Moers. Höhere Leitzinsen: Für Guido Lohmann von der Volksbank Niederrhein kommt der Schritt zu spät. Er hat trotzdem Tipps für Sparerinnen und Sparer.
Vergangene Woche hat die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals seit über zehn Jahren die Leitzinsen erhöht. Wir wirkt sich das auf die Sparerinnen und Sparer aus? Darüber sprachen Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein und Matthias Alfringhaus (NRZ).
Warum hat die EZB die Leitzinsen jetzt erhöht?
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Guido Lohmann: Die EZB hat durch ihre Negativzinspolitik und die nahezu unbegrenzten Staatsanleihenkäufe der letzten Jahre eine schier unfassbare Geldmengenausweitung produziert und dabei die Gefahren einer hieraus resultierenden Inflation ignoriert oder zumindest in Kauf genommen. Durch den drastischen Anstieg der Energiepreise seit Jahresbeginn und die anhaltende Lieferkettenproblematik als Folge der Pandemie und des Ukrainekrieges sind diese Inflationsgefahren nun schlagend geworden. Hinzu kommt, dass die US-Notenbank ihre Leitzinsen bereits vor einiger Zeit deutlich angehoben hat, was zu einer Euro-Abwertung geführt und in der Folge die Inflation noch zusätzlich befeuert hat. Die EZB will mit ihrer Leitzinserhöhung jetzt also die völlig aus dem Ruder gelaufene Inflation eindämmen. Leider kommt dieser Schritt der EZB viel zu spät.
Warum gab es vorher über zehn Jahre keine Erhöhung?
Ich glaube, man wollte vor allem südeuropäischen Ländern helfen, durch niedrige Zinsen ihre riesige Gesamtverschuldung bequem und vor allem ohne einschneidende Reformschritte tragen zu können. Damit ist die EZB in den Augen vieler Beobachter weit über ihr eigentliches Mandat hinausgegangen. Das ging und geht auch derzeit eher in Richtung direkter Staatenfinanzierung. Diese Vorgehensweise der EZB ist falsch und entspricht nicht ihrem Auftrag.
Wir wirkt sich die Erhöhung auf Kundinnen und Kunden aus?
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Wir haben im Vorgriff auf die von uns erwartete EZB-Zinsentscheidung bereits zum 1. Juli unsere Kundinnen und Kunden, die es betroffen hat, darüber informiert, dass wir keine Negativ-Zinsen mehr erheben. Aber das betrifft ohnehin nur einen sehr kleinen Teil unserer Kundinnen und Kunden.
Muss ich jetzt als „normale“ Sparerin oder als „normaler“ Sparer etwas tun?
Nein, ich muss nichts unternehmen. Kein Kunde zahlt mehr bei uns Negativzinsen. Ich nehme an, dass fast alle Banken spätestens jetzt in ähnlicher Weise wie wir vorgehen werden.
Was kann ich denn als „normale“ Sparerin oder als „normaler“ Sparer jetzt tun?
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Zunächst einmal ist es so, dass Inflation immer vor allem die „normalen“ Sparerinnen und Sparer bestraft oder, deutlicher formuliert, enteignet. Der Realzins, also die Differenz aus Inflation und Rendite meiner Geldanlage, ist derzeit leider drastisch negativ. Wer kann, sollte trotzdem weiter monatlich einen festen Betrag zurücklegen, einfach um für spätere Zeiten vorzusorgen. Es gilt, eine Durststrecke zu überwinden. Angesichts der aktuellen Zusatzbelastungen aus der Inflation wird das für viele Haushalte in den nächsten Jahren jedoch leider eine sehr große Herausforderung sein.
Werden Aktien durch die Erhöhung der Leitzinsen weniger attraktiv?
Die Börsen haben tendenziell Verluste erlitten. Je nach dem wie stark unsere Wirtschaft in den nächsten Monaten noch belastet wird, kann es vorübergehend auch zu weiteren Einbrüchen kommen. Wer zum Beispiel monatlich in Aktienfonds spart, sollte jetzt aber erst recht durchhalten und weiter sparen, um so von den niedrigeren Einstandskursen sogar zu profitieren. Langfristig werden sich die Kurse wieder erholen. Angesichts gestiegener Bauzinsen erlebt übrigens das oft ein wenig als verstaubt angesehene Bausparen jetzt eine Wiederbelebung als Alternative zu anderen Sparformen.
Wie entwickelt sich der Leitzins weiter?
Ich glaube schon, dass wir eine weitere Steigerung sehen, aber sie wird nicht exorbitant sein. Dafür sind die Gefahren einer Rezession einfach zu groß. Hinzu kommen aber neue Unsicherheiten, wie etwa die besorgniserregende Situation in Italien. Kommt hier ein extremes Rechtsbündnis zustande, was ich persönlich nach dem Rücktritt von Regierungschef Draghi leider für möglich halte, wird sich das auch auf die europäischen Finanzmärkte und auf den Zusammenhalt in der EU sehr negativ auswirken.