mülheim. . Drei Unterkünfte werden bis Jahresende geschlossen. Doch die Zahl der Fehlbeleger bleibt hoch. Sie finden keine Wohnung auf dem überreizten Markt
Zum letzten Stichtag am 31. Mai lebten 1403 Flüchtlinge in Mülheim in kommunaler Unterbringung. Zwei Monate zuvor waren es zwar fünf weniger, doch dieser punktuelle Anstieg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen kontinuierlich zurückgehen. Waren im vergangenen Jahr 405 Flüchtlinge gekommen, so hat die zuständige Bezirksregierung Arnsberg in diesem Jahr der Stadt bislang 160 Menschen zugewiesen. Thomas Konietzka, kommissarischer Leiter des Sozialamtes, rechnet bis zum Jahresende mit etwas mehr als 300 Menschen insgesamt.
Allerdings ist die Erfüllungsquote deutlich zurückgegangenen. Lag die Stadt lange bei über 90 Prozent des nach dem Königsteiner Schlüssel ermittelten Soll, sind es inzwischen lediglich 81 Prozent, so dass vorübergehend wieder mit leicht vermehrten Zuweisungen zu rechnen ist. Der Überhang an städtischen Unterkünften bleibt immens. Noch vor einem Jahr ging es darum, für den Notfall Reserveflächen vorzuhalten. Längst hat der Strategiewechsel eingesetzt, werden Standorte abgebaut.
Bis Ende des Jahres fallen insgesamt 523 Plätze weg
Nach einer Umwandlung der beiden Flüchtlingsdörfer Mintarder Straße und Holzstraße zu Selbstversorgereinrichtungen ist die Gesamtkapazität auf 2600 Plätze gefallen, von denen lediglich fast jeder zweite frei ist. Diesen Angebotsüberhang möchte die Verwaltung in zunächst fünf Schritten begegnen: Die sofortige Kündigung von 24 Wohnungen mit 128 Plätzen, der Umwandlung weiterer 40 Wohnungen in eigene Mietverträge bis zum Jahresende mit 180 Plätzen, sowie die Schließung der Gemeinschaftsunterkünfte Kuhlendahl zum 30. September mit 101 Plätzen, Hahnenfähre zum 30. September mit 91 Plätzen und wie bereits mitgeteilt die Schließung des Flüchtlingsdorfes Holzstraße zum Jahresende mit 230 Plätzen. Macht zusammen: 523 Plätze.
Dass nicht jede bislang genutzte Wohnung in ein Mietverhältnis umgewandelt werden könne, möge auch an den Preisen liegen, so Thomas Konietzka, da Flüchtlinge in der Regel Leistungsbezieher seien. Die Obergrenze liege bei 7,38 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete (inklusive Nebenkosten ohne Heizung). Auch geringfügig mehr, gehe nicht.
Die Menschen können nicht schnell mit Wohnungen versorgt werden
Aber es könnten noch viel weniger Menschen in städtischen Einrichtungen leben. Die Anzahl der Fehlbelegung ist mit 702 Personen enorm. Diese Fehlbelegung hat unterschiedliche Ursachen, sie spiegelt aber auch die zunehmende Knappheit auf dem Wohnungsmarkt wider. Insbesondere fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, den ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten, dessen Ergebnis schon seit Monaten erwartet wird, exakter quantifizieren soll. Die Menschen sind aber direkt mit ihrer Anerkennung eines Status durch das Bundesamt als Fehlbeleger zu zählen.
„Der Anspruch auf eine eigene Wohnung kann nicht in der gleichen Unmittelbarkeit umgesetzt werden“, so Konietzka. Das BAMF billigt aber rund der Hälfte der Menschen nur einen subsidiären Schutzstatus zu. Der damit verbundene gesicherte Aufenthaltsstatus von zunächst einem Jahr ist für Vermieter generell zu kurz. Dazu dürfen Flüchtlinge nach der Anerkennung für drei Jahre lang nicht in eine andere Stadt ziehen.
Die SPD fordert eine intensivere Begleitung
Seit Herbst 2015 haben 1809 Flüchtlinge die Bewilligung erhalten, eine eigene Wohnung zu beziehen, 1167 konnten in diesem Zeitraum die Unterkünfte verlassen und eine eigene Wohnung beziehen. Die eigenen vier Wände sind eine wichtige Voraussetzung für die Integration. Rodion Bakum, sozialpolitischer Sprecher der SPD, weiß das aus eigener Erfahrung. Er kam 1993 selbst als Flüchtling in die Stadt. Er ist Initiator eines fraktionsübergreifenden Antrags. Ziel ist es, durch Beratung und Begleitung bei der Wohnungssuche die Anzahl der Fehlbeleger zu senken.
Auf ein interessantes Konzept, das die Johanniter in Bottrop betreiben, verweist auch die CDU. Konietzka hört das nicht gerne, gebe es doch auch hier viele Angebote. Das geforderte Konzept wird er präsentieren. Seine Bilanz fällt positiv aus. „Bei einem engen Wohnungsmarkt sind die Zahlen erklecklich. Was wir hier erreicht haben, ist schon relativ großartig.“
>>>Freiwillige und erzwungene Ausreisen
2017 standen 405 Zuweisungen 201 Wegzüge gegenüber. 72 Menschen wurden abgeschoben, 24 laut Stadt auf Anfrage davon im Rahmen des Dublin-Abkommens in ein EU-Land, in das sie zuvor eingereist sind. Zahlen für 2018 gibt es nicht.
Bei drei Personen habe es sich um Intensivstraftäter gehandelt, so Stadtsprecher Volker Wiebels. 139 Personen kamen ihrer Ausreisepflicht freiwillig ohne Zwang nach. „Hiervon nahmen 68 Personen unsere eigene Rückkehrberatung in Anspruch.“