Moers. Der renommierte Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge nimmt an einer Fachtagung über Armut und Bildung in Moers teil – Anmeldung möglich.

Ungleichheitsforscher und Sozialwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge nimmt am Moerser Fachtag für Armut und Bildungsungleichheit am 2. Februar teil. Mit Matthias Alfringhaus (NRZ) sprach er vorab über Armut, Reichtum und Wege aus der Ungleichheitsfalle.

Wie misst ein Sozialwissenschaftler Ungleichheit?

Christoph Butterwegge: Er schaut, wie sich Armut und Reichtum in einer Gesellschaft verteilen. Zahlen dazu gibt es etwa beim Statistischen Bundesamt und beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Nach EU-Kriterien waren 2021 rund 13,8 Millionen Menschen in Deutschland armutsbetroffen oder armutsgefährdet, so viele wie nie zuvor. Offenbar dringt die Armut bis zur unteren Mitte der Gesellschaft vor. Dagegen konzentriert sich der Reichtum in Deutschland bei wenigen Personen. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung halten 67,3 Prozent des Nettogesamtvermögens und 45 Familien besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

In zwei Sätzen: Wie lautet Ihr Impuls beim Fachtag in Moers?

Die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl sich die Kluft zwischen arm und Reich vertieft, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächt. Wer jedoch über den Reichtum nicht sprechen will, sollte auch über die Armut schweigen, und wer die Armut wirksam bekämpfen will, muss den Reichtum antasten.

Trägt der Lehrermangel zur Bildungsungleichheit bei?

Ja, denn man braucht mehr Lehrkräfte, um eine individuelle Förderung armer Kinder zu ermöglichen. Es ist ein richtiger Teufelskreis der Ungleichheit: Während sich die Chancen der armen Kinder verschlechtern, verbessern sich die der reichen.

Wie stark hat Corona die Bildungsungleichheit verstärkt?

Viele Menschen haben erstmals gemerkt, dass es Klassen nicht bloß in der Schule, sondern auch in unserer Gesellschaft gibt, die immer mehr auseinanderdriftet. Wegen der sehr unterschiedlichen Lebens- und Lernbedingungen von Kindern aus sozial benachteiligten und privilegierten Familien hat sich die Bildungsungleichheit weiter verschärft, als die Schulen geschlossen waren.

Wie kann Bildungsungleichheit verringert werden?

Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass materielle Ungleichheit zu Wohnungleichheit, gesundheitlicher und Bildungsungleichheit führt. Deshalb wäre eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen nötig, um die Armut zu bekämpfen und mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Darüber hinaus muss der Staat für eine Verbesserung der sozialen, Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur sorgen. Das mehrgliedrige Schulsystem sollte reformiert werden, damit alle Kinder länger gemeinsam lernen können, die ärmeren von ihnen also nicht schon nach den ersten Schuljahren aussortiert und zur Haupt- oder Förderschule abgeschoben werden.

Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und zuletzt gemeinsam mit seiner Frau Carolin Butterwegge das Buch „Kinder der Ungleichheit. Wie sich die Gesellschaft ihrer Zukunft beraubt“ veröffentlicht.

Die Fachtagung „Armut und Bildungsungleichheit – Herausforderungen für Gesellschaft, Schulen und Unterstützungssysteme“ findet am 2. Februar, 9.15 Uhr in Moers ausschließlich online statt. Veranstaltende sind das Evangelische Schulreferat Duisburg/Niederrhein, Evangelische Akademie im Rheinland, Evangelische Kirchengemeinde Moers und Neues EvangelischesForum Kirchenkreis Moers.

Die Zugangsdaten bekommen Interessierte bei der Anmeldung unter schulreferat@kirche-duisburg-niederrhein.de. Informationen gibt es unter 02842 / 92149813. Die Teilnahme ist kostenfrei. Interessierte können auch zeitweise teilnehmen.