Moers. Gemeinhin sind Archiv und Magazin der Stadt Moers nicht zugänglich. Nun hat die Stadtarchivarin Einblicke gewährt. Was Besucher dort entdeckten.
Ahnenforschung, die Liebe zur Moerser Geschichte oder die Sehnsucht, mehr über verstorbene Verwandte zu erfahren, sind die Gründe, warum sich die Menschen am Samstag im Stadtarchiv eingefunden haben. Wahre Schätze machen das Gedächtnis der Stadt aus. Schon im Foyer wird Geschichte, belegt durch historische Fotos, lebendig. Und Stadtarchivarin Daniela Hundrieser-Gillner öffnet Archiv und Magazin, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Karten, Fotos, alte, vergilbte Tageszeitungen und Stammbücher versetzen die Besucher in längst vergangene Zeiten. Schnell bekommen die Gäste eine Vorstellung vom Leben in früheren Jahrhunderten, von der politischen Lage und persönlichen Schicksalen. Auch über die Arbeit einer Archivarin erzählt Daniela Hundrieser-Gillner. Die Digitalisierung schreitet in Deutschland voran - wenn auch bekanntlich langsamer als in anderen Ländern.
Die Digitalisierung der Moerser Dokumente ist nicht so einfach
Das kann Udo van Stiphout nur bestätigen. Der 76-Jährige ist der Einladung des Stadtarchivs gerne gefolgt, weil er seit einigen Jahren Ahnenforschung betreibt. Dank vieler digitalisierter Manuskripte und Unterlagen, die ihm die Niederländer zur Verfügung stellten, hat er den holländischen Zweig seiner Familie bis ins Jahr 1750 zurückverfolgen können. Beim niederrheinischen Teil der Verwandtschaft kam er bisher bis 1850. „Beruflich hatte hatte ich mit dem Thema Ahnenforschung nichts zu tun, ich war in der Chemie tätig“, erzählt der Moerser. „Aber seit zehn Jahren hat mich das Thema gepackt.“
Auch Adalbert Nagel (80) ein aktiver, umtriebiger Bürger mit vielen Kontakten in die Politik, findet es spannend, einen intensiveren Blick in die Moerser Geschichte werfen zu können. Ihn interessiert die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Stadt. „Außerdem habe ich im Zuge meiner Inspektorenlaufbahn damals längere Zeit im Stadtarchiv zu tun gehabt“, sagt er. Für ihn ist der Tag quasi ein Heimspiel.
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Reiner Elsenbruch (84) hat ganz konkrete Fragen, auf die er immer noch keine Antworten bekommen hat. „Mein Haus, in dem ich in Moers gewohnt habe, ist im Jahr 1640 erbaut worden. Da war in früheren Jahrhunderten eine Geigenbauwerkstadt untergebracht, über die ich gerne mehr wissen möchte. Mit meinem verstorbenen Freund Hans Deden, ein Hobby-Archäologe, habe ich auch in Kirchenbüchern geforscht, bin aber nicht weitergekommen“, sagt er. Sein Freund habe großes Wissen über die Stadt gehabt. „Der kannte die Leute unter der Erde aber besser als die über der Erde“, erzählt der 84-Jährige. Den Archivbesuch möchte er nutzen, um vielleicht doch mehr über die Geschichte seines Hauses zu erfahren.
Claudia Wirth-von Zeddelmann ist schon seit ihrer Schulzeit fasziniert von Geschichte. Auch sie betreibt Ahnenforschung und ist bis zum Jahr 1790 über die Familiengeschichte informert. „Ich bin die erste aus meiner Familie, die hier in Moers geboren ist“, erklärt sie stolz. Die Mutter kam aus Sachsen-Anhalt, der Vater aus Sachsen, sagt die 53-Jährige. Sie möchte über ihre Heimatstadt und über die Arbeitsweise einer Archivarin Neues erfahren.
Historische Fotos
Schon die Foto-Ausstellung mit Aufnahmen von Ewald Steiger aus der damaligen Gemeinde Repelen ist spannend. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs haben sie für Samstag, 13. April, im Foyer des Stadtarchivs im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum an der Wilhelm-Schroeder-Straße 10, aufgebaut. Der Inhaber eines früheren Moerser Fotogeschäfts hatte Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Landschafts- und Gebäudeaufnahmen in der Region gemacht.
Zu sehen ist zum Beispiel das imposante Kurhotel „Hotel Jungborn“ nach 1914 und Grafschafterinnen in Tracht aus dem Jahr 1928 vor einem mächtigen Haus. Auch an den Bildern einer „Kahnpartie auf dem Repeler Meer“ kann man sich erfreuen. Die Menschen hatten sich schick gemacht, vornehme Hüte aufgesetzt und traditionell lange Röcke an. Auch Pastor Felke ist zu sehen, wie er genussvoll an der Schneckull den Tag genießt. Es sind Bilder, die ans Herz gehen und viel über die damalige Zeit aussagen.
Das kann sie auch, denn Daniela Hundrieser-Gillner erklärt ihre Arbeit sehr spannend. Zum Beispiel, dass man nicht „mal eben“ neue Dokumente digital einpflegen kann. „Das ist oft hochkomplex und schwierig, denn wir haben ja den Anspruch, alles für die Ewigkeit aufzubewahren“, schildert sie. Auch die Besucher sind interessiert, fragen zum Beispiel nach der Haltbarkeit von Festplatten und halten eine alte Geburtsurkunde der Bürgermeisterei Moers von Dezember 1889 respektvoll und achtsam in den Händen. Diese Urkunden sind mit so akkurater Handschrift ausgefüllt, dass einem schon beim Anblick Respekt abverlangt wird.
Die Archivarin aus dem Moerser Stadtarchiv hilft gerne weiter
Die Gäste erfahren auch, dass sich die Standesämter untereinander austauschen und dass es schwierig ist, viel über uneheliche Kinder zu erfahren. „Denn aus den Urkunden gehen nur dann Informationen hervor, wenn der Mann das Kind anerkannt hat.“ Die Archivarin erzählt nicht nur viel Spannendes über ihre Arbeit, sie ist auch gerne bereit, im Einzelfall weiterzuhelfen. Eine Besucherin möchte zum Beispiel gerne über das Leben ihres Großonkels mehr wissen, der als vermisst gilt, von dem sie aber zumindest weiß, wo er gestorben ist. Das Angebot steht: Sie solle mal mit den Unterlagen vorbeikommen, sagt die Archivarin.
Mit viel mehr Wissen und der Gewissheit, dass Geschichte unglaublich spannend für das eigene Leben sein kann, starten an diesem Samstag die Besucherinnen und Besucher ins Wochenende.