mülheim. . Der Arbeitskreis bemüht sich um einen Austausch zwischen Mülheim und der palästinensischen Stadt, scheitert aber an Verwaltung und Politik.

  • Wenn die Stadt eine Absichtserklärung unterschreibt, würde eine Organisation den Jugendaustausch finanzieren
  • Der Stadt geht das Papier in den Details aber zu weit. Auch die Parteien unterstützen das Vorhaben nicht
  • Am Freitag kommt der Bürgermeister aus Qalqilia nach Mülheim und wird von OB UIrich Scholten empfangen

Sie fordern von der Stadt kein Geld, nur die ideelle Unterstützung für eine gute Sache, die der Völkerverständigung dient. Und doch wird ihnen diese Unterstützung von der Stadtspitze wie von den Fraktionen verwehrt. Es geht um einen Schüleraustausch zwischen deutschen, palästinensischen und im Idealfall israelischen Jugendlichen, den der Arbeitskreis Qalqilia vorantreibt.

Organisatorisch wäre ein Austausch zwischen Schülern des Gymnasiums Heißen und einer palästinensischen Mädchenschule perfekt. Schulleiterin Sigrun Leistritz hat bereits vor zwei Jahren mit ihrer Kollegin in Qalqilia den Rahmen abgesteckt. Es ist dieselbe Idee, die nach dem zweiten Weltkrieg dazu beitrug, die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ zu überwinden und die auch Daniel Barenboim mit seinem Orchester verfolgt, in dem palästinensische mit israelischen Jugendliche miteinander musizieren: Frieden durch Begegnung.

Städtepartnerschaft wurde durch zweite Intifada zurückgestellt

Der Arbeitskreis möchte damit an die 1999 angebahnten Beziehungen anknüpfen. Damals kam es in Mülheim zu einer Begegnung der Bürgermeister und Schülern aus Kfar Saba und Qalqilia. Dabei habe es auch rege Beziehungen zwischen den beiden Städten gegeben, wurde in Qalqilia angebautes Gemüse in Kfar Saba verkauft. „Leider wurde der Plan, mit Qalqilia eine Städtepartnerschaft einzugehen, durch die zweite Intifada zurückgestellt“, bedauert Heiner Schmitz, Sprecher des Arbeitskreises. Der Selbstmordanschlag von 2003 sei eine traurige Tatsache, ebenso wie die acht Meter hohe Mauer, die seit 2003 die Stadt komplett umgibt und den Menschen den Alltag erschwert.

Mit der gemeinnützigen Organisation, „Engagement Global“, die sich als „Servicestelle für Kommunen in der einen Welt“ versteht und im Auftrag der Bundesregierung handelt, wäre auch eine Finanzierung möglich. Voraussetzung ist eine Absichtserklärung, die im Detail weitreichende Ziele nennt, wie Kurzzeiteinsätze kommunaler Fachleute aus Mülheim in Palästina.

Verwaltung ist skeptisch

Während die Verwaltung damit argumentiert, für eine solche Freistellung keine Möglichkeit zu sehen und Zweifel äußert, ob Mitarbeiter bei der angespannten Situation überhaupt eine Entsendung begrüßen würden, betont Schmitz, dass diese Punkte kein Pflichtprogramm seien. Auch die Städtepartnerschaft mit Kfar Saba werde auf Minimalniveau betrieben. Er sieht darin vorgeschobene Argumente. Die städtischen Stellungnahme enthält einen weiteren Punkt. Nach Kenntnis der Verwaltung werde eine enge Kooperation „von unserer israelischen Partnerstadt kritisch gesehen, wenn nicht abgelehnt.“ Das Verhältnis zwischen den Nachbarn sei angespannt.

Schmitz selbst, der beide Städte häufig besucht und Wert darauf legt, dass die israelische Seite von seinem Einsatz für Qalqilia weiß, sieht es anders. Vor vier Jahren hat er mit dem Bürgermeister von Kfar Saba darüber gesprochen, der sein Engagement gut hieß.

Auch in der Politik gibt es keine Unterstützung

Neue Hoffnung schöpfte Schmitz, als die neue Landesbildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) im September die Bedeutung von Schulpartnerschaften mit Israel und Palästina hervorhob und deren Unterstützung ein Anliegen der Landesregierung nannte. „Unsere Schüler erleben wertvolle Momente der interkulturellen Begegnung, denn sie lernen andere Sichtweisen zu verstehen und knüpfen neue freundschaftliche Bande“, hieß es in Düsseldorf.

Als Schmitz die Meldung in der Zeitung las, wandte er sich erneut an den FDP-Fraktionschef Peter Beitz. Die Antwort fiel ernüchternd, aber typisch aus: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen freundschaftliche Beziehungen zu palästinensischen Kommunen, möchten aber das gute Verhältnis unserer Stadt mit Kfar Saba nicht belasten.“ Auch eine Begegnung mit der Spitzenkandidatin der Grünen im Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, nutzte Schmitz für sein Anliegen. Sie argumentiert mit der besonderen Verantwortung durch die Geschichte.

„Wie politisch einseitig gepolt muss man sein, um nicht zu erkenn, dass Deutschland aufgrund des Holocausts nicht nur gegenüber den jüdischen Menschen in Israel verpflichtet ist, sondern auch den Palästinensern“, ärgert er sich. Denn ohne den Exodus hätte die internationale Gemeinschaft mit der Grenzziehung nicht gegen Palästina entschieden.

>>> Der Arbeitskreis Die Mitglieder des Arbeitskreises treffen sich seit 2013 jeden ersten Dienstag. Sieben Mal haben Mitglieder Qalqilia bereist. Dr. Salem vom UN-Hospital konnte vor einigen Jahren am evangelischen Krankenhaus ein viermonatiges Praktikum absolvieren. Kooperationen mit Kitas und Sportvereinen sind erwünscht.

Das Mocca Nova bot einige Monate lang Kaffee aus Qalqilia an. Dann machte der Zoll Probleme, die nun gelöst werden sollen. Am Freitag kommt der Bürgermeister von Qalqilia, Mohammed Hashem Almasri nach Mülheim. Oberbürgermeister Ulrich Scholten begrüßt ihn. „Das ist sehr erfreulich“, so Schmitz.