Moers. Die Angst vor dem Eingeschlossenwerden und ein Unfall mit schwerem Getriebe: Bergmann Walter Geusken hat viel erlebt. Wovon ihm einmal übel wurde.
„Dieses Gefühl von Kameradschaft, das gibt es nirgendwo anders“, da ist sich der ehemalige Bergmann Walter Geusken sicher: „Jeder ist da unten auf jeden angewiesen.“
31 Jahre lang hat der heute 62-Jährige komplett unter Tage gearbeitet. Erst auf der Schachtanlage Pattberg und nach der Schließung 1993 auf Rossenray. Nach dem Steinkohlegesetz von 2008, ist Walter Geusken dann aus dem Bergbau ausgeschieden. Zum 30. Jahrestag der Schließung der Schachtanlage Pattberg in Moers-Repelen blickt der ehemalige Maschinenhauer (zuständig für die Betreuung, Wartung und Instandhaltung aller Maschinen unter Tage) auf eine bewegte Vergangenheit zurück.
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Eigentlich ein anderer Berufswunsch
Direkt nach seiner dreijährigen Ausbildung zum Betriebsschlosser ging es 1986 auf der Schachtanlage Pattberg ins Bergwerk. Noch heute lebt der gebürtige Duisburger mit seiner Familie in der ehemaligen Zechensiedlung in Repelen.
Bei dem Gedanken daran, wie er an die Arbeit als Bergmann gekommen ist, muss Walter Geusken lachen: „Ich wollte eigentlich zum Radio oder so, aber ich hatte mich um nichts gekümmert. Dann kam meine Mutter und meinte ‚Du hast einen Eignungstest auffe Zeche‘. Sie hat das eingefädelt.“
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Free-Fall-Tower sind nichts gegen die Seilfahrt unter Tage
Zwar hatte der damals 18-Jährige schon einen Monat während seiner Ausbildung unter Tage gearbeitet, aber an seine erste offizielle Schicht auf Pattberg erinnert er sich nur zu gut. „Mir ist richtig schlecht geworden bei der Seilfahrt. Ausgerechnet an dem Morgen hatte ich nicht gefrühstückt.“ Acht Meter habe so ein Förderkorb pro Sekunde zurückgelegt und die ganze Fahrt habe ungefähr eine Minute gedauert, erklärt er und vergleicht den freien Fall bei der Seilfahrt mit einem Free-Fall-Tower eines Freizeitparks: „Diese Tower sind ein Witz dagegen.“
Vor den 885 Metern Gestein über seinem Kopf habe er immer Respekt gehabt, versichert Walter Geusken, aber es sei für ihn trotzdem in erster Linie ein Arbeitsplatz gewesen und „der war nun mal unter der Erde.“ Die Angst davor, unter Tage eingeschlossen zu sein, könne sich nur jemand vorstellen, der selbst unter Tage gearbeitet habe, erklärt er. Als 2010 in Chile bei einem Grubenunglück 33 Bergleute unter Tage eingeschlossen wurden, habe er mit seinen Kumpels um sie gebangt. Zum Schichtwechsel habe man die neusten Nachrichten mit in den Berg gebracht: „Und als es dann hieß, der erste sei draußen – da haben wir alle geheult vor Erleichterung.“
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Unfall mit 3,5 Tonnen schwerem Getriebe
Er selbst ist während seiner Zeit als Bergmann zwei Mal verunfallt, kam aber glücklicherweise unbeschadet davon: „Wir hatten Getriebewechsel und die Hebezeuge hatten sich verspannt. Als sich die Verspannung löste, hat mich das Getriebe – 3,5 Tonnen Gewicht – in das Geländer hinter mir gedrückt.“ Seine Kumpels haben alles sofort liegen gelassen und ihn im Schleifkorb im Schacht über Tage gefahren.
Für die Zukunft wünscht sich der ehemalige Bergmann vor allem eines: Glückauf als täglichen Gruß für alle zu integrieren – auch für nicht Bergleute, denn „es sagt doch eigentlich alles Wichtige aus.“
Am Freitag, 30. Juni 2023, ist der 30. Jahrestag zur Schließung der Schachtanlage Pattberg in Moers-Repelen. Um 11 Uhr treffen sich alle Bergmänner an der frischbepflanzten Bergbaulore auf dem Marktplatz in Repelen. Ihre Familien sind herzlich mit eingeladen. Bei dem Wiedersehen der Kumpels werden die Glocken der St. Martinus Kirche läuten. Als Zeichen dafür, dass die Heilige Barbara, die Schutzheilige der Bergleute, anwesend ist.