Mülheim. Wieder müssen Christen in Mülheim Abschied von einem Gotteshaus nehmen. Was sie zum Abriss der Kirche Albertus Magnus bewegt - und traurig macht.
Die Sonne lacht. Doch so manche Seele weint, als sich die Styrumer Fronleichnamsprozession von Albertus Magnus nach St. Mariae Rosenkranz auf den Weg macht. Etwa 250 bis 300 Menschen sind unterwegs von der 1956 eingeweihten Kirche, die nach dem letzten Gottesdienst am Donnerstagvormittag abgerissen werden soll, zur 1894 eingeweihten Kirche Mariae Rosenkranz.
Damals finanzierte der Industrielle August Thyssen den Kirchenbau. Heute fehlt der katholischen Kirche das Geld, um ihr Gotteshaus an der Eberhardstraße, unweit des Styrumer Bahnhofs, zu unterhalten und bautechnisch instandzusetzen. Überalterung und Kirchenaustritte bringen die katholische Kirche auch in Mülheim in finanzielle Not. In den vergangenen 25 Jahren hat die katholische Stadtkirche ein Drittel ihrer Mitglieder und damit auch die entsprechenden Kirchensteuereinnahmen verloren.
Geistliche geben alle, um die Mülheimer Gemeinde zu trösten
Trachtenträger und ein Bild des heiligen Leopold Mandic, das in der Prozession mitgeführt wird, zeigen, dass die kroatische Gemeinde sich auf den Weg vom alten ins neue Zuhause macht. Nach Angaben der Stadt besteht die kroatische Gemeinschaft in Mülheim aktuell aus 670 Personen. Aber Albertus Magnus wurde auch von deutschsprachigen Katholiken genutzt. Pfarrer Christian Böckmann, Weihbischof Wilhelm Zimmermann und Gemeindeleiterin Sigrid Geiger geben alles, um die Gemeinde zu trösten. Sie sprechen von der Kirche als „der ewigen Pilgerin“, vom „Volk Gottes, das unterwegs ist und zu neuen Ufern aufbricht“, und davon, „dass die unschlagbare und unverzichtbare frohe Botschaft der Christen an keine Kirchengebäude gebunden“ sei.
Doch was sagen die Mitglieder der Nord-Pfarrgemeinde St. Barbara, zu der auch die Gemeinden Albertus Magnus und Mariae Rosenkranz seit 2006 gehören: „Die Kirche hat ein Problem damit, sich richtig darzustellen. Ihr fehlen seit langem die Priester. Nur Menschen können Menschen für den christlichen Glauben und die kirchliche Gemeinschaft gewinnen. Die katholische Kirche hätte viel eher auf Gemeindeleiterinnen und Diakoninnen setzen sollen“, erklärt Peter Schumacher die tieferen Ursachen des Problems.
„Die Kirche braucht gutes Bodenpersonal“
Auch interessant
„Dass hier deutsche, kroatische und kamerunische Christen, die jetzt alle in Mariae Rosenkranz zuhause sind, mitgehen, empfinde ich als gutes Zeichen der Solidarität. Diese Vielfalt muss die katholische Kirche als Weltkirche auch in Mülheim als die neue Normalität leben und sich dabei jeder Doppelmoral enthalten. Dann kann sie einen guten Weg gehen, selbst wenn wir noch die eine oder andere Kirche aufgeben müssen“, sagt Veronika Burggraf.
Gregor Schlusen, der singend und Gitarre spielend in der Prozession mitgeht, meint: „Die Kirche braucht gutes Bodenpersonal, dass durch sein eigenes Lebensbeispiel Menschen für den christlichen Glauben begeistern kann. Das schafft man nicht mit 0815-Gottesdiensten. Dafür braucht man neue Formen, die Menschen dort abholen, wo sie in ihrem Leben stehen.“
Kirche in Mülheim - weitere Themen:
- Idee: Neues Zentrum für evangelische Jugendarbeit
- Mülhheimer Kirche auf dem Markt: Überraschende Interessenten
- Taufe am Teich: 80 Familien feiern in Mülheim riesiges Fest
- 25 Jahre Notfallseelsorge: In schlimmen Stunden nicht allein
- Weitere Mülheimer Kirche am Ende: Heilig Geist wird verkauft
- Neuer Treff für Katholiken: Stadthaus wird umgebaut
- Überwältigend: Papst segnet Baby Klara-Marija aus Mülheim
„Dass wir nach 25 Jahren diese Kirche verlassen müssen, ist traurig“
„Dass wir nach 25 Jahren diese Kirche verlassen müssen, ist traurig. Mit Albertus Magnus verbinden sich viele schöne Erinnerungen. Aber das Gotteshaus ist marode und die Kirche hat kein Geld, um es zu sanieren. Das verstehen wir. Wir sind aber froh, dass wir jetzt in Mariae Rosenkranz angekommen sind. Und wenn alle Bauarbeiten hier abgeschlossen sind, wird auch diese Kirche für uns ein schönes Zuhause werden“, sagt Marica Kovacevic.
Pfadfinderin Celina Körber (26) meint: „Ich bin hoffnungsfroh und freue mich, dass wir in St. Mariae Rosenkranz jetzt neue Leute dazubekommen und unser Gemeindeleben bunter gestalten können. Unsere Kirche braucht Offenheit, Transparenz, die Heranführung der Kinder an den christlichen Glauben und das Mitgestalten der Gemeindemitglieder.“
„Wir brauchen als katholische Christen Räume, in denen wir uns treffen“
„Wir sind in St. Barbara mit der kroatischen Gemeinde seit langem verbunden. Wir brauchen als katholische Christen Räume, in denen wir uns treffen und unseren Glauben leben können. Das kann, das muss aber keine Kirche sein. Und wir brauchen eine Kirche, die ehrlich ist und auch ihre Fehler aufarbeitet. Da sind wir im Ruhrbistum schon weiter als in anderen deutschen Bistümern“, unterstreicht Klaus Timmer.
Dass die katholische Kirche Kirchen zumachen muss, statt sie aufzumachen, führt Olaf Hellrung darauf zurück: „dass es ihr nicht gelingt, ihre gute Botschaft in unsere heutige Zeit zu transportieren und die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zu erreichen. Hier ist jeder Christ gefordert.“
„Wir geben unsere alte Heimat auf, aber wir finden jetzt eine neue“
Maria und Dominik Dakovic geben sich optimistisch: „Wir geben unsere alte Heimat auf, aber wir finden jetzt eine neue.“ Anka Vrkec, die in einer slawonischen Tracht in der Prozession mitgeht, sieht es ähnlich: „Wichtig ist, dass wir weiterhin Gottesdienste in unserer Muttersprache feiern können. Das ist ein gutes Gefühl. Wir müssen nach vorne schauen und die Sache positiv angehen.“
Kirchen-Nachbarin Jasmina Alheidt sagt: „Ich werde das Glockenläuten von Albertus Magnus vermissen und finde es schade, dass man aus der Kirche kein Jugendhaus macht.“ Für Ivana Natusdvic „ist dieser Tag des Abschieds von Albertus Magnus traurig, weil sich für mich viele schöne Erinnerungen mit dieser Kirche verbinden.“ Dennoch ist die junge Mutter zuversichtlich, „dass wir uns auch in der neuen und größeren Gemeinde nach einer schwierigen Phase der Umstellung gut zurechtfinden werden.“ Von ihrer Kirche wünscht sie sich, „dass sie sich mehr an den Bedürfnissen junger Familien ausrichtet, weil sie ihre Zukunft sind.“