Mülheim. Die gestiegenen Preise für Gas und Strom treiben besonders viele Ratsuchende zur Mülheimer Verbraucherzentrale. Die benennt zwei schwarze Schafe.
Erst war die Verunsicherung groß, dann kam die finanzielle Belastung – so erleben viele Mülheimerinnen und Mülheimer die Energiepreiskrise. Riesigen Andrang gab es in Sachen Energie auch bei der Mülheimer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale. Bei den Beraterinnen landen drastische Fälle, sie sprechen von sozialen Nöten. Und das dicke Ende kommt noch, befürchten die Expertinnen mit Blick auf anstehende Nebenkostenabrechnungen. Sie rechnen mit deutlich mehr Stromsperren.
Im Schnitt dreimal mehr als vorher mussten Haushalte im vergangenen Jahr für Gas bezahlen, für Strom waren die Kosten durchschnittlich doppelt so hoch – diese Erkenntnisse hat die Mülheimer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale nach einem Jahr mit einer beispiellos hohen Anzahl an Anfragen gewonnen. 35 Prozent der insgesamt 5101 Anliegen, denen sich Beraterinnen in 2022 annahmen, drehten sich um Energie.
Zwei Stromanbieter entpuppten sich als schwarze Schafe, sagen Mülheimer Beraterinnen
Nicht nur Menschen mit geringen Einkommen brachten die historisch hohen Energiepreise in finanzielle Schieflage. Zu gefürchteten Stromsperren kam es nach Einschätzung der Verbraucherzentrale in Mülheim aber nur in Einzelfällen. Ein Grund, den Beraterin Gudrun Schäfer dafür sieht: „Eon als Grundversorger hat im vergangenen Jahr die Preise stabil gehalten.“ Um einen Eindruck von der Spannbreite der Preisunterschiede zu gewinnen, nennt Beraterin Schäfer die im vergangenen Jahr auf dem Markt angebotenen Strompreise pro Kilowattstunde, die zwischen 31 Cent beim hiesigen Grundversorger und 108 Cent beim teuersten Anbieter lagen. Und es geht ähnlich weiter: „Der Markt ist nach wie vor hochdynamisch. So was hatten wir noch nie.“
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Handfeste Probleme bekamen einige Mülheimerinnen und Mülheimer mit zwei Stromanbietern, die sich nicht an die in den Verträgen festgeschriebenen Konditionen gehalten und Preisgarantien gebrochen oder den Kunden Preiserhöhungen intransparent untergejubelt haben: die Energieversorger Primastrom und Voxenergie. Hier hat die Verbraucherzentrale Abmahnverfahren angestoßen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen führt gegen diese Anbieter Musterklagen, an die sich Betroffene noch anschließen können, um höhere Preise zu vermeiden oder Schadensersatz zu fordern.
Horrende Gaspreise und kletternde Strompreise: Mülheimer suchen Rat
In diesem Jahr spitze sich die Situation für viele wohl noch weiter zu, befürchten die Beraterinnen: „Auch Eon hat die Preise inzwischen erhöht – das wird für viele nicht mehr tragbar sein“, sagt Christiane Lersch, Leiterin der Mülheimer Beratungsstelle, und verdeutlicht: „Auf den ersten Blick sind das nur Centbeträge, aber beim Gaspreis ist man schnell bei mehreren Tausend Euro, die man mehr zahlen muss.“
Deutlich werde das etwa, wenn ab Mitte des Jahres Vermieter die Nebenkostenabrechnung fürs zurückliegende Jahr verschicken. Das werde manchem Mieter einen Schock bescheren, fürchten Lersch und ihr Team. Um vor bösen Überraschungen gefeit zu sein, raten die Verbraucherschützerinnen dringend, im Jahresverlauf regelmäßig die eigenen Zählerstände abzulesen – so könne man frühzeitig anfangen, Geld für etwaige Nachforderungen zur Seite zu legen und Abschläge anzupassen. Expertin Lersch mahnt zudem: „Die Preisgarantie halten nur seriöse Anbieter ein.“
Mülheimer Verbraucherschützer warnen: Vorsicht bei Vertragsverhandlungen am Telefon
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Vorsicht sei auch geboten, wenn Verträge am Telefon abgeschlossen werden sollen. „Energieverträge dürfen eigentlich nicht mehr rein telefonisch abgeschlossen werden“, so Beraterin Susanne Niermann. In der Praxis aber werde mancher Kunde beim Anruf überrumpelt und soll noch während des Gesprächs per SMS etwas bestätigen – und schon sei ein neuer Vertrag geschlossen.
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Einen überaus positiven Effekt hatte die Beratung bei der Mülheimer Verbraucherzentrale indes für einen Senior, wie Gudrun Schäfer schildert: „Der Herr war an die 90 und kam mit seiner Jahresabrechnung für Strom vorbei. Weil sein Abschlag bislang viel zu hoch angesetzt war und die Zählerstände immer nur geschätzt wurden, bekam er schließlich etwa 4000 Euro zurück.“
Verbraucherzentrale baut wegen Flut an Anfragen Online-Beratung aus
Um der Flut an Anfragen gerecht zu werden, die im vergangenen Jahr mit dem Aufflammen der Energiekrise über die Beraterinnen hereinbrach, hat die Verbraucherzentrale NRW ihr digitales Angebot ausgebaut etwa mit Online-Gruppensprechstunden und Videochat-Beratungen, die auch weiterhin Bestand haben.
Parallel zu der Beratung in Sachen Energiepreise leistet die Beratungsstelle der Mülheimer Verbraucherzentrale auch Energieberatung. „Da steht die Wärmepumpe hoch im Kurs“, so Lersch, aber auch Fragen zum Dämmen und entsprechenden Fördermöglichkeiten oder zu Stromsparmöglichkeiten im Haushalt beantworten die Beraterinnen. Auf der Internetseite finden Verbraucher zudem Rechentools zu Energiepreisen und interaktive Musterbriefe.
Die Mülheimer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale sitzt an der Leineweberstraße 54 und ist montags, dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 14 Uhr sowie montags und freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt per Telefon: 0208 69 60 53 01. Weitere Informationen: verbraucherzentrale.nrw/beratungsstellen/muelheim