Moers. Der Initiativkreis Moers hatte am Dienstagabend einen prominenten Gast: Walter Kohl, den Sohn von Helmut Kohl. Was der Autor über den Krieg sagt.
Es klingt schon erschütternd, wenn ein fast 60-Jähriger erzählt, dass er früher jahrelang zu keinem Kindergeburtstag eingeladen worden ist, weil er ein Sicherheitsproblem war. Oder dass seine Lehrer ihm eine Entführung wünschten, um ihn los zu sein. Oder dass er regelmäßig in der Schultoilette zusammengeschlagen wurde, weil – nun ja, eigentlich nur, weil er der Sohn von Helmut Kohl war. Am Dienstagabend war Walter Kohl der Einladung des Initiativkreises Moers in das Gasthaus zur Linde in Repelen gefolgt.
Etwa zwei Stunden lang plauderte er mit dem Vorsitzenden des Initiativkreises, Guido Lohmann, und stellte sich am Ende den Fragen des Publikums. Ganz klar: Reden kann der Kohl. Und etwas zu sagen hat er auch. Einen großen Teil des Abends nahm erwartungsgemäß der Angriffskrieg Putins mitsamt den Folgen ein. Schon in seiner Begrüßung hatte Guido Lohmann unterstrichen, wie wichtig es ist, dass die Entscheidungsträger in dieser Situation zusammenstehen. „Nicht von Solidarität schwafeln, sondern machen“, forderte Lohmann.
Die Krise trifft die ganze Gesellschaft
„Diese Krise trifft uns alle“, sagte er weiter. In dieser Lage müsse man Dinge ansprechen, die man nicht gern hört, und Dinge tun, die nicht angenehm sind. Deutliche Kritik äußerte Lohmann daran, sich in – wie er sagt – nebensächlichen Diskussionen über Gendern und Zigeunerschnitzel zu verlieren, weil die Gesellschaft dadurch Teile an linke und rechte Ränder verliert.
Dann der Schwenk zum angereisten Gast. Er habe mit großer Sorge den russischen Truppenaufbau verfolgt, habe aber nicht geglaubt, dass Putin so „dumm“ sei, die Ukraine anzugreifen, sagte Kohl. Der Buchautor machte sehr deutlich, warum er diesen Krieg als einen Kampf um „das“ politische System bewertet. Die Ukraine sei nur das Schlachtfeld.
„Unser Problem ist, dass wir glauben, dass die Welt durch unsere Brille funktioniert“, sagte Kohl. Man müsse aber durch die Brille Putins schauen. „Es ist doch ein Meisterstück, dass Alice Weidel und Sahra Wagenknecht ihn gleichermaßen unterstützen“, hob Kohl mit Blick auf Putins Politik der vergangenen Jahre hervor. „Eine echte KGB-Leistung.“ Dass die Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Walter Kohl keine Freunde mehr werden, ist sicher keine Überraschung. Und auch die Kritik an Frank Walter Steinmeier dürften die Anwesenden erwartet haben. Kohl sprach hier von „epochalen Fehleinschätzungen“.
Kohl bezeichnet die Abschaffung der Wehrpflicht als Fehler
Die Abschaffung der Wehrpflicht bezeichnete Walter Kohl als großen Fehler und warf den Blick respektvoll in Richtung der Finnen, die in dieser Krisensituation aus seiner Sicht vieles besser und „im Kopf schneller“ machen als Deutschland. Hier geht es um weit mehr als den Verlust von Wohlstand, unterstrich der Autor. „Es geht um eine Weichenstellung.“ An der Stelle einten sich die Appelle Lohmanns und Kohls. „Jeder ist aufgerufen, Position zu bekennen“, sagte der Gast aus Hessen mit sorgenvollem Blick auf die AfD, der man nicht die „Meinungsmache“ überlassen dürfe.
Kohl: „Wir müssen die nächsten zwölf Monate überstehen und uns dann neu sortieren.“ Es sei kein Zufall gewesen, dass Putin im Februar angegriffen habe – in einer Phase, in der Gesellschaften und Wirtschaft gerade zwei schwierige Corona-Jahre hinter sich gebracht haben.
Zum Abschluss des Dialoges wurde es persönlich und die Anwesenden zollten dem Gast Respekt für dessen Engagement in den Bereichen Depression und Suizid.