Moers. Die Nachfrage ist groß, das Angebot klein. Auf dem Immobilienmarkt steigen die Preise auf Rekordniveau. Mit Geduld haben Käufer dennoch Chancen.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, in Moers eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, braucht vor allem zwei Dinge: Geld und Geduld. Die Preise steigen unaufhörlich, gleichzeitig ist das Angebot knapp. Die Coronakrise hat das öffentliche Leben zeitweise lahm gelegt, den Immobilienmarkt nicht. Sonja Koppers, die Leiterin des städtischen Vermessungswesens, fasst das Geschehen in einem bemerkenswerten Satz zusammen: „Derzeit wird in Moers alles gekauft und alles bezahlt.“
Das Fazit von Sonja Koppers ist keine bloße Einschätzung. Die Fachfrau kann sich auf Daten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt Moers berufen. Danach wurden in den ersten zehn Monaten dieses Jahres 846 Kaufverträge über Grundstücke, Gebäude und Wohnungen geschlossen.
Damit sind es jetzt schon mehr als im gesamten Jahr 2019, in dem 772 so genannte „Kauffälle“ registriert wurden. Die Preise für Immobilien stiegen im Vergleich zum Vorjahr teilweise um 5 Prozent. Für eine Doppelhaushälfte muss man 2020 in der Grafenstadt im Schnitt 300.000 Euro hinblättern. Eine neue Eigentumswohnung in guter Lage kostet im Schnitt 3500 Euro pro Quadratmeter, eine ältere Wohnung im Weiterverkauf 2100 Euro. Entsprechend erreichte der Geldumsatz mit 223,7 Millionen Euro einen Rekordwert.
In Moers ist für Immobilien fast jeder Wunschpreis durchsetzbar, sagen die Experten
Die Preise für Wohnimmobilien sind seit 2010, dem Jahr nach der Finanzkrise, auf dem Weg nach oben. „In den letzten zwei Jahren hat sich diese Entwicklung verschärft“, weiß Arthur P. Hornik, Immobilienspezialist der LBS-Immobilien GmbH Nordwest und auf dem Markt in Moers und Umgebung seit 30 Jahren tätig. „Die Kurse galoppieren davon.“
Nachgefragt seien vor allem Schwafheim, Utfort und Kapellen. Eine neue Eigentumswohnung mit 80 Quadratmetern und in guter Lage sei vor zehn Jahren für einen Quadratmeterpreis von 2100 Euro zu haben gewesen. „Heute kostet eine vergleichbare Wohnung 3700 Euro.“ Komfortabel ist die Situation vor allem für Verkäufer, erst recht, wenn sie nicht unter Zeitdruck stehen: „Sie können momentan fast jeden Wunschpreis am Markt durchsetzen, weil die Nachfrage so groß ist“, erklärt Hornik. Selbst Privatverkäufe im Bieterverfahren sind nicht mehr ungewöhnlich.
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Ein Grund ist aus Sicht des Experten, dass Bauland in Moers knapp sei. Ursache für die immense Nachfrage seien aber auch die historisch niedrigen Zinsen, die vielen eine „Investition in Steine“ sinnvoll erscheinen lasse, sowohl als Altersvorsorge als auch als Kapitalanlage. Im Übrigen wachse die Zahl der (kapitalkräftigen) Kaufinteressenten mit über 60 Jahren, denen ihr Eigenheim im Alter zu groß geworden ist und die es gegen eine komfortable kleinere Stadtwohnung mit Balkon statt Garten eintauschen wollen.
Und bei jungen Familien steht der berühmte „Traum von den eigenen vier Wänden“ unverändert ganz oben auf der Wunschliste. Im Übrigen rücken Moers und Umgebung bei Käufern und Häuslebauern aus der Region Düsseldorf/Neuss/Meerbusch stärker in den Blick, wo die Immobilienpreise noch absurdere Höhen erreicht haben.
Interessenten mit mittlerem Einkommen haben in Moers noch immer Chancen auf eine Immobilie
Sebastian Lemke, Makler bei der Volksbank Immobilien Niederrhein, kann die starke Nachfrage bestätigen: „Wir haben eindeutig einen Verkäufermarkt.“ Bei Eigentumswohnungen haben sich die Preise binnen zehn Jahren etwa verdoppelt, weiß er. Doch auch ältere Gebäude seien begeht: „Wenn ich ein sanierungsbedürftiges Reihenhaus in B-Lage für 150.000 bis 200.000 Euro ins Angebot nehme, bekomme ich 50 Anfragen pro Tag“, berichtet er.
Lemke nennt ein anderes Beispiel: ein Einfamilienhaus mit 110 Quadratmetern Wohnfläche, auf einem 300 Quadratmeter-Grundstück, unterkellert und Anfang der 90er Jahre gebaut, bevorzugte Lage – 350.000 Euro werden dafür aufgerufen: „Dazu kommt, dass ein Erwerber mittelfristig noch 40.000 bis 50.000 Euro für Fenster, Böden oder Heizung investieren muss.“ Damit liege ein er aber immer noch günstiger als bei einem Neubau: „Für eine Doppelhaushälfte in dieser Lage werden in Moers derzeit 450.000 bis 470.000 Euro fällig.“
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Dennoch haben nach Überzeugung von Sebastian Lemke Interessenten mit mittlerem Einkommen durchaus Chancen, an eine Immobilie zu kommen, die sie finanzieren können. Nach Möglichkeit sollte man nicht unter Zeitdruck suchen und sich frühzeitig um eine Finanzierung kümmern. Hilfreich sei auch, so Lemke, wenn man nicht ausschließlich auf sein „Idealhaus“ fixiert sei: „Manchen Leuten begegne ich bei Hausbesichtigungen immer wieder. Da merke ich, wie die Kompromissbereitschaft wächst.“ Und bei älteren Gebäuden sei wichtig, einen Fachmann zur Besichtigung mitzubringen, der den Sanierungsbedarf einschätzen kann.
Die niedrigen Zinsen seien nach wie vor ein wichtiger Faktor bei einer Kaufentscheidung. Zudem sei soeben das Baukindergeld verlängert worden, es gebe auch Fördermöglichkeiten bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bundesagentur für Wirtschaft. Zudem könne man Risiken mithilfe einer langfristigen Finanzierung überschaubar halten.