Moers. Der Sohn einer Verstorbenen streitet mit der Enni um eine Umbettung auf einem Friedhof in Moers. Beide Seiten haben Rechtsanwälte eingeschaltet.

Der Sohn einer verstorbenen Moerserin erhebt schwere Vorwürfe gegen die Enni Stadt & Service. Er beklagt, dass der Leichnam seiner Mutter auf dem Kapellener Friedhof ohne sein Wissen und unrechtmäßig exhumiert und umgebettet worden sei. Beide Seiten haben inzwischen Rechtsanwälte eingeschaltet, der Sohn hat Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht.

Wie Michael R. (Name von der Redaktion geändert) berichtet, besteht der Hintergrund der Auseinandersetzung in einem Zerwürfnis zwischen ihm und seinem Bruder auf der einen Seite und dem Vater, beziehungsweise Ehemann der Verstorbenen auf der anderen. Es sei bald nach dem Tod der Mutter im Jahr 2016 entstanden. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe er die Enni als Moerser Friedhofsverwaltung gebeten, ihn für den Fall zu benachrichtigen, dass Änderungen an dem Grab vorgenommen werden sollten. Ein entsprechender Vermerk in einem Auszug der Grabakte, der der Redaktion vorliegt, bestätigt dies.

Sohn erst nach der Umbettung informiert

Etwa sechs Jahre später, gegen Ende 2021, so schreibt Michael R. weiter, sei seine Mutter auf Antrag des Ehemanns aus ihrem Grab in das Grab ihrer Eltern auf demselben Friedhof umgebettet worden. Die Enni-Mitarbeiterin habe ihn erst danach über den Vorgang informiert. Ihr wirft R. vor, den Aktenvermerk ignoriert zu haben, obwohl auch er und sein Bruder totenfürsorgeberechtigt seien. Sein Antrag auf Rückbettung des Leichnams lehnte die Friedhofsverwaltung ab und verwies auf eine schriftliche Einverständniserklärung der Verstorbenen zur Umbettung in das Grab ihrer Eltern. Dieses Schriftstück, so unterstellt R., sei „plötzlich aufgetaucht“, „vermutlich nachträglich erstellt“ und „unecht“. Er hat deshalb Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gestellt.

Der Friedhof in Kapellen ist einer von zehn Friedhöfen in Moers.
Der Friedhof in Kapellen ist einer von zehn Friedhöfen in Moers. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die Enni-Mitarbeiterin habe ihm im Ablehnungsbescheid im Übrigen zu bedenken gegeben, dass durch die Rückbettung die Totenruhe der Mutter erneut gestört würde. „Seitens der Enni wurde die Würde meiner Mutter mit Füßen getreten und anschließend erhebt man sich zu dieser moralischen Aussage“, kommentiert Michael R.

Bestattungsgesetz und Friedhofsatzung

Lutz Hormes ist bei der Enni Stadt & Service, der 2010 die Verwaltung der zehn Moerser Friedhöfe übertragen worden ist, das zuständige Vorstandsmitglied. Hormes verweist auf das laufende Gerichtsverfahren und will sich deshalb zum konkreten Fall und den Vorwürfen von Michael K. nicht äußern.

Allgemein erklärt er, handle man auf der Basis des NRW-Bestattungsgesetzes und der vom Moerser Rat verabschiedeten Friedhofsatzung. Die Totenruhe habe dort einen „herausgehobenen Rang“. Die Messlatte für Ausgrabungen zur Überführung von Verstorbenen auf andere Friedhöfe und Umbettungen innerhalb eines Friedhofes sei deshalb sehr hoch, was Gerichte immer wieder bestätigt hätten, so Hormes.

Mutmaßlicher Wille muss glaubhaft nachgewiesen werden

Voraussetzung sei stets, dass der Verstorbene zu Lebzeiten sein Einverständnis zu einer Ausgrabung oder Umbettung gegeben hat und dies schriftlich dokumentiert ist oder wenn dessen mutmaßlicher Wille glaubhaft nachgewiesen werden kann. Nachweisen müssen dies in jedem Fall diejenigen, die das Recht zur Totenfürsorge haben, also in der Regel Familienmitglieder.

Das Sagen habe aber immer zuerst der überlebende Ehepartner, erläutert Hormes. Heißt: Ist eine Umbettung juristisch möglich, muss Enni seinem Antrag stattgeben, „auch wenn sich die Familienmitglieder nicht einig sind.“

Die Totenruhe genießt einen besonders hohen Stellenwert

Wie hoch der Stellenwert der Totenruhe ist, macht Lutz Hormes am Beispiel einer Ehefrau deutlich, die Jahre nach dem Tod ihres Mannes und dessen Bestattung auf einem Moerser Friedhof zu ihren Kindern in eine andere Stadt zieht. Äußert sie den Wunsch, den Ehepartner zu exhumieren und auf einen Friedhof am neuen Wohnort zu überführen, „dann müssten wir ihren Antrag auf eine Ausgrabung ablehnen – wegen der Totenruhe, die nicht zu stören ist“, erklärt Hormes.

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Umbettungen sind übrigens sehr selten. Nach Angaben von Lutz Hormes hat es in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt jeweils vier Umbettungen auf Moerser Friedhöfen und drei Ausgrabungen gegeben – bei jährlich 1060 Bestattungen.

>>> Verbraucherinitiative Bestattungskultur: „ein Unikum“ <<<

Die Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas e.V. mit Sitz in Königswinter kennt den Fall von Michael R. Ihr Vorsitzender, der Rechtsanwalt Christoph Keldenich, zeigt Verständnis für den Moerser.

Zwar sei der überlebende Ehepartner tatsächlich vorrangig, wenn es darum gehe, eine Umbettung zu beantragen, so Keldenich. Es sei aber nachvollziehbar, dass R. frage, welcher „gewichtige Grund“ dargelegt worden sein soll, um – bei dem bekannt hohen Stellenwert der Totenruhe – einen solch gewichtigen Schritt sechs Jahre nach der Bestattung zu genehmigen. Wenn in der Akte vermerkt sei, dass der Sohn bei Änderungen am Grab unterrichtet werden soll, „dann hätte man die Angehörigen, die ebenfalls ein Totenfürsorgerecht haben, anhören sollen“, erklärt Keldenich.

Nach seiner Kenntnis sei der Vorgang in Moers durchaus „ein Unikum“.