Moers. .
Vor 17 Jahren kam der Pfarrer von Wangerooge nach Moers. Am Sonntag hält er die letzte Predigt in seiner Kirche am Kastell. Sein Markenzeichen: feinsinniger Humor.
Es war der Kirmessonntag im Jahre des Herrn 1994, als Heinrich Bücker in sein Amt als Pastor von St. Josef eingeführt wurde. „Der Kirmessonntag ist auch immer Kirchweihe. Da einen Pastor einzuführen, war gar nicht so falsch“, sagt er. Eigentlich aber waren Terminschwierigkeiten der Kirchenmusikerin der wahre Grund: „Sie sagte, sie könnte nicht anders.“ Nun, 17 Jahre später, verlässt der 75-Jährige seine Gemeinde. Den letzten Gottesdienst hält er am Sonntag, 11. September.
Es waren für den Priester 17 erfüllte Jahre: weit über 6000 Gottesdienste, etwa 850 Beerdigungen, rund 200 Trauungen und knapp 1000 Taufen. Hinzu kamen etwa 170 Wiederaufnahmen in die katholische Kirche und tausende seelsorgerischer Gespräche. Auch Ämter hatte er zu bekleiden, so in Vorstand und Aufsichtsrat des Krankenhauses St. Josef und des Caritasverbandes Moers/Xanten. Die Verwaltungsaufgaben seien ihm zugewachsen, so der Priester, der solche Aufgaben eigentlich nie hatte übernehmen wollen.
„Ich war Pfarrer und Urlauberseelsorger auf Wangerooge, das hat mir Spaß gemacht. Aber der Bischof sagte, ich müsste eine große Pfarrei übernehmen.“ Nach Moers beworben hat er sich damals nicht: „Ich wollte hier gar nicht hin.“ Er flüchtete an die Küste, kehrte zurück. „Man kann das Organisatorische auch als Seelsorge verstehen. Es geht immer um den Menschen, den man fördern möchte. Auch im Glauben.“
Klein-Heinrich wollte
es wissen
Priester ist Heinrich Bücker seit 1964. Geboren wurde er in Liesborn bei Beckum als Sohn eines Holzschuhmachers. „Eigentlich wollte ich Bildhauer werden“, erzählt er, aber im zarten Alter von zwölf Jahren stand sein Beruf endgültig fest: Pastor. Für den Zwölfjährigen, der in der Landwirtschaft mithelfen musste, ein Traumjob: „Der Pastor musste nicht arbeiten, der ging mit seinem Brevier betend durchs Dorf.“ Ausschlaggebend aber sei die Neugier gewesen: „Ich wollte wissen, was die Leute beichten und was sie sündigen. Ich fragte den Kaplan, und der sagte: Da musst du Pastor werden.“
Gesagt, getan. Aber leicht war es nicht, denn im Haus des Holzschuhmachers war das Geld knapp – und der Pastor war dagegen. „Er sagte, ich sei kein artiges Kind“, erinnert sich Heinrich Bücker. Jedoch setzte sich der junge Heinrich , im Herzen ein Rebell, gegen alle Widerstände durch, arbeitete für seine Ausbildung, studierte in Münster, Innsbruck und Paris, wurde zum Priester geweiht. Anscheinend ein klarer, vorgezeichneter Weg – wäre da nur nicht diese unbezähmbare Neugier gewesen.
„Als Kaplan habe ich auf der Bühne einen Hypnotiseur gesehen.“ Das musste Heinrich Bücker einfach ausprobieren, und siehe da: „Ich konnte das auch. Und hab’ dann seelsorgerische Beratung mit Hypnose angeboten.“ Das ging so lange gut, bis der Bischof Wind davon bekam. Bücker: „Er hat es mir verboten, aber er riet mir: Machen sie doch eine Ausbildung zum Psychotherapeuten.“
Priester und
Psychotherapeut
Gesagt, getan. Mit finanzieller Unterstützung des Bischofs wurde aus dem Priester Heinrich Bücker der Priester und heilkundlich-praktische Psychotherapeut – zwei Berufe, die sich ergänzten. „Ein Mann kam zur Beichte. Er konnte sich mit Worten nicht wehren und schlug dann immer mit einer Brechstange zu.“ Der Beichte folgte die Therapie, und fortan schlug der Mann nicht mehr zu. „Ich begleite die Menschen. Ich will helfen, dass sie in ihrem Leben ein bisschen glücklicher werden. Man kann die Menschen immer beratend begleiten, egal was sie tun.“ Ein offenes Ohr und ein begleitendes Herz, das habe er immer gehabt. Er sieht sich als verstehenden Seelsorger, der Anteil nimmt an Freude und Leid seiner Gemeinde, der gemeinsam mit den Menschen nach dem allumfassenden Sinn sucht.
Büttenpredigt? Hat’s
ja noch nie gegeben
Mit den Moersern hat er längst seinen Frieden geschlossen: „Wer in Moers was ändern will, der kriegt zu hören: Das hat es hier aber noch nie gegeben.“ So wie die Büttenpredigt, ein Markenzeichen des Pastors Bücker. „Da gibt’s in der Kirche was zu lachen“ – das sei den Moersern zuerst sehr suspekt gewesen. Aber sie haben sich dran gewöhnt und werden sie sicherlich schmerzlich vermissen. Außerhalb der Gemeinden, beklagt der 75-Jährige, war die Akzeptanz der Kirche gering: „Ich hatte manchmal das Gefühl, dass man sich als Kirche entschuldigen muss, dass man existiert.“ Das Verhältnis zwischen Kirche und Kommunalpolitik sei dürftig gewesen und hätte für seine Begriffe intensiver sein können: „Kirche spielt hier gesellschaftspolitisch eine bescheidene Rolle.“
Pastor Bücker geht – aber wer folgt ihm nach? In Moers sind zwei Stellen ausgeschrieben, aber bislang habe sich niemand beworben. „Wer hier hinkommt, hat tolle Möglichkeiten“, wirbt Bücker und warnt gleichzeitig: „Wer den ,Hochwürden’ in der Birne hat, der wird hier nicht ankommen. Man muss sich hier seine Lorbeeren verdienen, der Status zählt nicht.“
Nun, seine Lorbeeren hat sich Heinrich Bücker in Moers wahrlich verdient. Nur als emeritierter Priester hier bleiben, das will er nicht: „Ich habe es mir lange überlegt, ob ich hier bleibe. Aber ich halte es für besser, auf Distanz zu gehen und für meinen Nachfolger Platz zu machen.“ Bücker wird nach Recklinghausen ziehen, wo er Freunde hat. In einem schönen Fachwerkhaus wird er wohnen – direkt neben einem geistlichen Zentrum, was sicher kein Zufall ist. „Ich werd’ mich dort zur Verfügung stellen.“
Nun, nach einem echten Ruhestand sieht das nicht aus. Außerdem schreibt Heinrich Bücker an einem Buch, das im nächsten Jahr erscheinen wird. „Helau und Halleluja“ wird das Verhältnis der Kirche zum Humor beleuchten. Und wer Heinrich Bücker kennt, der wird es lesen.