Am Niederrhein. Am Niederrhein ist eine Familie von gravierenden Corona-Langzeitfolgen betroffen. Der Paritätische in Moers gründet eine Selbsthilfegruppe.
Anja (41, Name von der Redaktion geändert) fühlte sich immer stark, vital und fit. Bis sie im März 2020 an Covid 19 erkrankte. Seither ist nichts mehr, wie es war. Auch ihre Eltern und ihr kleiner Sohn infizierten sich und wurden teils schwer krank. „Bis heute haben wir Symptome, und bis heute kann uns niemand helfen“, schildert sie die Situation. Hilfe auf ihrem schweren Weg aus der tückischen Krankheit erhofft sie sich jetzt von einer Long-Covid-Selbsthilfegruppe, die die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen in Moers derzeit gründet.
„Nein, das ist bei weitem nicht nur eine Grippe“, unterstreicht die Betroffene, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte. Corona ist neben allem körperlichen Elend obendrein noch mit gesellschaftlichen Vorurteilen behaftet. Anja will trotzdem stellvertretend beschreiben, wie diese Krankheit sein kann. Ihr Vater habe sich damals im Verein angesteckt. Er sei so schwer erkrankt, dass er in der Klinik Nahtoderfahrungen durchlebt habe. Auch die Mutter und sie selbst als Tochter hätten sich infiziert. „Mein Vater macht sich heute schwere Vorwürfe, obwohl er doch gar nichts dafür konnte“, sagt Anja.
Zwei der Symptome: Totale Erschöpfung und Fieber
Ein Problem mit der Lunge habe sie nie gehabt, berichtet sie weiter: „Ich hatte aber von Anfang an so schlimmes Erbrechen und so schweren Durchfall, dass ich nicht einmal Wasser in mir behielt.“ Totale Erschöpfung und Fieber seien hinzugekommen. „Ärzte und Personal in der Klinik wollten mich nicht anfassen, das Essen wurde mir an der Tür gereicht, ich sollte Sauerstoff bekommen, obwohl ich keinen brauchte.“ Man sei mit diesen ersten Covid-Kranken sichtlich überfordert gewesen. Nach ein paar Tagen habe man sie schlicht entlassen.
Der Vater habe da schon länger in der Klinik gelegen, und auch die Mutter sei ins Krankenhaus gekommen. „Es ging uns so schlecht, dass ich zwei Wochen lang fürchtete, mein Vater, meine Mutter und ich würden sterben“, schildert die Covid-Patientin ihre Verzweiflung. „Da hätte ich meinen Sohn und den Mann zurückgelassen.“ Wieder zuhause, sei alles immer schlimmer geworden. „Herzrasen und Husten kamen hinzu, ebenso ein juckender Hautausschlag am ganzen Körper. Meine Mutter hatte beim Husten schwarzen Auswurf.“
Vater, Mutter und Tochter haben viel Gewicht verloren
Sieben Wochen lang sei das so gegangen, bis sich die Genesung abzeichnete, berichtet Anja weiter. „Mein Vater überstand die Krankheit wie durch ein Wunder, aber er ist nicht mehr derselbe, hat keine Kraft mehr, ist sehr reizbar.“ Er habe in drei Wochen zehn Kilo verloren, die Mutter ebenfalls, sie selbst habe sechs Kilo abgenommen. „Wir sahen furchtbar aus.“
„Noch lange nach der akuten Phase hatte ich schlimmen Husten.“ Dann kam der extreme Haarausfall dazu, selbst die Wimpern fielen aus. Es kamen Geruch- und Geschmacksstörungen, Schlafstörungen sowie Lähmungserscheinungen der linken Gesichtshälfte hinzu. Hände und Füße schliefen plötzlich ein. „Eines Tages stand ich unter der Dusche und die Nase fing stark an zu bluten. Das passierte dann öfters.“ Dann sei sie längere Zeit von schwersten Kopfschmerzen und einem Stechen in den Augen gepeinigt worden.
„Es fühlte sich an, als würde das Virus durch den ganzen Körper rollen“
„Ich dachte über ein Jahr lang, wann wird das aufhören? Es fühlte sich an, als würde das Virus durch den ganzen Körper rollen.“ Ihre Mutter habe bis heute schwere Gelenkschmerzen, wenn sie gesessen oder gelegen habe. Nachdem sich obendrein der kleine Sohn im März 2021 in der Kita mit dem Virus infiziert habe, schwitze er nachts stark und habe Neurodermitis bekommen. Sie selbst gehe wieder arbeiten, habe aber noch ständig unerklärliche, schmerzhafte „Nadelstiche“ in irgendwelchen Körperteilen und leide hin und wieder noch an schwerer Erschöpfung.
Und immer noch werde sie von den Ärzten vertröstet, sie müsse Geduld haben. „Sie wissen halt nicht, was sie tun sollen.“ Hinzu komme die Angst, die Krankheit könne chronisch werden. In der Zeitung habe sie dann von der Gründung einer Long-Covid-Gruppe durch die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Kreises Wesel gehört. „Es gab jetzt in Moers ein erstes Treffen mit einigen Betroffenen“, berichtet Anja. „Viele haben ähnliche Beschwerden.“
Termin fürs nächste Treffen der Long-Covid-Gruppe steht
Und, mit heutigem Wissen: Für Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen ließen, habe sie wenig Verständnis. „Ich finde das rücksichtslos und egoistisch“, appelliert sie mit Nachdruck, dabei auch an den Schutz der Mitmenschen zu denken.
Das nächste Treffen der Long-Covid-Gruppe findet am 8. September in Moers statt. Ute Gieffers von der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Kreises Wesel beim Paritätischen in Moers teilt mit, dass man inzwischen die Kliniken im Kreis mit der Bitte angeschrieben habe, für die Betroffenen Sprechstunden anzubieten. Wer betroffen ist und Hilfe in der Gruppe sucht: 02841 / 900016 oder E-Mail an selbsthilfe-wesel@paritaet-nrw.org.