Mülheim/Berlin. . Abdulkader Harba hat in Syrien als Journalist gearbeitet. Vor drei Jahren floh er mit seiner Familie. Nun traf er Frank-Walter Steinmeier.
- Der Journalist Abdulkader Harba musste vor drei Jahren aus Syrien fliehen
- Seit Anfang 2016 lebt die Familie in Mülheim und engagiert sich für die WiM
- In Berlin plauderten sie jetzt mit Jürgen von der Lippe und Gerald Asamoah
Als er die russischen Panzer am Checkpoint Charlie in Berlin gesehen hat, war das für Abdulkader Harba schon ein beklemmendes Gefühl. In Gedanken startete da sofort der Film und die Bilder der syrischen Heimat waren wieder im Kopf. Die vierköpfige Familie Harba stammt aus Latakia, der wichtigen Hafenstadt im Nord-Westen des Landes. Sie ist nicht nur ein wichtiger militärischer Stützpunkt der russischen Streitkräfte, die im Bürgerkrieg auf der Seite der Regierung stehen, sondern auch eine Hochburg der Assad-Getreuen.
Hier war der 52-Jährige noch vor ein paar Jahren als Journalist für eine Zeitschrift tätig. Bis er eines Tages einen Anruf erhielt, bedroht wurde und um das eigene Leben und das seiner Familie bangen musste. Die Drohungen waren ernst zu nehmen und so ließ die Familie alles zurück und verließ mit dem Nötigsten die Heimat zwei Tage später in einem Flugzeug nach Algerien, wo sie dann ein Jahr lang blieb. Das war 2014, als von Flüchtlingskrise und Balkan-Route noch keine Rede war, der Krieg, der inzwischen über 11 Millionen Syrer entwurzelt hat, aber schon seit drei Jahren tobte.
„Mit der Reise ist ein Traum in Erfüllung gegangen“
Und nun steht der Journalist mit seiner jüngeren Tochter Sally, WiM-Initiator Reinhard Jehles und Cristina Strauß im Garten von Schloß Bellevue, schüttelt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Hand und plaudert mit Prominenten wie Jürgen von der Lippe, Gerald Asamoah sowie Christian und Bettina Wulff. „Beim Bürgerempfang des Bundespräsident herrschte eine familiäre Atmosphäre“, sagt Cristina Strauß.
Harba beschreibt den Bundespräsidenten als bescheiden, herzlich und interessiert, der als ganz normaler Mensch aufgetreten sei – ein krasser Gegensatz zur Selbstherrlichkeit des syrischen Präsidenten. Steinmeier habe immer noch Fragen gestellt, als er von seinen Begleitern schon zum nächsten Gast weitergeschoben worden sei. „Mit der Reise ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Ich weiß nicht, wie ich diese Ehre verdient habe“, sagt der Journalist voller Dankbarkeit. Da er Philosophie studiert und die deutschen Denker kennengelernt habe, sei Deutschland schon immer ein Sehnsuchtsort gewesen. Aus den Medien kennt er die geschichtsträchtigen Plätze in Berlin und da ist es etwas ganz Besonderes, sie aufzusuchen. Mit dem Taxi („der türkische Fahrer erwies sich als Glücksfall“) begaben sie sich vor dem Empfang zunächst auf Stadtrundfahrt.
Als besonderer Ort erwies sich das Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals. Mit versteinerter Miene habe Harba dort gestanden, erinnert sich Cristina Strauß, sich umgedreht und ihr gesagt: „Das ist das, was Assad in Syrien macht“.
Der lange Arm der Diktatur
Seit Februar 2016 leben die Harbas nach einigen Zwischenstationen in Mülheim. Allzu viel über sein Leben in Syrien und seine Umstände seiner Flucht möchte Harba noch nicht erzählen. Er fürchtet den langen Arm der Diktatur und das nicht ohne Grund. So habe die Familie auch nach einer erneuten Bedrohung aus Algerien fliehen müssen und sogar im Mülheimer Flüchtlingscamp sei es zu einem schockierenden Erlebnis gekommen, das er nicht näher schildern möchte. Aber er sei schon sehr viel ruhiger und entspannter geworden.
Durch einen Zufall begegnete die Familie schon früh Cristina Strauß, die sie seitdem beim Meistern der Alltagsprobleme unterstützt. Die beiderseitige Sympathie war von Beginn an groß und so lag es auch nahe, sich bei der WiM zu engagieren: Kleider sortieren, Schwedenstühle bauen, Schultüten sortieren, die Aufgaben sind vielfältig. Und in Abwesenheit von Jehles übernimmt er die Verantwortung in der Warenannahme der WiM. So ist es auch nicht überraschend, dass Jehles ihn nach Berlin zum Bürgerempfang mitnahm.
Endlich eine neue Wohnung
Jetzt blickt die Familie nach vorne. Endlich haben sie eine ausreichend große Wohnung gefunden, Sara, die größere Schwester, die einen Sprachkurs an der HRW absolvierte, bekam ein Stipendium. Sally (20), die in Mülheim schon in zwei Ausstellungen ihre Kunst präsentierte und beim Ruhrorter-Projekt mitwirkte, muss jetzt den durch die Flucht verpassten Schulabschluss nachholen. Mutter Rabia lernt Deutsch und Abdulkader selbst will auch endlich die Sprache richtig lernen, um möglichst bald eine richtige Arbeit zu finden.