Neukirchen-Vluyn. Farid Hassani kam vor sechs Jahren mit seiner Familie nach Neukirchen-Vluyn. Nun gibt er die Hilfe weiter, die sie selbst erfahren haben.

Eine Heimat bildet sich im eigenen Herzen. Manchmal braucht man dafür Unterstützung – Menschen, die helfen anzukommen, Fuß zu fassen und die Stricke der Vergangenheit abzustreifen. Dann bildet sich irgendwann das Gefühl, dass man richtig ist, dass man dorthin gehört. Dann werden aus Fremden Freunde und aus einem einfachen, neuen Standort wird eine neue Heimat.

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So wie bei Farid Hassani aus Neukirchen-Vluyn. Vor mehr als sechs Jahren kam er mit seiner Frau Elham Shakib und den gemeinsamen Kindern Sara und Taha nach Deutschland. Über Recklinghausen und Borgentreich kamen sie zu Beginn des Jahres 2016 nach Neukirchen-Vluyn. Mit Unterstützung der „Direkten Flüchtlingshilfe Neukirchen-Vluyn“ bauen sie sich hier ein neues Leben auf. Und diese Hilfe möchte Farid Hassani nun weitergeben. Seit etwa vier Monaten ist er Vorstandsmitglied der Flüchtlingshilfe Neukirchen-Vluyn. „Ich weiß, wie schwierig der Weg ist“, sagt Hassani.

Über ihr Leben als afghanische Geflüchtete im Iran oder die traumatische Flucht nach Deutschland möchten sie nicht sprechen. Aber allein die Tatsache, dass Menschen aus Afghanistan im Iran unter oftmals prekären Verhältnissen leben, keine Krankenversicherung oder Zugang zum Bildungssystem haben, nicht arbeiten dürfen und in ständiger Angst leben, wieder abgeschoben zu werden, zeigt ein Lebensumfeld, das nicht zur Heimat taugt. Über die Mittelmeerroute flüchten sie nach Europa, und mit nichts außer der Kleidung, die sie tragen, kommen sie in Deutschland an.

„Es war die Stunde Null für uns“, sagt Elham Shakib. In dieser „Stunde Null“ erweist sich die Flüchtlingshilfe Neukirchen-Vluyn als erster Anker. Sie heißt sie willkommen und hilft der Familie unter anderem, die wichtigen Dokumente zu beschaffen, die sie auf ihrer Flucht zurücklassen mussten: Pässe, Geburts- und Heiratsurkunden. Mentor Eberhard Lux lotst sie durch das komplizierte Asylverfahren und hilft ihr bei Integrations- und Sprachkursen bis zur benötigten Aufenthaltserlaubnis.

Das Kinderhaus ist eine der Initiativen der Flüchtlingshilfe in Neukirchen-Vuyn.
Das Kinderhaus ist eine der Initiativen der Flüchtlingshilfe in Neukirchen-Vuyn. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Über die Organisation Fachwerk absolviert der gelernte Schweißer Farid Hassani zunächst ein Praktikum und kann sich mit Unterstützung eines weiteren Flüchtlingshelfers anschließend erfolgreich auf eine Stelle als Monteur und Lagerist bewerben. So erwächst aus der Stunde Null der erste Schritt in ein eigenständiges Leben. 2017 kann die Familie ihre eigene Wohnung beziehen.

Parallel zu den Integrationsmaßnahmen engagieren sich Elham Shakib und Farid Hassani schnell in der Flüchtlingshilfe in Neukirchen-Vluyn, zum Beispiel in der Kleiderkammer. Daneben hilft sie als Dolmetscherin und Kassenprüferin aus, während er als handwerkliches Allroundtalent überall gefragt ist. So ist er eine der treibenden Kräfte in der ehrenamtlichen Fahrradwerkstatt oder baut mit zwei weiteren Geflüchteten einen alten Bauwagen zu einem Kinderhaus um. „Wir möchten etwas zurückgeben“, sagt Farid Hassani.

Als sein Mentor Eberhard Lux aus Altersgründen den Vorstand der Flüchtlingshilfe verlässt, stellt sich Hassani zur Wahl. Das Votum: einstimmig! Als erster einst Geflüchteter wird er Teil des Vorstands der Flüchtlingshilfe und weiß damit als einziger in diesem Gremium, wie sich die Flucht anfühlt. Und das Ankommen.

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Direkte Flüchtlingshilfe Neukirchen-Vluy
n“ hat sich zur Aufgabe gemacht, „ankommenden Flüchtlingen in der schweren Zeit nach ihrer beschwerlichen und größtenteils traumatisierten Flucht zu helfen und beizustehen“.

Zu den schnellen und unbürokratischen Hilfen gehört die Begleitung bei Behördengängen, Arztbesuchen und Einschulungsuntersuchungen sowie in allen anderen alltäglichen Bereichen. Mehr Informationen gibt es unter www.nvhilft.de.