mülheim. . Der SPD-Mann möchte erneut in den Bundestag einziehen. Im Wahlkampf setzt er auf das direkte Gespräch und auf seine Überzeugungen.
- Im Gespräch macht der 65-jährige SPD-Mann klar, dass er mit der Arbeit im Bundestag noch nicht fertig ist
- Mit Akribie bereite er sich auf die verschiedenen Themen vor, sagte er, besonders in Sachen Mobilität
- Im Wahlkampf möchte Klare mit vielen Menschen ins Gespräch kommen und besucht sie auch zu Hause
Noch ein letzter Blick aufs Handy. Der Mann, der sich für einen Technikexperten hält, lässt nicht locker. Erst am Vorabend hatte er Arno Klare die Lösung der Mobilitätsprobleme versprochen. „Aber das widerspricht den physikalischen Gesetzen“, sagt der Sozialdemokrat, der am 24. September zum zweiten Mal für den Bundestag kandidiert.
Der 65-Jährige hat Philosophie studiert, aber mit technischen Details der Mobilität kennt er sich aus. Akribisch hat er sich in die Materie vertieft, kann im Verkehrsausschuss des Bundestages sowie im Untersuchungsausschuss zum Diesel-Skandal kompetent mitreden und er erzählt gerne die Anekdote, dass Ingenieure ihn in der Kaffeepause mit „Herr Kollege“ anredeten und ein anderes Mal seine echten Kollegen im Bundestag an ihn verwiesen wurden, um sich das technische Problem erklären zu lassen - so eitel ist er dann doch. Deshalb kann er das Ergebnis des Diesel-Gipfels forsch als „Frechheit“ bezeichnen, auch wenn einige wichtige Punkte beachtet wurden. „Ein Software-Update wird nicht reichen“, sagt er.
„Jeder Prozentpunkt hilft uns, weil er unsere Position stärkt“
Komplex ist auch die Soziale Gerechtigkeit. Eine Reform des Steuergesetzes reicht da für ihn nicht aus. Auch in diese Fragen hat er sich reingekniet, malt mit dem Finger in der Luft die Kurven von Diagrammen nach und stellt fest: „Es bringt ja nichts, wenn ich entlastet werde“, womit er die Besserverdienenden meint, und die jungen Facharbeiterfamilien, die man fördern möchte, weitgehend leer ausgingen, weil sie gar nicht so viel Steuern zahlen. Deshalb seien intelligentere Lösungen nötig. Man müsse die unterschiedlichen Systeme (Steuer, Rente, Kindergeld, etc.) im Zusammenhang sehen. Genau das habe die SPD mit ihrem Vorschlag, der im Wahlprogramm steht, gemacht.
Über das Abschneiden seiner Partei macht er sich keine Illusionen. Alles, was über 25 Prozent liege, sei ein Fortschritt. „Jeder Prozentpunkt hilft uns, weil er unsere Position stärkt.“
Mit Bürgern spricht er auf Grillpartys oder bei Kaffee und Kuchen
Seine Wahlkampfstrategie läuft unter dem Arbeitstitel Tupperparty: Ein Genosse lädt seine Nachbarn oder eine andere überschaubare Gruppe von fünf bis 15 Personen zum Grillen oder Kaffee ein. Er bringe Würstchen, Bier oder Kuchen mit und dann werde über Politik gesprochen. Knapp ein Dutzend Termine habe er nun hinter sich und bislang gute Erfahrungen gemacht. Es gehe um ganz Konkretes wie Rente und Kindergeld, manchmal auch um Lokales, etwa den Zustand der Innenstadt, den er auch mit großer Sorge sehe, aber daran von Berlin aus nichts ändern könne.
Ein Thema sei auch die Infrastruktur, gerade jetzt mit den maroden Rheinbrücken. Um diese zu modernisieren, sei Geld nicht das Hauptproblem. Davon gebe es genug, sondern das fehlende Personal. Die Gelegenheit nutzt er für einen Seitenhieb auf die letzte schwarz-gelbe Landesregierung, die unter der Losung Privat vor Staat die Personaldecke ausgedünnt habe.
„Ich gehe mit einem Grundoptimismus vor, dass sich die Welt zum Besseren ändern lässt“
Natürlich treibt ihn die Mobilitätsfrage um. Elektromobilität sieht er nur begrenzt als Ausweg. Besser sei die Brennstoffzelle. Die Radschnellwege sind ein anderer Punkt. „Wir waren im Ruhrgebiet mal Fahrradregion“, weiß Klare. Alle seien zur Maloche geradelt. Dann wurde das Auto zum Statussymbol. Noch liege der Anteil des Autoverkehrs im Ruhrgebiet bei 62 Prozent. In Berlin sind es mittlerweile 32 Prozent. In den ÖPNV komme mit der Ruhrbahn zwar Bewegung. Aber das reiche nicht.
„Ich gehe mit einem Grundoptimismus vor, dass sich die Welt zum Besseren ändern lässt“,, beschreibt Klare seinen grundsätzlichen Antrieb. „Man kann auch etwas verändern. Ich glaube schon, dass sich das Vernünftige durchsetzt“. Was ihn nachdenklich stimmt, ist unterdessen die Situation in Europa. „Manchmal fürchte ich, dass dieses Projekt scheitern könnte“, sagt er und schwärmt von den Errungenschaften dieses Einigungsprozesses, der für die jüngeren längst Normalität geworden ist. In andere Länder ohne Hemmnisse zu reisen, dort zu studieren, zu leben und auch einen Partner zu finden. Das wichtigste aber ist für Arno Klare: „Wir erleben in Deutschland die längste Friedensphase. Das verdanken wir Europa. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.“
Anstoß zum SPD-Beitritt war der Kniefall Willy Brandts
Arno Klare ist in Oberhausen in einem Arbeiterviertel geboren und aufgewachsen und war dort der erste, der studiert hat. Der SPD habe er sich schon länger nahe gefühlt. Anstoß zum Beitritt war der Kniefall Willy Brandts in Warschau. „Es war eine Geste, auf die der ganze, durch die Deutschen drangsalierten Osten 30 Jahre lang gewartet hat“, sagt Arno Klare. 1972 bei der Kampagne „Willy wählen“ erzielte die SPD ihr bestes Ergebnis. „Es gibt heute auch nicht mehr solch eindrucksvolle Biografien.“