Moers/Kreis Wesel. Landrat Ingo Brohl im NRZ-Interview: Ein zweiter Impf-Standort ist gefunden, jetzt muss das Land grünes Licht geben. Senioren bald impfen.
Auch im Kreis Wesel verläuft die Impfkampagne gegen das Coronavirus schleppend. Landrat Ingo Brohl sagt im NRZ-Gespräch mit Matthias Alfringhaus, woran es liegt und welche Perspektiven die Menschen im Kreis beim Impfen jetzt haben.
Bei uns in der Redaktion melden sich zurzeit sehr viele enttäuschte, frustrierte und wütende Menschen. Sie bekommen, wie viele andere im Kreis Wesel, keinen Impftermin. Können Sie die Reaktionen verstehen?
Ingo Brohl: Auch bei uns in der Kreisverwaltung melden sich viele Menschen, weil sie keinen Termin bekommen. Ich kann die Reaktionen sehr gut verstehen, nach zwölf Monaten Pandemie ist der Wunsch nach einer schützenden Impfung groß. Grundsätzlich hat das Land die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Terminvergabe beauftragt. Als Kreis haben wir leider keinen Zugriff.
Wie ist die Situation entstanden?
Als Vorbemerkung muss man darauf hinweisen, dass wir das Glück haben, jetzt schon einen Impfstoff zu haben. Die Verordnung sieht vor, dass wir jetzt zunächst alle Menschen Impfen, die besonderen Schutz brauchen. Leider haben die Systeme nicht das hergegeben, was wir uns gewünscht hätten. Der Kreis Wesel hat frühzeitig kritische Hinweise zur Terminvergabe gegeben.
Welche Perspektiven haben die Menschen im Kreis Wesel beim Impfen?
Wir hoffen, dass wir den Impfstoff so bald wie möglich dauerhaft geliefert bekommen und es keine weiteren Unterbrechungen geben wird. Dann, auch das ist unsere Hoffnung, sollten alle Menschen im Kreis Wesel ab 80 Jahren bis Anfang, Mitte April ihre Erstimpfung gegen das Coronavirus erhalten haben.
Wird es einen zweiten Standort fürs Impfen am linken Niederrhein im Kreis Wesel geben?
Der Impfstoff von BionTech kann, Stand heute, unter anderem wegen der Kühl-Vorgaben nicht über Hausarztpraxen, in Wohnungen oder den Häusern der Menschen verimpft werden. Auch deshalb setze ich mich sehr stark für einen zweiten Standort ein. Wir haben im Schulterschluss mit allen Kommunen im Kreis frühzeitig klargemacht, dass ein solcher mit Blick auf die Fläche und die Einwohnerzahl sehr sinnvoll ist.
Wir haben schon länger einen zweiten Impfstandort am linken Niederrhein identifiziert und hoffen auf die Erlaubnis durch das Land, dass wir ihn errichten können. Er muss ja auch landesseitig eingebettet und abgesichert sein. Der Kreis ist vorbereitet, doch ohne eine Landesentscheidung bitte ich um Verständnis, dass ich den Standort nicht nennen werde.
Am Montag gibt es in Berlin ein Gespräch zur Impf-Misere in Deutschland. Was würden Sie in dem Gespräch fordern, wenn Sie dabei wären?
Zum einen würde ich mir wünschen, dass weniger vollmundig angekündigt wird und wir ehrlich sagen, dass die Pandemiebewältigung noch länger ein Fahren auf Sicht mit weiteren Zumutungen bleibt. Zum anderen sollte die kommunale Familie stärker einbezogen und gehört werden.
Wir Kommunen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir Krisenbewältigung können, sowohl in der Pandemie aber auch beispielsweise in der so genannten Flüchtlingskrise. Durch die Nähe zu den Menschen und der konkreten Situation vor Ort treffen wir realistische Entscheidungen.