Moers. .

Essen auf Rädern, einmal anders: Der Verein „Klartext für Kinder“ hat am Wochenende seine mobile Kindertafel vorgestellt, ein bundesweit wohl einzigartiges Projekt. Am Donnerstag soll der Bus erstmals rollen – damit auch arme Kinder ein warmes Mittagessen bekommen.

Dieser Samstag war wie gemacht für die gute Sa­che. Weit weg von der mächtigen Aschewolke schickte die Sonne eine freundliche Stimmung in die Moerser City, und am Königlichen Hof, im Herzen der Stadt, staunten Hunderte Neugierige über einen fröhlich-bunten Bus, der früher einmal offensichtlich auf einer Nahverkehrslinie unterwegs war. Der von der NRZ initiierte Verein „Klartext für Kinder – Aktiv gegen Kinderarmut!“ und sein Tafelteam stellten das Projekt „Iss mit!“ vor. Die wohl erste und einzige rollende Kindertafel in der Republik.

Natürlich waren sie alle ge­kommen. Die Landtagskandidaten von ihren Wahlkampfständen, der Moerser Bürgermeister Norbert Ballhaus mit einer sehr interessierten Delegation aus der französischen Partnerstadt Bapaume, Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft. Und selten waren sie sich so einig: Gut, dass Klartext es macht; erschreckend, dass es nötig ist.

Freiwillige Überstunden

Einsatz für die gute Sache: Azubis haben den ehemaligen NIAG-Bus ausgebaut.(Foto: Volker Herold/WAZ FotoPool)
Einsatz für die gute Sache: Azubis haben den ehemaligen NIAG-Bus ausgebaut.(Foto: Volker Herold/WAZ FotoPool)

Wichtiger aber waren andere, das wurde schon durch die Begrüßungsrede von Tafelchefin Heike Marschmann deutlich. Die Liste derer, die sich in den vergangenen sechs Monaten für das Pilotprojekt engagiert haben, schien nicht en­den zu wollen. Kleinspender, Großsponsoren, Schulklassen, Vereine, Handwerksbetriebe, die unmögliche Preise möglich machten. Lehrlinge, die freiwillig Überstunden schoben. „Hinzu kommen die vielen Ehrenamtler, die die neue schöne Hülle mit Inhalt füllen“, sagt Marschmann, die stolz ist auf ihr Team und den Zuspruch, den das Projekt erfährt. „Natürlich ist der Riesenrummel heute eine schöne Belohnung für uns, aber dieses Eröffnungsfest gilt in erster Linie denen, die durch ihren unermüdlichen Einsatz das neue Konzept überhaupt möglich gemacht haben.“

Der Charme der Kindertafel ist typisch für die Projekte des Vereins „Klartext für Kinder“, dessen zweiter Vorsitzender NRZ-Chefredakteur Rüdiger Oppers ist: Es ist die Teilhabe. Jeder trägt sein Stückchen bei. Dass es zum Beispiel Marschmanns 18-jähriger Sohn Karim war, der das Design für den Bus entworfen hat – geschenkt. „Iss mit“ ist echte Handarbeit und damit echt Klartext.

Der Berg kommt zum Propheten

Und so verstehen die Frauen um Marschmann, Yildiz Drewniok und Marion Trummer auch ihre Aufgabe. Lieber machen als reden. Am Donnerstag soll „Iss mit!“ zum ersten Mal rollen. Angefahren werden zwei Standorte für jeweils zwei Stunden. Das Prinzip: nicht auf dem Präsentierteller, aber nah an der Klientel und angedockt an ein Jugendzentrum. „Armut“, er­klärt Klartext-Vorsitzender Reinhard Rosemann, „schafft auch Ausgrenzung und Vereinsamung.“ Kinder und Ju­gendliche, die zum Essen zur Tafel kommen, können so auch eine pädagogische Freizeiteinrichtung kennenlernen. Wenn sie dort nicht ohnehin schon aufgefangen werden.

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Von DerWesten

Der Berg kommt also zum Propheten, das wurde nötig. Der stationäre Standort der Kindertafel im Stadtteil Vinn war für viele alleinerziehende Mütter oder große Schwestern mit kleinen hungrigen Knirpsen nur umständlich zu erreichen. „Eine Mutter“, erzählt Marschmann, „nahm mit vier Kindern 40 Minuten Fußweg auf sich. Irgendwann kam sie nicht mehr.“ Das soll nicht mehr passieren. Auch nicht, wenn die Kindertafel mittelfristig Ziele auch in Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn anfährt. Denn die Ar­beit des Tafelteams besteht auch daraus, ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Familien zu haben.

Am Samstag wurde erst einmal gefeiert. Die Tafel-Köche, von fünf Gastronomiebetrieben in vier Städten, hatten Fingerfood vorbereitet. Wer an der Kindertafel vorbeilief, schaute auch hinein. 24 kleine Essplätze gibt dort, eine maßgeschreinerte Ausgabe für das stets frisch zubereitete Essen, eine Geschirrspülmaschine, ein Kühlschrank. Und es gab Lob. Wie von Ulla Ehrmann aus Neukirchen-Vluyn: „Echt genial.“ Und es gab Fragen. Etwa von der sechsjährigen Ann-Christin, die wissen wollte: „Warum essen die Kinder denn nicht etwas, wenn sie Hunger haben?“ Es sind solche Momente, die nachdenklich machen. Und die motivieren. Für die Zeit nach dem Feiern. Ab jetzt.