Moers. Burnout: Andrea Frenkel engagiert sich ehrenamtlich als „Peerberaterin“. Sie selbst hat lange gebraucht, um sich ihre Situation einzugestehen.
Andrea Frenkel (48) brauchte drei Jahre, bis sie sich eingestand, ernsthaft seelisch krank zu sein und professionelle Hilfe zu brauchen. Angstzustände, Zittern, Schlaflosigkeit; später wollte sie vor Erschöpfung nur noch im Bett bleiben. Zuhause im Flur sei dann eines Tages umgefallen, sagt sie. Burn out nenne man das heute gern. „Es hat aber viel mit Depression zu tun“, weiß sie. Heute will sie anderen helfen, aus diesem tiefen Tal herauszukommen. Andrea Frenkel engagiert sich ehrenamtlich als „Peerberaterin“, als selbst Betroffene, in Gesprächen auf Augenhöhe. Dies tut sie bei der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung Kreis Wesel“.
Wenn jemand zu ihr komme und sich kaum traue, sein Leiden zu schildern, sage sie aufmunternd: „Glückwunsch, Sie haben es immerhin durch diese Tür geschafft“. Etwas, wofür sie selbst drei Jahre gebraucht habe. Denn sie habe lange Zeit nach körperlichen Ursachen für ihre Krankheit gesucht. „Nur, dass ich durch meine selbst verursachte Überforderung an Burn out und einer Depression litt, wollte ich nicht wahrhaben. Ich war doch stark, wollte keine Schwäche zeigen.“
Die Beraterin spricht von Überforderung
Als ihr Mann mit Trennung drohte, sei sie schließlich sechs Monate in eine Fachklinik gegangen. „Da endlich kam mir die Erkenntnis, an einer Depression zu leiden und Hilfe zu benötigen.“ Ihr Perfektionismus habe sie dorthin getrieben. „Ich habe das Büro für meinen selbstständig arbeitenden Mann geleitet und mich dabei immer mehr überfordert.“ Zeitweise habe sie versucht, mit vier Stunden Schlaf auszukommen, um ihrem eigenen Leistungsdruck zu genügen.
Heute lebe sie gut mit der Krankheit, sei wieder aktiv und munter: „Depressionen und Burn out sind gut behandelbar“, unterstreicht Andrea Frenkel. Dass das Krankheitsbild mit Depression oder zumindest mit einer depressiven Phase zu tun habe, werde von der Gesellschaft jedoch kaum akzeptiert. „Da heißt es immer, reiß dich zusammen, oder du hast es doch so gut“, schildert Frenkel. Genauso unverstanden wie sie fühlten sich die Hilfe Suchenden, die zu ihr kämen.
Die Arbeitsbelastung war hoch
„Oft reden diese Menschen von einer hohen Arbeitsbelastung und Burn out“, weiß auch Sandra Böhnke, Fachkraft des Paritätischen in der Beratungsstelle Moers. „Wir verstehen uns hier als Lotsen, die dem Kranken, den Behinderten oder den Angehörigen viele praktische Hilfen geben. Dabei geht es beispielsweise um Renten, Krankengeld, Reha-Anträge und ähnliches“, schildert sie. Man vermittele zudem an Selbsthilfegruppen, Kliniken und andere wichtige Stellen. Und: Seit Gründung der Beratungsstelle im Jahr 2018 steigen die Zahlen der Ratsuchenden ständig. Bereits bis August diesen Jahres gab es mit 440 Hilfesuchenden mehr Nachfrage als im ganzen Jahr 2020.
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Andrea Frenkel blickt zurück: „Ich selbst war durch meinen Mann, der mir tatkräftig zur Seite stand, auch wirtschaftlich abgesichert. Besonders schlimm ist es aber, wenn zu dem gesundheitlichen Leidensdruck noch die Sorge kommt, wie es finanziell weitergeht.“ Sie weiß heute: „Mir selbst ist dadurch, dass ich mir meine Krankheit so spät eingestand, vieles an Hilfen durch die Lappen gegangen.“ Dies wolle sie anderen Betroffenen mit ihrem Engagement ersparen.
<< Info und Kontakt >>
Andrea Frenkel hat 2014 eine Weiterbildung zur Sozial Media Managerin absolviert. Neben der abgeschlossenen Qualifikation zur Peerberaterin durchläuft Andrea Frenkel derzeit noch bei der Caritas eine Fortbildung zur Genesungsberaterin. Daneben begleitet sie Menschen im Hospiz. Die Teilhabeberatung im Kreis Wesel wird getragen vom Paritätischen und dem Caritas-Verband. Beratung gibt es in Moers am Hanns-Albeck-Platz 2 (02841/90 00 31 oder -32) sowie in Wesel an der Viktoriastraße 10 (0281/ 16 43 58 86).