Kamp-Lintfort. Es muss nicht immer Wein sein: Johannes Lehmbrock ist Brauereichef und Biersommelier. Er verrät, welches Bier zu welchem Essen passt.

 „Süffig.“ „Passt!“ „Geil!“ Wenn Biertrinker den Geschmack von Gerstensaft beschreiben sollen, bleibt ihr Sprachvokabular in der Regel überschaubar. Wenn der Kamp-Lintforter Brauereichef Johannes Lehmbrock über Bier spricht, bekommt man Lust auf mehr: „Es hat eine schöne Süße, bringt aber auch Fruchtaromen mit, man riecht Kirsche und Schokolade“, beschreibt Lehmbrock sein dunkles Bockbier. Das würde sich als Bierbegleitung hervorragend zum Dessert eines opulenten Festmahls eignen. Bier statt Wein zu Gänsebraten oder Raclette? „Passt“, sagt der Bier-Sommelier und lacht.

Lernen, Aromen zu erschmecken


Einen Weinsommelier, also Menschen mit speziellem Wissen über den Rebensaft, die Interessierte etwa in Restaurants beraten, kennt jeder. Weniger bekannt ist, dass es seit etwa 25 Jahren auch eine Ausbildung zum Biersommelier gibt. Johannes Lehmbrock hat sich in der Fachakademie Doemens in München ausbilden lassen. Zunächst, so Lehmbrock, lerne man in der Ausbildung Grundzüge des Brauwesens. „Und dann wird verkostet und gelernt, Aromen zu erschmecken.“


Als Biersommelier versuche er nie zu sagen, dieses Bier ist gut und jenes schlecht, sagt Lehmbrock: „Ein Biersommelier ist nicht der Braumeister, sondern ein Galerist.“ Der Bierstil geben den Rahmen vor, der persönliche Geschmack entscheidet. Der Chef von Geilings Bräu hat es sich auch selbst zur Aufgabe gemacht, ein Bier-Botschafter zu sein: „Wir sollten dem Bier gerecht werden und vor allem seine Vielfalt herauskehren.“

Wie kommt die Schokolade ins Bier?


Wie Aromen wie Schokolade oder auch Kaffee ins Bier kommen? „So etwas lässt sich im Brauprozess von vorneherein berücksichtigen“, erklärt Lehmbrock, „im Fall von Schokolade etwa über karamellisierte Röstmalze.“ Ein Bier kann aber auch nach Mango, Holz, Pfeffer oder Zitrusfrüchten riechen. „Das kann über den Umgang und die Wahl des Hopfens gesteuert werden. Hopfen hat in der Regel zwei Komponenten: eine bittere, aber auch eine stark aromatische.“ Welche Möglichkeiten sich da auftun, zeigen nackte Zahlen: „Es gibt allein über 100 verschiedene Malzsorten und etwa 300 bis 400 verschiedene Hopfensorten. Dazu kommt die Wahl des Wassers.“


Auch in der Geilings Bräuerei wird geschmacklich gerne getüftelt. Unter dem Label „Prototyp“ experimentieren Johannes Lehmbrock, Braumeister Kai Weier und auch die Azubis immer wieder gerne mit Hopfen und Malz. So ist in diesem Winter auch das „Ice-Alt“ über eine spontane Idee entstanden: „Wir waren mit dem Abfüllen durch, hatten aber einen letzten Rest Alt im Tank. Dann haben wir den Tank bis zur nächsten Woche auf Frieren gestellt. Dadurch wurden die ersten zehn Zentimeter eingefroren und nur noch die Alt-Essenz da. Dadurch ist der Alkoholgehalt gestiegen und wir haben ein sehr intensives Alt-Bier bekommen.“

Dunkle Speisen, dunkle Biere


Die Prototypen gehen nicht in den Handel, sondern können nur vor Ort in der Geilings Brauerei während Brauereiführungen oder auf Sommelierabenden getestet werden. Ob sie in den Handel kommen, hängt von mehreren Faktoren ab. Aber: „Unser Alt, ebenso wie das Weizen oder das ,Hopfen rockt’ haben auch als Prototypen angefangen“, erklärt Lehmbrock. Die Kunst: „Wir müssen nicht nur unsere Vorstellungen treffen, sondern auch die unserer Kunden.“


Für eine Bierbegleitung zum Essen nennt Lehmbrock einige Grundregeln: „Grundsätzlich gilt: dunkle Speisen, dunkle Biere. Als Fischesser sollte man bei leichten, hellen Bieren bleiben. Und: Den Alkoholgehalt erst im Laufe des Abends steigern.“ Weitaus schwieriger als bei Wein ist das Kochen mit Bier: „Wenn wir Bier erhitzen, konzentrieren sich die Bitterstoffe, sie sind nicht flüchtig. Das ist schwierig.“ Durchaus empfehlen kann der Brauereichef aber das Backen mit Bier: „Da können wir einfach einen Teil des Wassers durch Bier ersetzen. Meine Oma schwört beim Brotbacken schon seit Jahren auf dunkles Bockbier, weil es mehr Würze bringt.“

Die Vielfalt der Biere erhalten


Kann man während einer Mahlzeit Bier und Wein mixen? „Das finde ich persönlich schwierig“, sagt Lehmbrock, der übrigens gerade in der Winterzeit gerne auch mal einen kräftigen Roten trinkt. An einem Abend verschiedene Biere durcheinander trinken, könne dem ein oder anderen am nächsten Morgen aber auch Kopfschmerzen bereiten: „Wobei es da natürlich auch auf die Menge ankommt.“


Bei seinen begehrten und in der Regel schnell ausverkauften Sommelier-Abenden in der Geilings-Bräuerei lässt Lehmbrock in der Regel zehn Biere testen: ein leichtes Helles, Weißbier, Land- oder Kellerbier, Altbier, Pale Ale, Porter, Sauerbier, helles Bock, dunkles Bock und Eisbock. „Dann versuche ich zu erklären, warum das jeweilige Bier so schmeckt wie es schmeckt und was sich der Braumeister dabei gedacht hat.“
Für viele kleinere Brauereien war das vergangene Corona-Jahr sehr hart: „Ich hoffe, dass die Kleinen das überleben“, sagt Lehmbrock, „ich wünsche mir, dass die Vielfalt des Bieres erhalten bleibt.“