Kamp-Lintfort. In Kamp-Lintfort versüßt Kinochef Michael Seidel das Couchkino mit Popcorn. Dabei wünscht er sich nichts mehr, als wieder ein eigenes volles Haus.

Das Foyer der Hall of Fame in Kamp-Lintfort sieht seltsam aufgeräumt aus. Die Stühle stehen auf den Tischen, die Auslagen der Gastrotheke sind leer. Knapp anderthalb Jahre ist es her, dass Kinoleiter Michael Seidel und sein 30-köpfiges Team hier zum Weihnachtsgeschäft Überstunden schoben. Neun Mitarbeiter sind übriggeblieben, alle in Kurzarbeit. Was der 54-jährige Neukirchen-Vluyner derzeit am meisten vermisst, ist nicht schwer zu erraten: „Ein volles Kino“, sagt Seidel. Aber das, weiß er selbst am besten, wird wohl noch eine Weile dauern.

Seit dem zweiten Lockdown im November verbringt Seidel etwa zwei Stunden täglich vor Ort im Kino. „Post sichten, Mails lesen, die Sozialen Medien bedienen, ein Hausrundgang und die Technik checken“, sagt Seidel. Schon mal stehen Wartungstermine an, das war’s dann aber auch. Mittlerweile kommt manches Paket für das Kino beim Kinoleiter sogar zuhause an, „wir sind ja nur noch unregelmäßig hier“, so Seidel.

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Die Popcornmaschine wird trotzdem noch angeschmissen. Am Wochenende kann sich, wer mag, Popcorn und Nachos to Go abholen, für den Kinoabend mit Streamingdienst in den eigenen vier Wänden. „Das machen wir in erster Linie, damit die Leute das Kino nicht vergessen“, sagt Seidel. Jeden Freitag und Samstag zwischen 17 und 19 Uhr werden die Snacks auf vorherige Bestellung im Kinofoyer verkauft – unter Einhaltung der Corona-Schutz-Bestimmungen.

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Um den Kontakt zu den Kinobesuchern zu halten, gibt es über die Sozialen Medien und auf der Homepage immer neue Aktionen. Für 85 Euro kann man sich derzeit für drei Stunden mit insgesamt fünf Personen einen Kinosaal mieten und einen Film seiner Wahl auf BlueRay mitbringen. Einziger Unsicherheitsfaktor: Am ausgemachten Termin gilt es, den aktuellen Stand der Coronaverordnungen zu beachten – schwer planbar in diesen Tagen.

Unterhaltung auf Facebook mit dem Kino-ABC

Wegen Corona seien jetzt viel mehr Leute als sonst in den Sozialen Medien unterwegs, hat Seidel festgestellt. Die unterhält das Team derzeit auf Facebook mit einem Kino-ABC oder beim Filmeraten mit Maskottchen Halli. Ab und zu kämen jetzt immerhin wieder neue Filme von den Verleihern, auch die ersten Werbeplakate seien schon da. „Aber wir können uns ja auf keinen Starttermin verlassen“, sagt Seidel.

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Im Perspektivpapier von Bund und Ländern Anfang März waren die Öffnungsmöglichkeiten von Kinos gleichgestellt mit denen von Theater- Konzert- und Opernhäusern – abhängig von Inzidenzen. Wann und in welcher Form es tatsächlich wieder losgehen könnte, zum Beispiel mit einer Testpflicht ähnlich wie beim Einkauf, weiß Seidel nicht. „Aber wir werden schon von Schnelltestanbietern mit Angeboten bombardiert.“ Eins steht für ihn jedoch fest: „Wenn die Kinobesucher auch im Saal eine Maske tragen müssten, würde es sich für uns kaum lohnen. Für uns wäre wichtig, dass wir den Gastrobereich öffnen können – wir leben von der Gastronomie.“

Die Kinofans würden am meisten das gemeinsame Erlebnis vermissen, die besondere Atmosphäre im Kino, weiß Seidel aus vielen Gesprächen. Und natürlich neue Filme. „Alle drücken uns die Daumen und fragen immer wieder nach einer Prognose.“ Eine seriöse hat Seidel derzeit nicht. Stattdessen laufen Miet- und Stromkosten weiter. Die bunte Schrift auf dem Dach des Kinos leuchtet schon lange nicht mehr in der Dunkelheit.