Moers/Kamp-Lintfort. Im Lockdown kaufen viele Menschen ein Haustier. Doch genau davor warnen Fachfrauen aus Moers und Kamp-Lintfort. Es gibt immer mehr Hilferufe.

„Das Kind hat Langeweile. Wir suchen ein Heimtier.“ Den Handel freut’s. Den Lockdown, die Schulschließungen oder auch die Leere im Homeoffice nehmen viele Familien oder Singles zum Anlass, sich jetzt ein Tier zuzulegen. Tierhandlungen und Internet-Anbieter machen offenbar das Geschäft des Lebens. Im Tierheim am Peschkenhof in Moers sieht man das mit großer Sorge.

Leiterin Nicola Kreuzmann: „Die Lage spitzt sich zu.“ Sie rechnet in ein paar Monaten mit zahllosen Tieren. Ähnliches berichtet Beate Mühlenberg, Leiterin der Tierherberge Kamp-Lintfort. „Wir selbst suchen möglichst gute Leute für unsere Tiere aus. Aber was da so im Handel abgeht, ist besorgniserregend.“

Fachfrau: „Welpen werden unter schlimmen Bedingungen gezüchtet“

„Auch wir verfolgen das Geschehen im Netz“, erklärt Mühlenberg. „Es gibt da ein enormes Welpenangebot, und dies zu horrenden Preisen.“ Nicht nur deutsche Züchter böten junge Tiere verstärkt an. Auch der Handel mit illegal über die Grenze gebrachten Welpen blühe im Lockdown. Nicola Kreuzmann ergänzt: „Aber auch hier bei uns werden immer mehr Welpen in irgendwelchen Scheunen unter schlimmen Bedingungen gezüchtet und für viel Geld im Netz angeboten.“

Der Kauf-Boom treffe im Übrigen auch auf Rassekatzen, Meerschweinchen, Kaninchen und exotische Tiere zu, weiß Kreuzmann. „Bei Welpen und Katzen muss man damit rechnen, dass sie oft nicht geimpft sind oder sogar schwer erkrankt sind.“ Was für den Käufer später hohe Tierarztkosten bedeute. Zudem gebe es keine Beratung, welches Tier zu welchem Menschen passe.

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„In einem Fall wurde das Tier sogar auf einem Parkplatz übergeben.“ Oder eine ältere Dame habe sich einen großen Hund aufschwatzen lassen, der auf der Liste der gefährlichen Rassen stand, wie sich später herausstellte. „Da wird dann mangels Ausbildung und Erziehung womöglich ein Kind gebissen oder ein Besucher angebellt. Wir können solche Hunde nur in begrenzter Zahl aufnehmen. Sie brauchen viel Zuwendung, Training und Schulung.“

Und: „Im Lockdown lernt der Welpe ja auch nicht, alleine zu sein. Das wird später womöglich zum Problem, wenn die Familie wieder morgens aus dem Haus ist. Da werden schon mal teure Möbel angebissen oder Nachbarn beschweren sich über das laut heulende Tier.“„Die Situation spitzt sich jetzt offensichtlich zu“, schildert Nicola Kreuzmann in Moers.

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„Uns erreichen immer mehr Hilferufe von Menschen, die sich unbedarft ein junges Tier zugelegt haben und sich damit nicht auskennen. Es kommt ja hinzu, dass alle Hundeschulen geschlossen sind.“ Der Tierschutz sei für solche Fragen eigentlich nicht zuständig und damit auch zeitlich überfordert. Mit großer Sorge sehe man den kommenden Monaten entgegen, wenn womöglich eine Welle von „Problemtieren“ in den Tierheimen lande.

Grundsätzlich rät die Moerser Fachfrau, sich zurzeit kein Tier anzuschaffen: „Der Lockdown ist der schlechteste Zeitpunkt dafür. Und Langeweile darf kein Motiv für den Kauf sein. Hunde und Katzen leben bis zu 15 Jahre und länger. Sie verursachen hohe Kosten, nicht nur, wenn sie krank sind. Sie benötigen tagtäglich viel Auslauf und Zuwendung. Und letztlich sollte man sich immer überlegen, wer sich um das Tier kümmert, wenn man krank ist oder wieder ins Büro muss“, mahnt die Tierschützerin zur Vernunft.

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Wer sich im Tierheim nach einem neuen Gefährten umsehen will, muss derzeit Termine machen. „Wir telefonieren dann, und im Außengelände können bei uns auch Treffen mit je einer Person stattfinden. Außerdem besuchen wir unsere Schützlinge später auch“, sagt die Moerser Tierschützerin Beate Kreuzmann.

Angelika Jäger vom Tierschutzverein Kamp-Lintfort weiß außerdem: „Das Tierheim Duisburg, wo ich ehrenamtlich arbeite, gibt die Tiere nur unter einem Eigentumsvorbehalt ab.“ Sowohl in Moers als auch in Kamp-Lintfort sind die Unterkünfte augenblicklich noch nur zu etwa einem Drittel mit Tieren belegt.