Neukirchen-Vluyn. Eine Neukirchen-Vluynerin versucht, ein aggressives Nutria aus ihrem Garten zu vertreiben. Bei den Behörden fühlt sich erstmal keiner zuständig.

Michelle Dömges staunte nicht schlecht, als sie am Donnerstagmorgen gegen 9 Uhr die Mülltonne reinholte. Ein Nutria saß in der Ecke ihres Vorgartens am Vluyner Südring und war gerade dabei, sich durch den Zaun in ihren Garten hineinzufressen. Als sie versuchte, das geschätzt etwa zehn Kilogramm schwere Tier mit einem Besen vom Grundstück zu vertreiben, reagierte es äußerst aggressiv. „Das Nutria hat gefaucht und versucht, zu beißen“, erzählt Dömges. Auf die Neukirchen-Vluynerin machte das Tier einen kranken Eindruck. „Wahrscheinlich hat es Schmerzen“, vermutet sie. Sie wollte das Nagetier nicht länger im Vorgarten und schon gar nicht im Garten haben, da Kinder und Hunde mit im Haus leben. „Ich habe ihnen verboten, rauszugehen. Das ist viel zu gefährlich, wenn das Nutria so aggressiv ist.“

Sie versuchte sofort, bei verschiedenen Behörden Hilfe zu bekommen. Doch bislang vergeblich. „Keiner fühlte sich zuständig“, sagt sie. Die Polizei komme erst, wenn Menschen oder Haustiere in Gefahr seien, das gleiche gelte für die Feuerwehr. Beim Ordnungsamt der Stadt war die zuständige Person laut Dömges nicht erreichbar. Ein Jäger dürfe das Tier nicht erlegen, da es sich um eine rechtliche Grauzone handelt und der Tierrettungsdienst brauche einen entsprechenden Auftrag der Stadt. Oft komme es bislang in Neukirchen-Vluyn nicht vor, dass Nutrias so weit in besiedelte Gebiete vordringen würden, sagte eine Sprecherin der Stadt auf NRZ-Anfrage.

Keine Behörde sah sich bislang zuständig

Bei der Wildtierhilfe NRW, die in Moers-Kapellen ansässig ist und sich ehrenamtlich um Wildtiere in Not kümmert, ist das Problem der Zuständigkeit bekannt. „Wir nehmen nach vorheriger telefonischer Rücksprache hilfsbedürftige Wildtiere auf, können diese aber leider nicht abholen“, sagt Sandra Swart von der Wildtierhilfe. Außerdem sehe die Gesetzeslage vor, dass Tiere aus der Natur gefährdet, verletzt oder verwaist sein müssen, um aufgenommen zu werden.

Leider sei man in solchen Fällen als Bürger oft allein auf weiter Flur, weil niemand so recht zuständig sein wolle. Swart sieht das Ordnungsamt theoretisch in der Pflicht, da dieses sich auch bei Rattenbefall kümmere. „Und das Nutria ist ein Schädling wie die Ratte.“ Ansonsten könne man noch versuchen, sich an den Nabu oder das Veterinäramt zu wenden oder selbst eine Lebendfalle aufzustellen. Sie kostet etwa 50 Euro und ist dann im Falle des Nutrias mit Früchten zu bestücken. „Die fressen sie besonders gerne“, so Swart. Danach könne das Tier zum Tierarzt gebracht und dort je nach Zustand eingeschläfert oder behandelt und ausgewildert werden.

Nutria ist jetzt im Garten des Nachbarn

Die Wildtierhilfe hat in Kapellen selbst auch spezielle Möglichkeiten zur medizinischen Betreuung, Unterbringung, Pflege und Auswilderung verschiedenster Tiere. Zuletzt wurde sie im Fall des Schwans, der in Neukirchen-Vluyn von Kindern mit Steinen beworfen wurde, aktiv. „Dem Schwan geht es mittlerweile wieder gut, die Wunde sieht gut aus und er ist jetzt weggeflogen“, erzählt Swarts. Eine Woche musste er bei der Wildtierhilfe aufgepäppelt werden, nachdem er beim Tierarzt operiert worden war. Das Tier konnte nicht mehr fliegen, weil es aufgrund einer Verletzung mehrere Tage nichts gegessen hatte.

Zurück zum Nutria: Das fraß sich während Dömges‘ Versuchen, einen Zuständigen zu finden, weiter durch den Zaun. „Den ersetzt mir ja auch keiner, wenn er ganz kaputt ist“, meint Dömges. Am Mittag probierte Dömges es noch einmal mit dem Gartenschlauch, das Wasser vertrieb das Tier dann zwar. „Allerdings ist es jetzt bei den Nachbarn im Vorgarten“, so Dömges. Das sei auch nicht besser, da das Tier ja auch kaum einen Ausweg am viel befahrenen Vluyner Südring habe.