Kamp-Lintfort. Die Kunst von Czaja Braatz führt ein spannendes Doppelleben: Wie die Künstlerin in Kamp-Lintfort aktuellen gesellschaftlichen Debatten begegnet.

Die eng beieinander liegenden weißen Leinensäcke auf dem Podest wirken auf den ersten Blick wie eine ästhetische Rauminstallation in der lichten Orangerie. Auf den zweiten Blick beschleicht manchen Betrachter Beklommenheit, erinnert das Ensemble in seiner Anordnung auch an aneinandergereihte Leichensäcke. Die Assoziation ist durchaus gewollt: „Die Erde lass verzehren ihre Brut“ hat Czaja Braatz ihre Ausstellung in der Orangerie nach einem Zitat aus einem Shakespeare’schen Sonett betitelt. Und bespielt mit ihrer Kunst diesen Raum mit ebensolcher Wucht.

Warum sie ausgerechnet dieses Zitat gewählt hat? „Das ist mein Gefühl im Moment“, sagt die 63-jährige Künstlerin, die in Schwalmtal lebt und arbeitet. „Ich bin genervt. Es gibt einige Dinge in der Welt, von denen man weiß, sie laufen verkehrt, wenn man nichts dagegen macht. Die Welt wird es überleben – wir nicht.“

Details des Werkes „Sinfonie“.
Details des Werkes „Sinfonie“. © Funke Foto Services | Volker Herold

Nadelstiche setzen

Nicht ist also, wie es scheint. Subtil setzt Braatz mit ihrer Kunst Nadelstiche. Ritzt „Narbenschalen“, umwickelt hölzerne Jesus-Kreuz-Figuren mit Gaze und Kleister und verwandelt sie in dornige Wurzeln, bearbeitet alte Fachwerkbalken als Totempfähle und lässt sie von der Decke baumeln. Arbeiten von großer Ästhetik, die ein spannungsreiches Doppelleben führen und sich mit den ewigen Themen der Menschheit auseinandersetzen: Glaube, Liebe, Leben, Tod, Schmerz, Macht und Hoffnung.

Dazu passen die von ihr gewählten Materialien. „Ich arbeite mit dem, was ich finde, ich mag Dinge, die schon mal ein anderes Leben hatten.“ Schalbretter, Rattansessel, Verpackungsmaterialien – „bei manchen Dingen macht es bei mir sofort ,Klick’“, so Braatz. Die verwendeten Materialien werden zu Bedeutungsträgern, lassen vielfältige Gedankenspiele zu.

Czaja Braatz mag Dinge, „die schon mal ein Leben hatten.“
Czaja Braatz mag Dinge, „die schon mal ein Leben hatten.“ © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Kirschblüte oder Blutspritzer?

Und Farbe? „War nie mein Ding, ebenso wie Figürliches.“ Passt also, dass Rot auf zartem Japan-Papier die einzige kontrastreiche Farbigkeit ist, die sie in dieser Ausstellung setzt. Und wieder denkt der eine an Kirschblüten, ein anderer sieht Blutspritzer und wähnt sich im Bühnenbild einer Macbeth-Inszenierung. Rot sei für sie beides – Liebe ebenso wie Tod, sagt Braatz

Die Orangerie bespielt Czaja Braatz bei der zweiten Jahresausstellung der Galerie Schürmann im Kamper Terrassengarten mit Rauminstallationen, Zeichnungen, Malerei, Schalen und Objekten nicht nur erstaunlich vielfältig, sondern verwandelt den Ausstellungsraum im Terrassengarten gleichzeitig in ein Gesamtkunstwerk: Sollte man gesehen haben.

Czaja Braatz - Die Erde lass verzehren ihre Brut. 13. 8. bis 8.10. in der Orangerie im Terrassengarten Kloster Kamp. Geöffnet: fr-sa: 14-17 Uhr, so 11-17 Uhr. Die Vernissage ist am Sonntag, 13. August, 11.30 Uhr. Kunsthistoriker Stefan Skowron gestaltet die Einführung.