Mülheim. Der österreichische Autor begeisterte mit seinem neuen Roman „Unter der Drachenwand“ in der Buchhandlung Hilberath & Lange.

Kaum merklich senkt sich am Lesetisch bei Hilberath & Lange der Mikrofonständer. Es fällt nicht auf, aber irgendwann sieht man den Unterschied. Wie beim Graswachsen. Arno Geiger hat seine Freude an solchen Dingen. Und das Mikro erinnert ihn daran, dass er 17 Jahre lang auf der Seebühne in Bregenz schuften musste. Eine Drecksarbeit, bei der er 100 Kilo schwere Boxen in 15 Metern Höhe montieren musste.

Das Leben mit einem Minimum war der Tribut, den er seiner literarische Arbeit zollen musste. Deshalb war 2005 der Deutsche Buchpreis für „Uns geht’s gut“ so wichtig. Die Angst, dass ein Buch nicht gelingen könnte, ging verloren. Das hat seinem Leben eine neue Richtung gegeben und die Erinnerung daran hat nichts von ihrem Glanz verloren.

Briefe vom Flohmarkt

Zu dieser Zeit war es auch, dass er erste Ideen für seinen aktuellen Roman „Unter der Drachenwand“ fasste, die mit dem fertigen Roman nach 13 Jahren Vorbereitung nicht mehr viel zu tun haben. Auf einem Flohmarkt war er auf Briefe aus dem Weltkrieg gestoßen. Die Anzahl der Briefe, die der Österreichische Autor inzwischen las, geht in die Zehntausende. Von hinten habe er einen Roman über den Krieg geschrieben, zeigt, wie dieser ins Private eindringt, das Weltvertrauen zerstört.

Während andere Autoren oft Erläuterungen über ihre Arbeit scheuen, zeigt sich der 49-Jährige auskunftsfreudig und gibt pointiert und sprachlich geschliffen Antworten auf nicht gestellte Fragen aus der Schreibstube, auf deren Antworten aber das literarische Publikum giert.

In nur vier Monaten rausgehauen

Den Historikern will er keine Konkurrenz machen. Ihm geht es um die Vergegenwärtigung von Emotionen in einer Zeit, in der Krieg etwas Abstraktes geworden ist. Er will sich frei machen vom Wissen des Nachgeborenen. Vor allem sollte es ein unpädagogisches und unideologisches Buch sein. „Vergiss, dass es ein Buch über die am besten dokumentierte Zeit ist. Schreib so entspannt wie möglich, wo doch alle ein so verkrampftes Buch erwarten“, lautete die Devise. Über Jahre liefen die Recherchen, rausgehauen hat er die 480 Seiten innerhalb von vier Monaten. Er ist niemand, der lange seine Texte überarbeitet. Schreibt er aus dem Impuls heraus, stehen Kopf und Bau in Balance. Je öfter man nachdenke, desto eher setze sich der zaudernde Kopf durch. Seinen Figuren, denen er vertraut, kommt er extrem nahe. Er will, dass deren Atem und der Puls spürbar werden, nicht das Rascheln des Papiers.