Moers. Hündin Paula und der Moerser Senior Wilhelm Bongard (83) sind tagsüber nicht mehr allein. Ein ungewöhnlicher Online-Aufruf brachte sie zusammen.

Es brach Brigitte Otto fast das Herz. Ihr 83-jähriger Onkel, der allein am Rande der City von Moers lebt, hatte seinen treuen Hund Jack verloren. „Den mussten wir einschläfern lassen“, berichtet Brigitte Otto. Dann verging kein Tag, an dem der Onkel, Wilhelm Bongard, nicht nach einem neuen Hund fragte. Mit Paula hat sich das geändert. Der kleine Mischling, der Dagmar Siemsen gehört, ist nun täglich zu Gast bei Wilhelm Bongard. Denn Frauchen muss arbeiten. Eine Win-Win-Win-Win-Situation, die zur Nachahmung anregen sollte. Finden alle Vier.

Täglich kümmert sich die Nichte, die mit ihrer Familie in Rheurdt wohnt, um den Onkel. „Ich war immer seine Lieblingsnichte“, berichtet sie. „Es tat mir so weh zu sehen, wie sehr er den Hund vermisste.“ Einen neuen Vierbeiner wollte sie nicht mehr anschaffen: „Mein Onkel ist ja alt. Und ich selbst habe schon zwei Hunde.“ Eine andere Lösung musste her.

Moers: Hundebetreuung während der Arbeit – „Unglaubliches Echo“

Nachdem es einige Absagen vom Tierheim und anderen Institutionen gab, kam Brigitte Otto die zündende Idee: „Darauf hätte ich eher kommen können. Wie viele Hunde sitzen tagsüber alleine, weil die Besitzer arbeiten müssen. Und hier sitzt ein Herrchen ohne Hund!“

Im Internet startete die Nichte einen Aufruf: „Suche unbetreuten Hund für älteren Herren, der auch den ganzen Tag alleine ist.“ Allein auf Facebook habe es dann rund 50 Anfragen gegeben. Und auf „betreut.de“ liefen bis heute Nachfragen ein. „Es ist ein unglaubliches Echo.“

Moerser Senior über seinen Tageshund: „Inzwischen hat Paula sich gut eingelebt“

Dann habe sie angefangen, die Liste der Interessenten abzuarbeiten: „Von der ersten Hundebesitzerin habe ich nichts mehr gehört. Aber gleich die zweite war Dagmar Siemsen.“ Diese wohnt in Bergheim und arbeitet in der Zentrale der Awo an der Uerdinger Straße. „Ich dachte, nicht immer reden, wenn es um soziale Projekte geht, sondern machen“, lächelt die Awo-Mitarbeiterin.

Das Tageshund-Konzept ist für sie alle eine Bereicherung: Dagmar Siemsen, von links, mit ihrer Hündin Paula, Wilhelm Bongard und seine Nichte Brigitte Otto.
Das Tageshund-Konzept ist für sie alle eine Bereicherung: Dagmar Siemsen, von links, mit ihrer Hündin Paula, Wilhelm Bongard und seine Nichte Brigitte Otto. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Nach und nach gewöhnten die beiden Frauen das Tier und den Senior aneinander. Wilhelm Bongard meint: „Inzwischen hat Paula sich gut eingelebt.“ Der Hund verbringe den Tag mit ihm. Und wenn morgens und mittags „die Pflege“ komme, mache man stets einen Spaziergang. „Danach halten wir gemeinsam unsere Mittagsruhe.“ Und: „Sie ist eine ganz Liebe und Hübsche“, lobt er. Am Nachmittag hole Frauchen Paula wieder ab.

Pflegehund-Aktion aus Moers soll Nachahmer finden

Wilhelm Bongard wuchs in Menzelen auf einem Bauernhof auf. Seit er denken könne, habe es dort Hunde gegeben, vor allem Schäferhunde. Das kann die Lieblingsnichte bestätigen: „Wir sind oft dort gewesen, und ich habe viel mit den Hunden gespielt.“ Manchmal muss Wilhelm Bongard heutzutage nachdenken, wenn er sich an Dinge erinnern will. Doch bis heute weiß er genau, wie schlimm es für ihn war, als bei Kriegsende die Engländer kamen, sich in dem Hof einquartierten und die Besitzer zu Verwandten vertrieben. „Unsere Hunde konnten wir nicht mitnehmen. Als wir zurückkamen, waren sie verschwunden“, trauert der Tierfreund noch heute.

Wilhelm Bongard wohnte später in Moers, schulte vom Landwirt zum Ingenieur um und arbeitete für eine Foto- und Filmfirma in Mettmann. Heute lebt er zurückgezogen in seiner Wohnung. Alle Beteiligten finden, dass die Sache mit Paula und dem Onkel unbedingt Nachahmer finden sollte. „Es muss viele Menschen geben, die arbeiten und deren Hunde allein zu Hause bleiben“, sagt Brigitte Otto. Da biete sich ein „Tageshund“ doch als ideale Lösung an.