Kamp-Lintfort. Mit einer Wurst-Bude versucht Nancy Schneider, wenigstens ihre Einkäufe zu finanzieren. Bis Oktober mindestens sind ihre Einnahmen weggebrochen.

Es ist nicht viel los an diesem Freitagvormittag. Andere Charaktere würden die Arbeit entschleunigt nennen. Nancy Schneider nennt es „langweilig“. Die Kamp-Lintforterin, die sonst auf Kirmessen Crepes oder Champignons verkauft, ist da eine ganz andere Schlagzahl gewöhnt. Aber seit Corona ihr – oder vielmehr dem ganzen Familienbetrieb – im Wortsinne einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist dieser Curry-Wurst-Stand nahe dem Laga-Eingang Innenstadt seit Mai beinahe die einzige Einnahmequelle.

Auch interessant

„Es reicht, um einkaufen zu gehen und die Krankenkasse zusammenzukratzen“, sagt die alleinerziehende Mutter eines 16-jährigen Sohnes. Und es reicht, um irgendwas zu tun. Die Wohnung habe sie seit März schon mehrfach grundgereinigt. Und zu Ende geheult vor Verzweiflung wegen der fehlenden Perspektive hat sie auch. Sie will lieber anpacken. Was machen. „Ich arbeite halt gern selber für mein Geld.“

Jeden Tag hinter dem Tresen.
Jeden Tag hinter dem Tresen. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Wer wie sie in einer Schaustellerfamilie aufwächst, die so lange in der Branche tätig ist, dass der jungen Frau nur „schon immer“ als nähere Beschreibung einfällt, der sei, so betont sie, „immer flexibel und auch auf Situationen gefasst, in denen es mal nicht nach Plan läuft.“ Man müsse sich nur zu helfen wissen. Aber dass so ein Virus kommt und alles komplett an die Wand fährt, das empfand sie „wie ein Schlag in die Fresse“. Was soll man auch Blümchen drum winden? Corona ist brutal.

Eine Meinung zum „Berufsverbot“

Zu Anfang habe sie gedacht, na gut, ein paar Wochen Pause, das geht schon irgendwie. Pfingsten in Geldern geht es wieder los, war die Hoffnung. Jetzt weiß sie, dass mindestens bis Ende Oktober nichts mehr geht für sie, die sonst bis auf vier Wochen im Jahr permanent auf Achse ist von Fest zu Fest. Meist in der Region, manchmal aber auch bis Marburg oder Friedrichshafen. Und sie hat eine Meinung zum „Berufsverbot für Schausteller“, wie sie die Situation nennt: „Nach Malle fliegen geht, aber das Kinderkarussell unter freiem Himmel darf sich nicht drehen? Das ist doch Quatsch.“ Sie präzisiert, weil gut informiert durch ihren Onkel Mike Bengel, der Vorsitzender des Groß-Duisburger-Schaustellervereines ist: „Es gibt doch Konzepte, wie Hygieneauflagen eingehalten werden können, wie Kirmes als Einbahnstraße funktionieren könnte.“

Auch interessant

Außer, wenn Regen

Vorerst bleibt ihr nur die Bude, die sie auf dem Parkplatz des Restaurants Gambero d’Oro aufstellen darf. Dass sie da steht, war immer mal eine Überlegung zwischen ihr und dem Wirt, jetzt ist es Notwendigkeit. Geöffnet ist täglich von 11 bis 16 Uhr, „außer… wenn Regen oder heiß“, wie ihr handgemaltes Schild erklärt. Länger öffnen lohnt sich nicht: „Ich weiß auch nicht warum, aber danach ist hier der Hund begraben“, ist Nancy Schneiders Erfahrung. Ihre Stammkunden schätzen die selbst gemachte Curry-Sauce der Mutter, deren Geheimrezept Paprikastückchen beinhaltet. Gerne würden die Kunden sich gemütlich hinsetzen, um ihre Fritten zu picken. Problem: Für mehr als einen gibt es in der Bude nicht genug zu tun. Was aber, wenn doch mal fünf Leute gleichzeitig kommen. „Dann kann ich doch nicht rausgehen und sagen, muss mal eben die Plätze desinfizieren.“ Und wem die Currywurst kalt wird, weil die Dokumentationspflicht vorgeht, der wird auch kein zufriedener Kunde.

Mehr Artikel aus Kamp-Lintfort und Umgebung finden Sie hier

Trost spendet ihr, sagt Nancy Schneider, ihre 88-jährige Oma, die noch vor vier Jahren in einer Bude stand. Die sage: „Es ist noch immer irgendwie weiter gegangen.“ Deshalb hat sie auch noch keinen Plan B, was ihr Erwerbsleben angeht. Noch nicht. Denn Schausteller sind ja immer auf alles gefasst.