Kamp-Lintfort. Die Europaschule setzt nach Corona-Pause wieder verstärkt auf Verkehrserziehung. Auch, weil die zuhause oft vernachlässigt wird, sagt ein Experte.

Für das offizielle Foto sitzen die neuen Fahrradhelme perfekt auf den Kinderköpfen. Den Schüleralltag bildet das Bild allerdings nicht ab: Normalerweise trage er keinen Fahrradhelm, gesteht der elfjährige Ignjat: „Ich mag das nicht so.“ Auch solche gerade in diesem Alter festgefahrenen Verhaltensweisen sind mit ein Grund dafür, warum die Europaschule nach zwei Jahren Corona-Pause nun die Verkehrserziehung wieder verstärkt in den Mittelpunkt rücken will. Da kommt die Zusammenarbeit mit der Kreispolizei und der Kreisverkehrswacht gerade recht: Seit Mittwoch ist die Sekundarschule an der Sudermannstraße nun ganz offiziell Stützpunktschule für Fahrradschulungen.

Das Üben ist wichtig – gerade für Fünft- und Sechstklässler.
Das Üben ist wichtig – gerade für Fünft- und Sechstklässler. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Etwa ein Drittel der knapp 600 Europa-Schülerinnen und -Schüler kommt täglich mit dem Fahrrad. „Aber wir haben jede Menge Kinder, die nicht wissen, wie man sich richtig im Straßenverkehr verhält, das Üben ist da ein wichtiger Faktor“, sagt Schulleiter Bernd Benninghoff.

Besonders gefährdet

Dazu käme, dass sich die meisten Fahrradunfälle bei Kindern im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren ereigneten, zitiert Janine van Geldern, Verkehrssicherheitsberaterin bei der Kreispolizei Wesel, die Statistik. Zwar würden Kinder in der Regel in der letzten Grundschulklasse den „Fahrradführerschein“ machen, aber seien bis dahin noch eher von den Eltern behütet. Wenn es dann zur weiterführenden Schule geht, fahren die Kinder den Schulweg alleine.

Frank Schulten ist Geschäftsführer der Verkehrswacht Kreis Wesel. Er beobachtet, dass die Eltern sich nach der Grundschule „ein Stück weit aus der Verantwortung verabschieden“: „Verkehrserziehung hat im Elternhaus keine Priorität mehr.“

Konzentrationsfähigkeit geht zurück

Und noch einen Unterschied macht er aus: Früher hätten Kinder beim Mitfahren im Auto „nach vorne geschaut“ und damit auch den Verkehr und die Teilnahme am Verkehr beobachtet. Heute werde stattdessen auf den Laptop oder ins Handy geschaut. „Man muss sich im Straßenverkehr konzentrieren, diese Fähigkeit geht – auch durch mediale Ablenkungen – deutlich zurück“, bestätigt Benninghoff die Beobachtung.

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Damit Verkehrserziehung weiter Thema im Schulalltag bleibt, hat die Kreisverkehrswacht der neuen Stützpunktschule nun zehn neue Fahrräder samt Helmen und Schutzwesten sowie Verkehrsschilder spendiert. Auf die Ausstattung sollen künftig nicht nur Schülerinnen und Schüler der Europaschule zurückgreifen können, sondern auch andere benachbarte Schulen.

Kinder wollen keinen Helm tragen

Für Janine van Geldern ist das Fahrradtraining für die fünften und sechsten Klassen nicht nur eine Auffrischung der Fahrradprüfung. „Hier geht es auch noch einmal um die Verkehrsregeln oder um das Lesen der Verkehrszeichen. Wie biege ich richtig ab, wie geht der Schulterblick und was bedeutet eigentlich rechts vor links?“

Lehrerin Claudia Biro ist an der Europaschule aktuell zuständig für die Fahrradschulungen. Sie weiß auch, dass Aufklärung von Nöten ist. „Was immer wieder auffällt, ist der Sicherheitsaspekt mit den Helmen. Die meisten Kinder sträuben sich, einen aufzusetzen.“ Landrat Ingo Brohl, bei dem das Thema als Chef der Kreispolizeibehörde hohe Priorität genießt, versucht es an diesem Tag mit einer lockeren, aber klaren Ansprache. Vielleicht empfindet ja auch Alexandra (11) am Ende des Tages ihren Helm nicht mehr nur als „unangenehm“...