Moers. .
Das ist preußische Disziplin, gegossen in Bronze: Luise-Henriette ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen. 30 Augenpaare starren die schöne Moerserin auf ihrem Sockel vor dem eingerüsteten Schloss seit Minuten ungeniert an. Da geht Stadtführerin Erika Ollefs vor dem 1904 errichteten Denkmal gleich mal lokalpatriotisch in die Vollen: „Ich sage immer, die Mutter der Preußen steht in Moers.“ Mehr über die Heimat erfahren, alte Erinnerungen auffrischen und Neues kennenlernen – das ist für viele der 15 Frauen und Männer an diesem sonnigen Sonntagmorgen der Anlass, sich auf diese kulturhistorische Stadtführung zu begeben. Unterwegs als Tourist in der eigenen Stadt.
Von Höcksken auf Stöcksken
Wie lange die Tour so dauern werde, will einer der Teilnehmer noch wissen, bevor die Gruppe der schönen Henriette endgültig den Rücken kehrt und losmarschiert. „Anderthalb bis zwei Stunden, je nach dem, was mir unterwegs so einfällt“, scherzt Erika Ollefs. Am Ende werden es über zwei Stunden sein – die 68-jährige Moerserin hält es mit dem Erzählen gerne wie Hanns-Dieter Hüsch: „Ich komm dabei eben immer von Höckscken auf Stöcksken ...“
Ein kurzer historischer Abriss zur Stadtgeschichte und Erika Ollefs ist nach ihrem Parforceritt durch die Jahrhunderte schnell in der Gegenwart angekommen -- nicht zuletzt wegen einer unvermeidlichen Frage: „Wann macht das Schloss denn wieder auf?“ An dieser Stelle muss die sonst so versierte Gästeführerin passen. Das wissen derzeit schließlich nicht mal die Verantwortlichen selbst ganz genau...
Vorbei am Musenhof und am Rosarium taucht die Gruppe ab in den alten Schlosspark. Heute besticht der Park mit seinem alten Baumbestand, aber auch schon damals, erzählt Ollefs, reisten die Menschen nach Moers, um im Park zu flanieren. Ein „Verschönerungsverein“ kümmerte sich um das Wesentliche – Bürgerengagement, damals so gefragt wie heute.
Nach der Parkrunde müssen die Köpfe noch tiefer in den Nacken gelegt werden: Der Turm der wegen der Sanierungsarbeiten geschlossenen Stadtkirche schiebt sich in die Bildmitte. Erika Ollefs zeigt auf eine Balustrade. „Wenn Sie können, steigen Sie irgendwann mal hinauf“, rät Ollefs, „die Sicht von dort ist einfach unglaublich.“ Weiter geht es Richtung Fußgängerzone über das graue Pflaster mit den ziegelroten Streifen in der Fieselstraße. Jahrhunderte vorher hätten wir nasse Füße riskiert -- die Pflasterung imitiert die Gosse von anno dazumal. „Das rote sind die Stege, die über dem Wasser gebaut wurden“, so Ollefs. Die Keller wurden dort früher übrigens extra höher gelegt, daher sind auch die Hauseingänge entsprechend weiter oben und nur über mehrere Treppenstufen zu erreichen.
Zwölf Zwerge sollt ihr sein ...
Immer noch ein Geheimtipp: die alte Brandgasse, in Moers auch gerne Zwergengasse genannt. Seit 100 Jahren zieren zwölf bunte Zwerge die Fassade, wohl ein Bauherr, der sich auf diese Art künstlerisch verewigen wollte, so Ollefs. „Vielleicht sollten es ja die zwölf Apostel werden“, witzelt eine Dame aus dem Hintergrund.
Pumpeneck und Klompenwinkel, die „Magica“ von Paul Fuchs und weiter geht es durch die Innenstadt. Kopf in den Nacken und Augen auf – an den Fassaden ist allerhand zu entdecken. Theatermasken auf der Steinstraße, die sehr großzügig modellierte Nase des Alten Fritz über der Eingangstür des heutigen „Il Mulino“ auf der Kirchstraße, die Gedenktafel am Geburtshaus von Gerhard Tersteegen am „Café Extrablatt“ am Altmarkt und vieles mehr.
Über den Hanns-Dieter-Hüsch-Platz geht es zurück. Am Amtsgericht vorbei, über den Kastellplatz zum Alten Landratsamt. Was aus dem alten Neuen Rathaus und dem Alten Landratsamt denn jetzt werde, wollen die Leute wissen. Erika Ollefs erläutert bekannte Pläne, mehr als das kann sie derzeit nicht sagen. Die Moerser Stadtgeschichte bleibt spannend, dafür muss kein Jahrhundert vergehen ...
Hintergrund: „Die Stadtführungen sind ein gutes Angebot, Moers auf ganz unterschiedliche Art zu entdecken“, so Citymanager Michael Birr. Im letzten Jahr haben über 3000 Menschen an einer der zahlreich angebotenen Touren teilgenommen. In diesem Jahr werde das gute Ergebnis wohl noch übertroffen werden, so Birr mit Blick auf die aktuellen Zahlen.
Besonders beliebt sind die kulturhistorische Stadtführung und die Nachtwächtertour. Im Angebot sind aber auch Rad- oder Segwaytouren. Themenführungen im Angebot sind unter anderem: Mutiges Meerbeck, Asciburgium, Lehmpastor Felke, Moers zur NS-Zeit oder das Geleucht bei Vollmond. Die Preise reichen von 4 bis 6 Euro, Kinder von 6 bis 14 Jahren zahlen die Hälfte. Auf Wunsch werden auch spezielle Führungen angeboten.
Infos und Anmeldung: Stadtinformation, 02841/88 22 60.