Kleve/Wageningen. Wie läuft das, wenn man in Deutschland lebt und in den Niederlanden arbeitet? Oder anders herum? Wir haben eine Grenzpendler-Familie begleitet.
Gerwin Putman ist Niederländer, wohnt in Kleve und arbeitet im Montessori-Kinderhaus in Kellen. Seine Frau Lina ist Deutsche und als Mikrobiologin in Wageningen beschäftigt. Die beiden Töchter Mirthe und Jelka wachsen zweisprachig auf und lernen dabei schon von klein auf beide Kulturen kennen. Wie kommt diese deutsch-niederländische Familie durch den (Arbeits-)Alltag? „Im Arbeitsleben ist das nicht so schwierig, wenn man aber Kinder hat, fällt man oft durchs Raster“, berichtet Lina Putman. Wie gut, dass es den GrenzInfoPunkt der Euregio Rhein-Waal gibt.
Beruf im Nachbarland
„Als ich Lina kennenlernte, dachte ich, sie sei eine niederländische Studentin. Ihr Niederländisch ist wirklich perfekt. Erst als ich sie besuchen wollte, habe ich gemerkt, dass sie Deutsche ist: Sie hat mich nämlich nach Kleve eingeladen“, blickt Gerwin Putman schmunzelnd zurück. Gehindert hat es ihn nicht. Im Gegenteil: Es hat ihn bald aus der niederländischen Region Montferland nach Kleve verschlagen. Inzwischen ist sein Deutsch so gut, dass er sogar in Kleve arbeiten kann. Sprachlich hat das Ehepaar also alle Hürden genommen. Wie aber ist es auf den anderen Gebieten?
Gerwin hat in den Niederlanden einen Beruf ausgeübt, den es in Deutschland so nicht gibt: Leerlingbegeleider. „Ich war an einer regulären Gesamtschule tätig, an der auch Kinder mit Lernproblemen und Verhaltensauffälligkeiten unterrichtet wurden. Ich hatte eine Art Brückenfunktion, habe dort sowohl die Lehrer als auch die Kinder unterstützt.“
Nach dem Umzug nach Kleve hat er zunächst weiterhin in den Niederlanden gearbeitet. Nachdem die zweite Tochter geboren war, wollte er jedoch kürzertreten und sich verstärkt um die eigenen Kinder kümmern.
Er suchte eine Teilzeitbeschäftigung – und kann jetzt seine Kompetenz im Bereich Inklusion im Rahmen eines Midijobs im Montessori-Kinderhaus in Kleve-Kellen einbringen. Demnächst startet er zudem eine Weiterbildung. Für den beruflichen Start in Deutschland benötigte er übrigens keine besonderen Nachweise.
„Es gibt allerdings einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Ländern. Während in den Niederlanden sehr viel Wissen über Kinder mit Entwicklungsstörungen vorhanden ist, habe ich festgestellt, dass Deutschland für diese Kinder als Land geeigneter ist. Vieles hier ist strukturierter und verlässlicher, was beispielsweise Autisten zugutekommt. Die selbstbestimmte Entwicklung, die in den Niederlanden im Vordergrund steht, ist eher für andere Kinder geeignet.“
Lina Putman hat nach dem Studium und der anschließenden Promotion in Nimwegen ihre berufliche Laufbahn in Wageningen fortgesetzt. Sie arbeitet als Mikrobiologin bei einem Forschungsinstitut, das der Universität Wageningen angegliedert ist. Auch sie konnte – als Ausländerin – den Job ohne besondere Zusatzqualifikation beginnen. „Ich habe noch nie in Deutschland gearbeitet. Mir gefällt in den Niederlanden, dass wir sehr teamorientiert arbeiten und dass Kritik in der Regel konstruktiv gemeint ist.“
Etwas komplizierter ist die Sache im Bereich Steuern, Versicherungen und staatlicher Leistungen. So hätte Corona für Lina Putman fast zu einer Änderung in der Besteuerung geführt. „Da ich in diesem Jahr lange im Homeoffice arbeiten musste, hätte sich meine Steuerpflicht aufgrund der 183-Tage-Regelung fast nach Deutschland verlagert.“ Mittlerweile aber hat die Taskforce NRW mit den Niederlanden vereinbart, dass die 183-Tage-Regelung in der Coronazeit ausgesetzt wird. Nachdem Lina Putman zwischenzeitlich zurück ins Büro konnte, ist derzeit wieder Homeoffice angesagt…
Ein anderes Thema ist das Elterngeld: In den Niederlanden muss man es versteuern, in Deutschland nicht. „Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber den ‚Ouderschapsverlof‘ mit einem ähnlichen Prozentsatz kompensiert. Elterngeld lohnt sich für Grenzgänger mitunter gar nicht.“ Das hänge vom Einzelfall ab. Gleiches gilt auch für die zusätzliche Bezuschussung für die Kindertagespflege aus den Niederlanden. „Um es in den Niederlanden überhaupt beantragen zu können, brauchte ich detaillierte Bestätigungen für die Betreuung der Kinder in der Tagespflege. Aber in den Niederlanden konnte mir niemand sagen, wie die deutsche Bescheinigung eigentlich aussehen soll, welche Informationen verlangt werden…“
Dazu komme, dass die Niederlande sehr viel stärker digitalisiert seien. Ohne DigiD könne man online nichts beantragen. Bis vor kurzem konnte man diese jedoch nur erhalten, wenn man einen Wohnsitz in den Niederlanden hat. Das soll sich jetzt ändern…
Midi oder Mini?
Bei der Teilzeitbeschäftigung für ihren Mann stellte sich die Frage: Minijob oder Midijob? „Wir haben uns bewusst für einen Midijob entschieden. Hätte er einen Minijob, würde uns das im Versicherungsbereich 100 Euro extra kosten.“ Bei diesen und anderen Fragen hat die Familie die Unterstützung des GrenzInfoPunktes in Anspruch genommen – mit Erfolg. „Alleine weiß man ja überhaupt nicht, worauf man achten muss und was einem überhaupt zusteht.“
„In solchen Fällen helfen wir natürlich gerne. Dafür haben wir alle Experten an einem Tisch“, betont Carola Schroer, EURES-Beraterin beim GrenzInfoPunkt der Euregio Rhein-Waal. Damit noch möglichst viele deutsch-niederländische Familien beruflich und familiär weiterkommen. Die Putmans jedenfalls haben ihren Weg als „grenzenlose Familie“ gefunden…