Kleve/Moers. Obwohl die Staatsanwältin nicht mehr glaubte, dem Angeklagten eine Schuld nachweisen zu können, wird ein Moerser wegen Vergewaltigung verurteilt.
Der Zeuge berichtete, seine Bekannte habe neben der Spur gestanden, als er sie nachts von einer Karnevalsfeier abholte und in seinem Wagen nach Hause brachte. Sie sei kaum ansprechbar gewesen, habe geweint, und sie habe gesagt, dass sie vergewaltigt worden sei. Und, so erinnerte sich der Zeuge am Donnerstag am Landgericht Kleve, ihr Eisbärenkostüm sei an den Knien verdreckt gewesen.
Was aber geschah wirklich an diesem Sonntag vor zwei Jahren vor einer Gaststätte in Wachtendonk am Rande einer Karnevalsfeier zwischen dem heute 36 Jahre alten Straßenbauer aus Moers und der heute 24 Jahre alten Frau, die vorher schon einmal Sex hatten und dann, als sie sich auf dieser Party wieder begegneten, kurz nach draußen gingen, angeblich, so der Mann, „um zu reden“? Das Landgericht wertete die Geschehnisse nach einer eintägigen Verhandlung, in deren Verlauf sieben Zeugen gehört wurden, als Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung. Dafür verurteilte die 2. große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Gerhard van Gemmeren den Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
Urteil kommt für Prozessbeobachter überraschend
Der Verurteilte nahm den Schuldspruch fassungslos zur Kenntnis: „Da wird eine Familie zerstört!“ In der Tat kam das Urteil für Prozessbeobachter überraschend, denn angesichts teilweise widersprüchlicher Aussagen war selbst die Staatsanwältin zu der Ansicht gelangt, dass bei den zwei angeklagten Delikten eine Schuld nicht nachgewiesen werden könne. Im Zweifel für den Angeklagten, so die Strafverfolgerin. Dem schloss sich Wolfram Hemkens, der Verteidiger des Mannes, an. Ein Freispruch schien also mehr als wahrscheinlich, als sich das Gericht für eine Stunde zur Urteilsberatung zurückzog.
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Doch von einer Verurteilung sah die Kammer nur im ersten der beiden angeklagten Fälle ab. Auch da hatte es zuvor einvernehmlichen Sex mit einer anderen Frau gegeben, begleitet von einer Kaskade süßlicher Kurzmitteilungen („megageil“) und wohl auch vom Versand von Bildern mit anatomischen Details. Als der Mann sich mit der Frau, zum Tatzeitpunkt vor zweieinhalb Jahren 16 Jahre alt, zu einer Aussprache traf, habe es einen sexuellen Übergriff gegeben, hieß es in der Anklage. Doch die Frau selbst wich vor Gericht von ihrem ursprünglichen Schilderungen erheblich ab, sodass dieser Fall sich erledigt hatte.
Opfer als Zeugin vor Gericht: „Ich hatte einfach nur Angst vor ihm.“
Anders verhielt es sich jedoch mit dem Geschehen am Rande der Karnevalsfeier. Die junge Frau zitterte merklich, als sie als Zeugin berichtete, wie sie die nächtliche Begegnung erlebt hatte. Der Mann habe sie gegen eine Wand gedrückt, angefangen ihr Kostüm zu öffnen, ihr in den Hals gebissen und dann gesagt: „Runter mit dir!“ Es kam ihren Angaben zufolge zu einem wenige Sekunden dauernden Oralverkehr, danach habe er noch mit seiner Hand versucht, sie zu penetrieren. Zudem fertigte er mit seinem Handy einige Fotos der entblößten Frau an. „Ich hatte einfach nur Angst vor ihm“, sagte die Frau.
In einer Erklärung, die der Angeklagte über seinen Rechtsanwalt verlesen ließ, räumte er die Begegnung durchaus ein, allerdings sei die Initiative von der Frau ausgegangen. Der Biss in den Hals und die weitere aggressive Vorgehensweise erklärte er damit, dass er dies von der früheren Begegnung so gekannt habe. „Sie hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, als wollte sie das nicht“, sagte er in seiner Einlassung. Erst als er gemerkt habe, dass er gerade dabei war, seine Freundin zu betrügen, habe er die Frau weggestoßen, und dabei sei sie zu Boden gegangen. „Ich habe noch niemals in meinem Leben etwas gegen den Willen einer Frau gemacht“, so seine abschließende Erklärung.
Angeklagter hat langes Vorstrafenregister, die meisten wegen Gewaltdelikten
Dem aber mochte das Gericht nicht folgen, im wesentlichen wegen der Aussagen der Frau und des Bekannten. Für den Straßenbauer kam für das Strafmaß erschwerend hinzu, dass es eine lange Liste von Vorstrafen gibt, die meisten davon wegen diverser Gewaltdelikte. Zweimal verbüßte er bereits Haftstrafen, einmal fünf Jahre und einmal zehn Monate.
Vor Gericht gab er sich jedoch geläutert und berichtete, dass er in einer festen Beziehung lebe und Vater einer fünf Monate alten Tochter sei. „Ich habe eine Familie gegründet“, sagte er, „ein zweites Kind ist in Planung.“ Der Schuldspruch dürfte dazu führen, dass diese Planungen erst einmal zurückgestellt werden müssen. Allerdings kündigte Anwalt Hemkens schon im Gerichtssaal an, für seinen Mandanten Revision einzulegen.