune oder Gebüsche und andere Gehölze.

Wer das trotzdem macht, kann von der Unteren Naturschutzbehörde – je nach Länge und Eingriff – mit Bußgeldern zwischen 500 und 50.000 Euro belangt werden. Das passiert immer wieder einmal: Durchschnittlich 20 bis 25 Mal im Jahr wird die Mülheimer Naturschutzbehörde von aufmerksamen Nachbarn verständigt, zwischen fünf und zehn Fälle im Jahr werden auch wirklich geahndet.

Amseln brüten gerne in geschützten Hecken wie dieser hier.
Amseln brüten gerne in geschützten Hecken wie dieser hier. © Leserfoto

Allerdings geht die Behörde von einer Dunkelziffer aus, denn personell sei man nicht in der Lage, das gesamte Stadtgebiet regelmäßig zu kontrollieren, heißt es auf Anfrage. Jeder Meldung aber gehe man nach. Das Verbot hat übrigens seinen Grund: Wildlebende Tiere und Pflanzen sollen geschützt werden, besonders die Ruhe- und Fortpflanzungsstätten von Vogel- und Fledermausarten.

Nabu-Expertin: Vor dem Formschnitt Hecke und Gebüsch genau untersuchen

Erlaubt hingegen ist der Pflege- oder auch Formschnitt, wenn auch nicht unumstritten: Denn es sei dem Laien nicht immer klar, was ein Formschnitt genau ist, stellt Elke Brandt, zweite Vorsitzende des Mülheimer Nabu, fest. Schnell werde zu viel gekürzt und immer wieder komme es vor, dass dabei Nester freigelegt würden. Der Schaden sei dann selten wieder rückgängig zu machen – wieder ankleben ließen sich die Äste schließlich nicht, meint sie augenzwinkernd.

Vor dem Formschnitt sollte man die Hecke oder das Gebüsch genau nach Nestern untersuchen, sagt die Mülheimer Nabu-Vogelexpertin Elke Brandt.
Vor dem Formschnitt sollte man die Hecke oder das Gebüsch genau nach Nestern untersuchen, sagt die Mülheimer Nabu-Vogelexpertin Elke Brandt. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Brandt rät deshalb dazu, „die Hecke oder das Gebüsch genauestens zu untersuchen, am besten über einen bestimmten Zeitraum, um zu sehen, ob Vögel in die Hecke hinein- oder aus ihr herausfliegen, weil sie ihre Brut füttern“. Bestimmte Futterzeiten gibt es allerdings nicht, sagt die Vogelexpertin des Nabu – und das bedeutet: Geduld – gefüttert wird immer wieder mal zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang.

Mülheimer Naturgarten-Vorsitzende rät: lieber bis Ende September warten

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Nun spürt auch eine gute Inspektion der Hecke nicht immer Nester auf. Sabine Arzberger, Vorsitzende der Mülheimer Regionalgruppe Naturgarten e.V., kann von solchen Fällen berichten: „Neulich hat ein Gartenbesitzer einen Efeugang von unten freigeschnitten. Das Nest hat er vorher nicht gesehen.“ Ob das Nest zuvor besiedelt war, kann Arzberger nicht sagen, „aber wenn sie beim Brüten gestört wurden, wird es vermutlich nicht mehr aufgesucht“.

Auch bodennahe Vögel wie der Zaunkönig können bei Formschnitten schon vertrieben werden, „ich persönlich würde es zwischen März und September einfach lassen“, sagt die Vorsitzende des Mülheimer Naturgarten e.V., der sich dafür einsetzt, Gärten und Grünflächen naturnah zu gestalten, um die biologische Vielfalt von Pflanzen wie Tieren zu fördern.

„Ich würde das Heckenschneiden zwischen März und September einfach lassen“, rät Sabine Arzberger von der Mülheimer Regionalgruppe Naturgarten e.V..
„Ich würde das Heckenschneiden zwischen März und September einfach lassen“, rät Sabine Arzberger von der Mülheimer Regionalgruppe Naturgarten e.V.. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Elke Brandt sieht das ähnlich: „Ein erfahrener Gärtner schneidet sowieso erst ab August, wenn die Sonne ihren Zenit überschritten hat, um Hitzeschäden zu vermeiden.“ Und ohnehin ist es der Nabu-Vogelexpertin viel wichtiger, die Hecke auch vogelgerecht anzulegen: Damit die Hecke sich gut verzweigt und somit viel Halt für Nester bietet, rät Brandt übrigens dazu, die Triebe nach dem ersten Jahr auf 30 Zentimeter zu schneiden, im zweiten Jahr auf 60 Zentimeter. So bilden sich Quirle, die Halt und Schutz böten.

Und wenn es doch passiert? Junge Vögel retten

Und wenn doch mal ein Nest unbeabsichtigt freigelegt wird? Elke Brandt empfiehlt, die Jungvögel zu einer Aufzuchtstation zu bringen oder die Feuerwehr zu verständigen, die diese Tiere entsprechend weiterreicht.

Anfassen dürfe man Jungvögel auch mit der bloßen Hand – anders etwa als Rehkitze. Um aber keine Bakterien auf den Vogel zu übertragen, könne man auch Handschuhe anziehen. Wer Vögel selbst aufziehen und füttern möchte, sollte dies indes nur mit einer abgerundeten Pinzette tun, um den Schnabel und Rachen nicht zu verletzen.

Wer dagegen die Aufzuchtstationen vorzieht, wird herzlich gebeten, eine Spende zu hinterlassen: „Die Stationen sind ehrenamtlich organisiert und müssen darüber Futter und Hilfsmittel bestreiten“, informiert die Nabu-Expertin Brandt.

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