Moers. Dr. Patrick Stais arbeitet am Krankenhaus Bethanien Moers. In seiner Doktorarbeit 2006 hat er sich mit der Wirkung von Medikamenten beschäftigt.

Die Diskussionen um mögliche Nebenwirkungen beim Impfstoff Astrazeneca haben es einmal mehr gezeigt: Frauen reagieren auf bestimmte Medikamente anders als Männer. Das gleiche gilt bei Angriffen durch Bakterien und Viren. Warum das so ist, erklärt Dr. Patrick Stais, der geschäftsführende Oberarzt der Lungenklinik am Bethanien. Seit einem Jahr leitet der 40-Jährige die Covid-Station im Krankenhaus. Dr. Stais gehört zu den Pionieren in der Gender-Medizin.

Als er im Jahr 2004 begonnen hat, für seine Doktorarbeit zu recherchieren, gab es in Deutschland noch keinen Lehrstuhl für diesen medizinischen Schwerpunkt. Der wurde erst 2007 in der Berliner Charité gegründet – ein Jahr, nachdem Patrick Stais seine Arbeit am Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf abgeschlossen hatte.

Es liegt am X-Chromosom

Sein Doktor-Vater war eine Doktor-Mutter, auch das war keineswegs der Normalfall. „Das war etwas ganz Neues“, sagt er. Im Kern hat er untersucht, ob Ärztinnen und Ärzte in den für sie gängigen Quellen darauf hingewiesen werden, dass bei den verordnungsstärksten Medikamenten unterschiedliche Nebenwirkungen bei Frauen und Männern auftreten können. Seine Annahme hatte sich damals bestätigt: nein. Mittlerweile wird in der Hinsicht mehr geforscht.

Stais nimmt ein aktuelles Beispiel, um generelle Unterschiede deutlich zu machen. Mit Blick auf eine Covid-Erkrankung könne man sehen: Männer hätten ein doppelt so hohes Sterberisiko und auch die Gefahr eines schweren Verlaufes sei größer als bei Frauen. Diese hätten dafür öfter unter Langzeitschäden zu leiden. Stais: „Das weibliche Immunsystem ist deutlich differenzierter als das von Männern.“ Der Grund: Die Gene, die das Immunsystem ausbilden, werden im X-Chromosom kodiert. Und davon haben Frauen nun einmal zwei und Männer nur eines. Deswegen, so erklärt der Mediziner weiter, haben Frauen mehr innere Werkzeuge, um ein Virus zu bekämpfen. Aber: Diese gehen so rigoros vor, dass am Ende wenig bleibt, was womöglich für die langfristige Stabilität der Gesundheit förderlich wäre.

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Warum treten nun offenbar bei der Verimpfung von Astrazeneca bei Frauen häufiger Hirnvenenthrombosen auf als bei Männern? Dr. Patrick Stais lenkt den Blick auf die Forschung. So werde nicht immer in der Phase, in der Medikamente in Tierreihen getestet werden, eine Differenzierung zwischen den Geschlechtern vorgenommen. „Wenn es heißt, es wurde an sechs Affen getestet, weiß man nicht immer, wie viele davon weiblich waren.“ Auch bei Testreihen mit Mäusen seien es bisher mehr männliche Mäuse gewesen. Dr. Stais: „Tierschutzbeauftragte sollen zunehmend auf eine weibliche Quote achten.“

Gender ist mehr als das biologische Geschlecht

Erst sobald die Medikamententestung in die nächste Phase geht, wird der Blick auf geschlechterspezifische Unterschiede gelenkt. Dann achte man darauf, dass das Geschlechterverhältnis bei den Probandinnen und Probanden ausgewogen sei. So sei es auch bei dieser Zulassungsstudie gewesen. Und welchen Einfluss hat die Antibabypille mit Blick auf medikamentöse Nebenwirkungen? Stais: „Sie ist ein Risikofaktor für Thrombosen und Lungenembolien, und das ist wissenschaftlich und gesellschaftlich akzeptiert.“

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Grundsätzlich sei zwischen der reinen Biologie und dem, was Dr. Stais als den gendermedizinischen Aspekt bezeichnet, zu unterscheiden. Die forschende Pharmaindustrie setze das Geschlecht als biologische Variable fest (engl. „sex“ als Geschlecht). Dr. Stais: „Gender geht über die bloße biologische Betrachtung hinaus und berührt die Rolle der Frau in der Gesellschaft insbesondere mit dem Selbstbestimmungsrecht.“